Warum? Begründungslinien

Die einrichtung des SA-Lab lässt sich auf zwei Begrüdungslinien verorten, einerseits auf eine Organisatorisch-Insitutionellen Line und andereseits auf einer Empirisch-Theoretischen Line.

Organisatorisch/institutionell

Die HSLU-SA ist in Anlehnung an eine Matrixlogik organisiert. Die vier nach Themen organisierten Institute sowie das Zentrum für Lehre und Professionsentwicklung sind in den vier Leistungsaufträgen Lehre, Weiterbildung, Dienstleistung und Forschung tätig. Die Mitarbeiten arbeiten somit in unterschiedlichsten Rollen und Funktionen in diversen Gremien zusammen. Fast alle dieser Gremien arbeiten nach dem «klassischen» Prinzip der Präsenz-Sitzungen. Dies hat zu Folge, dass es praktisch kaum mehr möglich ist, vollzählige Präsenz-Sitzungen abzuhalten oder gar neue, offiziell in die Struktur verankerte – bzw. formelle, Präsenz-Austauschgefässe einzuführen.

Dennoch treffen sich die Mitarbeitenden informell selbstorganisiert, virtuell oder analog im Kleinen zu zweit oder auch in kleinen Gruppen nach eigenem Ermessen. Ein zwar nicht direkt messbarer aber doch erheblich vermuteter Teil der Informationen und des Wissens werden hier ausgetauscht oder transferiert. Mit dem Digital SA Lab soll dieser informelle Austausch genutzt und gefördert werden. Gefördert mit dessen offizieller Anerkennung und Loslösung von formellen Strukturen sowie der Honorierung mit Ressourcen, welche zur Verfügung gestellt und bei Bedarf genutzt werden. Gemeint sind hier in erster Linie Infrastruktur (Analoge und digitale Austauschplattformen in Begegnungsräumen wie oben beschrieben) und Zeitgutschriften für Entwicklungen, welche während den WOL (Working Out Loud) entstehen.

Weiter wird davon ausgegangen bzw. zeigt sich, dass die Mitarbeitenden ihre Tätigkeit an der Hochschule mit einem sehr hohen Engagement ausüben und generell als Lernprozess ansehen – und eine ständige Entwicklung stattfindet. Formelle Angebote für «Weiterbildung», verpflichtend oder nicht, sind in den vergangenen Jahren sehr schwach besucht worden, vor allem wenn diese nicht in direktem Zusammenhang mit dem Alltagsgeschäft standen und / oder angeordnet wurden. Es geht hier also um den Kompetenzerweiterung während des Arbeitens.

Deshalb wird bezüglich der Begrifflichkeit hier nicht LEARNING out loud verwendet, sondern WORKING out loud. Botschaft soll sein, dass Lernprozesse bzw. Kompetenzerweiterung über konterte Alltagstätigkeit möglich sind und nicht spezielle LERANING-Gefässe geschaffen werden sollen – welche zusätzlich das Alltagspensum belasten oder suggerieren die Mitarbeitenden könnten nur fremdinitiiert Lernen.

Empirisch-theoretisch

Wie aus den bisherigen Ausführungen abgeleitet werden kann, dürften neue formelle Prozesse, welche tatsächlich eine oder die gewünschte Wirkung hervorbringen, kaum oder nicht mehr tragfähig und realisierbar sein. Ein Grund, um informelle Prozesse genauer in Betracht zu ziehen. Seufert (2013)[1] zeigt mit folgender Grafik auf, wo auf einem Kontinuum von Lern- und Entwicklungsformen informelle Prozesse bzw. Informelles Lernen verortet werden kann:

Quelle: Seufert (2013)

Es geht um Lernen und Austausch bzw. Kompetenzerweiterung nahe oder direkt an der alltäglichen Tätigkeit. Hier baut die Philosophie des Designs des SA Labs auf, auf der rechten Seite des Kontinuums wo das Lernen im Prozess der Arbeit und dem Austausch und Lernen von- und miteinander stattfinden kann – also kollaborativ. Dies macht für das Digital SA Lab auch in Anbetracht der obigen Ausführungen zu den organisatorisch-institutionellen Begründungslinien und den Gegebenheiten an der HSLU-SA Sinn.

Ein weiterer Grund, weshalb die Philosophie des Designs das SA Lab auf dem Thema des Informellen Lernens aufbaut, ist der empirische Erkenntnisreichtum bezüglich des Informellen Lernens. Empirische Befunde zeigen, dass informelle (Lern-)Prozessgestaltung grössere Wirkungen als formelle (Lern-)Prozessgestaltung hervorbringen kann. Erste Diskussionen diesbezüglich finden sich bereits in den 70er Jahren in einer UESCO-Publikation, in welcher konkludiert wurde, dass ca. 70% der menschlichen Lernprozesse informeller Art seien[2]. Weiter wurden auch in den 90er Jahren bei Marsick und Watkins (1990)[3] entsprechende Erkenntnisse zu Informellen Lernen aufgezeigt. Als einflussreich kann die empirische Untersuchung von Livingstone aus dem Jahr 1999[4] betrachtet werden. Diese zeigte, dass die wichtigsten Quellen für relevantes Wissen am Arbeitsplatz die Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen sowie eigene, bzw. selbstorganisierte Bemühungen seien, 72% der Befragten gaben dies an und bestätigten in dem Sinne die Ergebnisse der UNESCO aus den 70er Jahren. Anders und stark vereinfacht ausgedrückt, «communication, collaboration and learning happens», wie es Ben Camel in seinem Onlinebetrag[5] 2015 schrieb. In der scil Trendstudie von 2015[6] zu Herausforderungen im Bildungsmanagement zeigt sich überdies, dass ein deutlicher Rückgang von formellem Lernen sowie ein deutlicher Anstieg informellen Lernen zu beobachten und erwarten ist. In dieser scil Trendstudie – an welcher über 30 Institutionen aus verschiedensten Bereichen (Finanzwesen, Gesundheits- und Bildungsbereich, Versicherungswesen, Verwaltung, Privatwirtschaft etc.) teilgenommen haben – wird dabei zwischen verschiedenen Ausprägungen von informellem Lernen unterscheiden, bspw. social learning und on-demand learning. Diese Ausprägungen sollen im Rahmen des Digital SA Lab berücksichtig werden. Digitale Medien bzw. Austauschplattformen spielen dabei eine wichtige Rolle, wie dies Seufert und Meier im Handbuch Informelles Lernen[7] darlegen, insbesondre für das selbstorganisierte «social learning». Dies soll im Digital SA Lab mittels den digitalen Austauschmöglichkeiten bewerkstelligt werden. Die Betonung auf Austauschmöglichkeiten erscheint hier als besonders erwähnenswert, gerade in Bezug auf die Erkenntnis von Erpenbeck und Sauter (2013)[8], dass Wissen in dem Sinne nicht vermittelt werden, sondern jeweils individuell «selbst aufgebaut» werden muss – wie dies auch Schmitt von der Fachstelle Hochschuldidaktik der HSLU in seinem kurzen Video[9] auf den Punkt bringt.

Quelle: Sylvia Lipkows, www.managerseminare.de

Diese Ausführungen stellen auch eine Kumulation von Begründungen dar, weshalb WOL wie nachfolgend abgebildet[10] als Instrument des Informellen Lernens im Rahmen des SA Labs eingesetzt werden soll.  Allerdings soll der Prozess für das Digital SA Lab weniger formalisiert sein als eigentliche «Anleitungen» zu WOL wie beispielsweise klassische «Working Out Loud Circles»[11] mit 12 oder mehr einzu-haltenden Schritten.

[1] Seufert, Sabine (2013). Bildungsmanagement: Einführung für Studium und Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

[2] Vgl. Meier, Christoph (2018). Informelles Lernen und Wissensmanagement. St. Gallen: Universität, swiss competence centre for innovations in learning.

[3] Marsick, Victoria. J. & Watkins, Karen E. (1990). Informal and Incidental Learning in the Work-place. New York: Routledge.

[4] Livingstone, David W. (1999). Exploring the Icebergs of adult Learning: Findings of the First Canadian Survey of informal Learning Practices. Canadian Journal for the Study of adult Education. 13,2: 49-72.

[5] https://www.learningsolutionsmag.com/articles/1659/riding-the-digital-stream-integrating-modern-learning-practice-into-formal-programs

[6] Fandel-Meyer, Tanja; Schneider, Christine; Seufert, Sabine; Meier, Christoph., & Schuchmann, Daniela. (2015). 5. scil Trendstudie 2015/2016. Trends im Corporate Learning. St. Gallen: Swiss Centre for Innovations in Learning (SCIL), University of St. Gallen.

[7] Rohs, Matthias (Hrsg.) 2016, Handbuch Informelles Lernen. Berlin: Springer

[8] Erpenbeck, John & Sauter, Werner (2013). So werden wir lernen! Kompetenzentwicklung in einer Welt fühlender Computer, kluger Wolken und sinnsuchender Netze. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler

[9] https://www.youtube.com/watch?v=bvVZG2BbRlk

[10] Bildquelle: managerse-minare.de

[11] http://workingoutloud.com/en/circle-guides/

 

Lucas Haack, 2018