Der IT-Fachkräftemangel und die Kostenüberschreitungen in Projekten sind nach wie vor ein grosses Thema. Doch wie lässt sich hier gegensteuern? Wir müssen neue Wege finden, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Low-Code Plattformen eröffnen mit der neuen Zielgruppe der IT-affinen Businessanwendern neue Chancen in der fachspezifischen Anwendungsentwicklung.
Die einfache Zugänglichkeit von Low-Code Anwendungen freut einerseits den Fachanwender und andererseits – dank der resultierenden Effizienzsteigerung – die Unternehmensleitung. Ganz nebenbei entstehen durch diese Apps, die oft Papierlösungen ablösen, wertvolle Daten. Diese können sofort ausgewertet werden und Entscheide beeinflussen. Um was geht es genau?
Ein Beispiel ist die Power Plattform von Microsoft. Mit dieser Low-Code Plattform kann mit Hilfe von MS PowerApps auf Basis von Sharepoint-Listen Businesslogik erstellt und mit user-zentrierten UIs versehen werden. Neu ist, dies geht gänzlich ohne erfahrene Programmierer; versierte Fachanwender oder Fachanwenderinnen sind in der Lage eine App für ihre Businessbedürfnisse zu bauen.
Aber Vorsicht einfach loslegen, birgt Gefahren. Diese Stolperfallen sollten Sie vermeiden:
- Denken Sie im Voraus an die Zielgruppe der App: Sind externe Stakeholder involviert, kann es sein, dass MS PowerPages die bessere Wahl als MS PowerApps sind – es sei denn, ein internes Onboarding der externen Nutzer ist von vornherein vorgesehen.
- Achten Sie bei der Erstellung des Berechtigungskonzepts darauf, welche User benötigen welche Zugriffe? Dies ist ein wesentlicher Kostentreiber. User mit Mutationsrechten erzeugen höhere Lizenzkosten.
- Datenverfügbarkeit und Zugriffsmöglichkeiten haben Einfluss auf die Architektur und die Kosten. So sind leichtgewichtige Sharepoint-Listen für einfache Business Cases oft ausreichend. Wenn es jedoch um grössere Applikationen und grosse Datenmengen geht, führt kein Weg an Dataverse vorbei. Ist Dataverse, die Datenbank von MS365 im Spiel, braucht es Premium Lizenzen.
- Als nächstes stellt sich die Frage, welche Art von App erstellt werden soll.
- So gibt es die Canvas-App, die die Option bietet, das Aussehen der App frei und auf die Zielgruppe zentriert zu gestalten. Der Gestaltung und «Programmieraufwand» ist grösser, die Oberfläche ist jedoch «auf Mass» für den User zugeschnitten.
- Oder man entscheidet sich für eine model-driven App, die schnell zu erstellen ist und die sich an der zugrunde liegenden Datenstruktur orientiert. Zielgruppe sind erfahrene Erfassungsuser.
Weitere Denkanstösse:
Wie vermeiden wir, dass die Low-Code Apps quer in der System-Landschaft stehen?
Wie wird der Datenfluss sichergestellt?
Wie gelangen die erzeugten Daten ins zentrale ERP-System?

Im vorliegenden Business Case entsteht in der Low-Code App «Verpflegungsauftrag» die Datengrundlage für die Kosten-Weiterverrechnung.
Basis bilden Kunden- sowie verdichtete Artikeldaten, die in einer model-driven Low-Code-App verwaltet werden.
Die Kunden werden in drei Gruppen unterteilt: Externe, kantons- und amtsinterne Kunden. Während wir im ersten Release bei den ersten beiden Gruppen einen manuellen Upload aus der im Sharepoint erzeugten Liste gewählt haben, haben wir uns bei den internen Kunden für eine automatisierte Verrechnung via Workflow mit einem Roboter (RPA) entschieden.
Hier gab es weitere Stolperfallen:
- Die anzusteuernde SAP-Fiori-App wurde ursprünglich für das Amt entwickelt, um Personen zu unterstützen, die einmal jährlich ihre Leistungen zur Weiterverrechnung erfassen müssen. Dabei wurden zur Vereinfachung Filter eingebaut, die auf den angemeldeten User, dessen Organisationseinheit, Kostenstelle und Vorgesetzten basieren. Diese indirekte Bedienerführung war ein grösseres Hindernis bei der Automatisierung des Prozesses.
- Jeder durch RPA automatisierte Prozess kann z.B. in einer bestimmten Daten-Konstellation oder bei Nicht-Verfügbarkeit eines Systems auf Fehler laufen. Solche Fehler werden im zugehörigen Logfile protokolliert. Für ein funktionierendes Monitoring ist es notwendig, mind. zwei Personen aus dem Anwenderkreis(!) zu bestimmen, die sich um Störungen kümmern und geeignete Massnahmen zur Fehlerbehebung einleiten.
Fazit:
Die Chancen und Möglichkeiten die Low-Code- und No-Code Anwendungen bieten, sind inflationär. Nebst dem zwingenden Vorhandensein von IT-affinen/-motivierten Businessmenschen empfehle ich Ihnen: Die erwähnten 6 Stolperfallen mit in ihre Überlegungen einzubeziehen, um Frustration oder komplette Neuanfänge zu vermeiden. Ansonsten kann ich nur sagen: Haben Sie Mut zu starten!