Möchtest Du dich durch künstliche Intelligenz retten lassen?

Eine Situation, die bei allen von uns täglich eintreten kann. Stell Dir vor, Du bist in einen Unfall verwickelt und rufst über eine Notrufnummer um Hilfe. Dein Anruf wird in der Einsatzzentrale angenommen, Du bekommst die notwendige Unterstützung und die benötigte Hilfe wird organisiert. Es ist absolut entscheidend, dass die Zeit, die vom Anruf bis zur Hilfestellung bei Dir vor Ort verstreicht, so kurz wie möglich ist. Kann künstliche Intelligenz dabei unterstützen?

Tagtäglich werden in der Schweiz durchschnittlich mehrere Tausend Notrufe abgesetzt. Die kantonale Notrufzentrale der Kantonspolizei St. Gallen nahm 2024 143’500 Anrufe entgegen und allein die Rega koordinierte 2024 knapp 20’000 Einsätze. Im Durchschnitt also 54 Einsätze pro 24 Stunden. In der Notrufdisposition zählt dabei jede Sekunde. Denn je schneller ein Einsatzort genau bestimmt und die notwendigen Rettungsmittel disponiert und alarmiert sind, desto schneller ist Hilfe vor Ort möglich.

Das Einsatzleitsystem
Die Mitarbeitenden nutzen in der Notrufdisposition ein Einsatzleitsystem (ELS). Das ELS ist ein spezialisiertes Informationssystem, das die strukturierte Bearbeitung der Einsätze entlang den Prozessen der Blaulichtorganisation optimal unterstützt. Die Mitarbeitenden dokumentieren mit dem ELS das Einsatzgeschehen ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Notrufs detailliert und chronologisch.

Vom Notruf zum Einsatz vor Ort
Stellen wir uns eine Einsatzzentrale (EZ) vor. Lampen leuchten, Notrufe kommen rein und werden sofort von EZ Mitarbeitenden angenommen. Das Wichtigste ist die exakte Bestimmung des Einsatzortes – das «Wo». Das «Was» ergibt sich aus dem Gespräch mit der alarmierenden Person. Auf Basis von «Wo» und «Was» ermittelt das ELS geeignete Einsatzmittel und bietet diese als Vorschlag zur Disposition an. Die EZ Mitarbeitenden alarmieren und disponieren die Einsatzmittel. Sie unterstützen sie auf der Anfahrt und auch nach Eintreffen am Einsatzort mit relevanten Informationen.

Webcams der Rega Einsatzzentrale
Quelle Rega: Grossbildanzeige mit wichtigen Webcams in der Rega Einsatzzentrale am Flughafen Zürich

 

 

 

 

 

 

 

 

Notrufe und KI
Dank KI wird das Notrufgespräch zu einer zentralen Informationsquelle. Die KI-gestützte automatische Transkription des Gesprächs (Speech-to-Text) eröffnet enormen Mehrnutzen für die Prozesse der Notrufdisposition.

  • Hochwertige KI Sprachmodelle transkribieren mittlerweile Schweizer Dialekte sehr ordentlich und erkennen schnell und zuverlässig welche Sprache gesprochen wird. Nur schon diese Information kann bei einem Notruf sehr nützlich sein, weil Mitarbeitende mit entsprechenden Fähigkeiten rasch hinzugezogen werden können.
  • Die laufende Analyse des Transkripts durch weitere KI gestützte Anwendungen wie NER (Named Entity Recognition) ermöglicht die Anzeige oder Extraktion wichtiger Einsatzinformationen wie z.B. einer Adresse oder eines Namens.
  • KI-gestützte Verfahren zur Ermittlung von Emotionen im Gespräch können weitere wertvolle Informationen in der Abarbeitung von Notrufen darstellen.

Anspruchsvolle Implementierung
Die Implementierung von KI in einer EZ ist aufwändig und anspruchsvoll. Gespräche von Notrufen sind als besonders schützenswerte Daten einzustufen. Sie dürfen damit das interne Netz der Organisation grundsätzlich nicht verlassen. Der Einsatz einer öffentlichen Cloudinfrastruktur ist deshalb nicht zu empfehlen. In Konsequenz müssen technische Konzepte und Lösungen angewendet werden, die eine quasi-Echtzeit Transkription in bestmöglicher Qualität lokal (on-premises) ermöglichen, bei Bedarf skalieren, jederzeit den Sicherheitsanforderungen genügen und gleichzeitig finanziell tragbar sind.

KI für das «Wo»?
Die aufmerksam Lesenden haben bemerkt, dass das sehr wichtige «Wo» bisher nicht besprochen wurde. Der Grund ist, dass eine genaue Bestimmung des Einsatzortes auch ohne KI möglich ist. Die Grundlage dazu wurde mit einer Änderung des Fernmeldegesetzes am 1. Juli 2022 gelegt. Mobiltelefone müssen nun beim Anruf auf eine Notrufnummer gleichzeitig die genauen Standortdaten übermitteln. Und dies auch im Fall, wenn am Mobiltelefon die Ortungsdienste deaktiviert sind. Die Betriebssysteme der Mobiltelefone stellen dann sicher, dass die Ortung für den Notruf eingeschaltet wird. Das ELS kann die genauen Daten bei einem Service beziehen und den Standort des Anrufes sofort im ELS anzeigen. Ohne KI.

Fazit
Schweizer Einsatzzentralen bearbeiten pro Tag tausende Notrufe. KI kann dabei unterstützen und innovieren. KI unterstützt beispielsweise die schnellere und präzisiere Disposition von Einsatzmitteln. Dies führt dazu, dass lebenswichtige Hilfe vor Ort schneller möglich ist. Die Implementierung verlangt neben der technischen Expertise die Einhaltung des Datenschutzes und der hohen Sicherheitsstandards im Blaulichtumfeld.

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Christoph Hess

Christoph Hess ist Projektleiter Public Safety bei Hexagon SIG und bloggt aus dem CAS Digital Business Innovation. Er interessiert sich für Strategie, Agilität, digitale Transformation und effiziente Lösungen mit bestmöglichem Kundennutzen.

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