Mit der Corona-Pandemie akzentuiert sich die bereits schwierige Situation in der Schweizer Medienlandschaft. Das Geschäftsmodell der Schweizer Printmedien ist massiv unter Druck und die Frage, wie man journalistische Inhalte erfolgreich im Web monetarisieren kann, ist mit starren Abonnement-Modellen nicht abschliessend beantwortet.
Steife Brise oder Sturm im Blätterwald
Die gedruckte Tages- und Wochenpresse ist nicht erst seit der Corona Pandemie in der Krise, doch der Lockdown hat die Situation nochmals verschärft und fordert weitere Opfer. Es weht eine kalte und steife Brise im Blätterwald – und selbst wenn heute immer noch Zeitungen gedruckt werden, stellt sich die Frage wie lange noch? Seit Jahren ist die Rede vom «Zeitungssterben». Es ist erstaunlich, wie lange sich die «Totgesagten» in der Schweizer Medienlandschaft am Leben halten konnten – teils quersubventioniert, teils bis zur Schmerzgrenze redimensioniert. Es ist ein äusserst harter und zu Teilen aussichtsloser Abnützungskampf.
Die Lage ist ernst und das Geschäftsmodell der Printmedien, sich in erster Linie über Werbeumsätze zu finanzieren, geht (schon lange) nicht mehr auf. Der Lockdown gab den noch vorhandenen Werbegeldern im Print-Sektor den Rest und es ist sehr wahrscheinlich, dass nach der «Sommerpause» einige Zeitungen nicht mehr auf den Leistungsumfang zurückkehren, welcher seit März teilweise drastisch eingeschränkt wurde.
Ab Mitte Mai fährt die (gedruckte) Pendlerzeitung «20 Minuten», parallel mit der Wiederaufnahme des öffentlichen Verkehrs, ihre Auflage wieder hoch. Es wird im Frühling 2020 wohl die einzige gute Meldung für den Print-Sektor bleiben. Denn gleichzeitig befinden sich vor allem die kleinen, lokalen (Gratis)-Printpublikationen auf der «Intensivstation». Hart getroffen von den Werbeausfällen der ebenfalls vom Lockdown gebeutelten lokalen Gewerbetreibenden. Auch hier ist davon auszugehen, dass es einige nicht schaffen werden.
Business Modell Newsportal
Der Niedergang des Prints ist schon länger im Gang. Um diesem entgegenzutreten, verfügen alle grossen Medienhäuser seit Jahren über eigene «Newsportale», doch nur wenige über eine selbsttragende, nachhaltige und gewinnbringende Monetarisierungsstrategie.
«Journalismus hat an Bedeutung und Beachtung gewonnen, seit das Coronavirus wütet. Doch rekordhohe Zugriffszahlen auf den Newsportalen allein bringen noch kein Geld, wenn die Firmen kaum mehr werben.»
Felix Graf, Chef der NZZ-Mediengruppe
Nach wie vor haben viele Online News Geschäftsmodelle eine grosse Abhängigkeit zu den Werbeeinnahmen über ihr Portal. Kommt erschwerend hinzu, dass in den vergangenen Jahren bis heute beim Aufbau der Newsportale ein grosses Stück des Werbekuchens an neue Player verloren ging, namentlich Facebook, Google & Co, die, je nach Schätzung, mittlerweile zwischen 60% bis 75% des digitalen Werbebudgets abzweigen. Viel Geld, welches den Newsportalen bzw. dem Online Journalismus fehlt.
Es liegt nahe, sich dementsprechend Geschäftsmodelle zu überlegen, welche nicht die Werbeeinahmen ins Zentrum stellen, sondern die Leserschaft. Das ist einfacher gesagt als getan. Das stark verbreitete Geschäftsmodell «Paywall» hat seine Tücken. Die Einführung «harter» Paywalls, bei denen die Inhalte nur für zahlende Nutzer freigegeben sind, ist umstritten. Umfragen verweisen dabei auf das Risiko, dass ein erheblicher Anteil der Online Leserschaft sich von diesen hochwertigen Inhalten verabschiedet und auf kostenlose Angebote ausweicht. Freemium Modelle (eine Mischung aus kostenlosen Inhalten und bezahlpflichtigen Premium-Artikeln) und «metered Paywalls» (kostenloser Zugriff auf eine begrenzte Anzahl von Artikeln) sind in der Schweiz immer häufiger anzutreffen. Wer kostenlose Nachrichten gewohnt war, muss sich immer häufiger damit abfinden, vor einer Paywall zu stehen.
Zu Beginn des Lockdowns im März haben viele Online Medien aus den USA und Europa ihre kostenpflichtigen Paywalls gelockert. Die Schweizer Medienhäuser sahen dazu keinen Anlass. Sie begründen das mit einem breiten Gratisangebot, der grossen Zahlungsbereitschaft und dem starken Service public der SRG.
Nun, noch haben wir ein «breites Gratisangebot» und ja, wir haben einen starken Service public. Doch die «grosse Zahlungsbereitschaft» erscheint zu hochgegriffen. Wäre sie in diesem Ausmass gegeben, hätten die Verlage mit den bestehenden Paywall-Modellen keine Schwierigkeiten, die Profitabilität der News-Angebote zu sichern, was in Zeiten der schon länger andauernden Medienkrise und der «Zahlungsbereitschaft» der Leserschaft für Online Inhalte nicht zutreffend ist. Der Reuters Institute Digital News Report 2019 prognostiziert, dass Abonnement-Modelle mit harter Paywall bald ihre Grenzen bzw. den möglichen Marktsättigungsgrad erreicht haben. Laut dem Reuters-Report sind in der Schweiz gerade mal 11% der Leserschaft bereit, für Online Inhalte zu zahlen (in Deutschland 7%). Wenn der Markt bei diesem Stand seine Sättigung erreichen sollte, dann wird es selbst für grosse Medientitel ganz hart, die Verluste aus dem Print-Sektor mit dem Online Pendant und starren Abonnement-Modellen auszugleichen. Die Marktbereinigung wäre brutal und (zu) umfassend, insbesondere die kleinen lokalen und regionalen Medien wären existenziell davon betroffen.
Kiosk 2.0
Cosmin-Gabriel Ene verweist in seinem Artikel in der NZZ Online zu Recht darauf, dass aus der Print-Vergangenheit gelernt werden soll, wenn es um die Weiterentwicklung der bestehenden Geschäftsmodelle von Online Journalismus geht.
« (…) Ein Teil der Menschen hatte ein Abo. Die anderen kauften dann eine Zeitung, wenn sie eine Überschrift oder ein Thema besonders ansprach und sie Zeit und Geld zum Lesen hatten. So hatte jeder die Option, die Informationen zu erwerben, die ihn wirklich interessierten, ohne einen teuren, dauerhaften Vertrag einzugehen. Von diesem Ansatz könnten Medien und Leser profitieren. (…)»
Cosmin-Gabriel Ene
Leider gibt es praktisch keine Erfahrungswerte, ob ein Kiosk-Konzept für einzelne Artikel die momentane eher tiefe Zahlungsbereitschaft der Leser genügend steigern würde, denn die Verlage bieten es schlichtweg nicht an. Dabei erwähnt Ene absolut zu Recht, dass «in der Welt der gedruckten Presseerzeugnisse niemand je auf die Idee gekommen wäre, den Verkauf der Einzelausgabe zu unterbinden».
Die Covid-19 Krise beschleunigt den strukturellen Wandel in der Medienlandschaft Schweiz und damit die «Medienkrise» in der Schweiz. Marktbereinigungsprozesse werden durch den wirtschaftlichen Impact der Pandemie womöglich überborden und die Medienvielfalt noch stärker reduzieren, als dies ohne Krise der Fall gewesen wäre. Die nächsten Monate werden zeigen, ob eine sinnvolle «staatliche Medienförderung» die Marktbereinigung im Zaun hält, denn die (vierte) 4. Gewalt ist gesellschaftlich relevant und muss (möglichst) unabhängig bleiben.
Doch Krise hin oder her, die bestehenden Geschäftsmodelle der Medienhäuser müssen sich weiterentwickeln. Es ist zu hoffen, dass aufgrund des grossen Informationsbedürfnisses während der Corona Pandemie vielen Lesern wieder stärker bewusst wird, dass guter Journalismus etwas kosten darf und für eine vielfältige Medienlandschaft Schweiz etwas kosten muss. Das Kiosk-Modell erscheint vielversprechend unter der wichtigen Voraussetzung, dass es ein simples Abrechnungssystem für die Inhalte diverser Anbieter gibt. Dies ist noch nicht in Sicht – im Gegensatz zum Showdown der Marktbereinigung der Schweizer Medienlandschaft.