Im Zeitalter der Digitalisierung spielt Technologie eine zunehmend zentrale Rolle im Sport.
Dank des Zugriffs auf grosse, skalierbare Rechenleistung, zentralisierte Datenspeicherung mit weltweitem Zugang sowie der Möglichkeit, grosse Datenmengen in Echtzeit zu analysieren, kann der professionelle Sportbetrieb seine Leistung erheblich steigern.
In den folgenden Beispielen möchte ich auf den Einfluss von Cloud Computing im professionellen Radsport eingehen.
Windkanalsimulation
Ende 2023 begann die Radsport-Equipe Groupama–FDJ, die etablierte Computational-Fluid-Dynamics-Software für Windkanalsimulationen in die Cloud zu migrieren. Dank nahezu unbegrenzter Rechenleistung erhoffte man sich deutlich schnellere Simulationen.
Im Radsport, besonders beim Zeitfahren, entfallen auf flachen Strecken rund 90 % des Widerstands auf den Luftwiderstand. Optimierungen an der Aerodynamik sind daher entscheidend. Im Gegensatz zur Formel 1 ist die Herausforderung komplexer, da der Athlet selbst den grössten Teil des Luftwiderstands verursacht – nicht das Fahrrad. Deshalb testen Ingenieure verschiedene Körperhaltungen und Ausrüstungen für jedes Teammitglied.
Anstatt zwei vor Setups Ort zu testen, können nun vier bis fünf gleichzeitig untersucht werden. Dadurch analysiert das Team mehr Designoptionen und iteriert schneller. Pro Tag sind zwei- bis dreimal mehr Simulationen möglich, was ein grösseres Spektrum an Parametern abdeckt.
Diese Effizienzsteigerung gelang durch HPC (High-Performance-Computing) Instanzen von AWS. Früher dauerte eine globale Simulation im eigenen Rechenzentrum 26 Stunden, heute in der Cloud nur noch 90 Minuten.
Rennstrategie
Ohne Strategie werden keine Rennen gewonnen. Die Firma NTT stellt der Tour de France ein System bereit, das Live-Daten aller Fahrer in die Cloud überträgt. Unter jedem Fahrradsattel sind Sensoren installiert, die GPS-Position, Geschwindigkeit und weitere Daten erfassen. Diese werden via Motorräder, Helikopter und Flugzeuge gesammelt und an einen Edge-Computing-Truck am Zielort gesendet, dort verarbeitet und in Echtzeit an die Cloud übertragen. So sind die Daten für Zuschauer, Kommentatoren und Teams verfügbar.
Kombiniert mit Leistungsmessern am Fahrrad, Wettermodellen und Streckenprofilen ermöglicht künstliche Intelligenz die Erstellung von Rennstrategien in Echtzeit. Fahrer erhalten taktische Anweisungen per Knopf im Ohr.

Training und Ernährung
Die gesammelten Daten werden in der Cloud weiterverwertet. Algorithmen erkennen Muster in der Belastung, berechnen Erholungszeiten und vergleichen aktuelle Leistungswerte mit historischen Daten. KI-gestützte Prognosen helfen bei der Vorhersage von Formkurven und der Früherkennung von Übertraining.
Basierend darauf erstellt das Trainerteam individualisierte Trainingspläne, abgestimmt auf Stärken, Schwächen und Rennprofile. Diese Pläne sind über eine mobile App jederzeit abrufbar.
Personalisierte Ernährungsempfehlungen, etwa basierend auf Kalorienverbrauch, werden ebenfalls bereitgestellt. Ernährungsberater laden Essenspläne in die Cloud, und das Küchenteam bereitet das Essen entsprechend zu.

Fazit
Diese Technologien zeigen eindrücklich, wie stark sich der Radsport zu einer daten- und technikgetriebenen Disziplin entwickelt hat. Die Möglichkeiten des Cloud Computing finde ich persönlich faszinierend und sind im Profisport unverzichtbar geworden.
Gleichzeitig wirft diese Entwicklung Fragen auf: Der Fahrer wird zum gläsernen Athleten, überwacht und optimiert. Individuelle Taktik und Intuition treten zugunsten von Algorithmen in den Hintergrund. Der Fahrer muss vor allem starke Beine haben!
Gerade deshalb schätze ich Wettkämpfe ohne Funkkontakt zwischen Fahrer und Teamleitung, wie bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Dort zählen Gespür, Kommunikation und Rennintelligenz – das macht für mich den wahren Reiz des Radsports aus.