System-Killer Individualbesteuerung?

Die Einführung der Individualbesteuerung soll dazu führen, dass unabhängig vom Zivilstand alle Steuerpflichtigen ihre eigene Steuererklärung ausfüllen und individuell besteuert werden. Doch was bedeutet diese Änderung für die IT-Systemlandschaft? Können bestehende Systeme ohne grössere Anpassungen umgestellt werden? Wer trägt die Kosten? Welche Umsysteme sind betroffen? Welche Chancen bieten sich? 

Aktuelle Systemlandschaft
In der Schweiz legt der Bund die Art der Besteuerung fest, während die Kantone subsidiär für die Steuererhebung zuständig sind. In einem föderalistischen System haben die Kantone innerhalb des gesetzlichen Rahmens weitgehende Freiheiten, wie und wann sie die Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern erheben. 

Dies führt dazu, dass es über 20 unterschiedlich strukturierte Erhebungsprozesse gibt, die teilweise oder vollständig in IT-Systemen abgebildet werden. Hinzu kommt, dass die Kantone zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Systeme digitalisiert haben, wobei jeweils verschiedene technische Paradigmen und Anbieter zum Einsatz kamen. 

Dies hat zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Architekturen und eingesetzten Technologien geführt. Aufgrund der regulatorischen und technischen Eigenheiten der Systeme ist die Austauschbarkeit gering. Die Kantone sind daher oft stark an ihre jeweiligen IT-Dienstleister gebunden. 

Technische Anpassungen
Anhand der oben beschriebenen Systemlandschaft ist es schwierig abzuschätzen, welche technischen Anpassungen und Kosten für die Gesamtheit der Kantone entstehen. Es wäre nötig jedes einzelne kantonale System zu analysieren und die daraus entstehenden Aufwände zu aggregieren. Eindeutig ist aber, dass es unumgänglich ist, Ressourcen in die Einführung der Individualbesteuerung zu investieren.  

In diesem Risiko bietet sich gleichzeitig auch eine Chance: Eine Anpassung der Tarifpolitik kann auch zur Annäherung der kantonalen Praktiken führen. Die Kantone können die primären Schritte der Steuererhebung: Steuerdeklaration für Einkommen und Vermögen, Steuerveranlagung und Berechnung sowie die Steuereinforderung (Inkasso) analysieren und gemeinsam standardisieren.  

Ebensolche Bestrebungen verfolgen die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) sowie vereinzelte Software-Anbieter. Für die Steuerdeklaration konnten so bereits hochwertige Standardprodukte, wie Dr. Tax oder TaxMe, erarbeitet werden. Bei der Veranlagung, Berechnung und dem Inkasso hingegen ist der Individualisierungsgrad noch sehr hoch und bietet viel Optimierungspotential. Gleichzeitig ist es aber besonders die Veranlagung und das Inkasso, die besonders von der Individualbesteuerung betroffen sind. 

Einfluss auf Umsysteme
Das Steuersystem ist keinesfalls isoliert, sondern weist zahlreiche Schnittstellen zu anderen kantonalen Systemen auf, wie etwa Militärversicherung, Sozialversicherungen oder Subventionssysteme. In diesen Systemen dient der Zivilstand in Kombination mit den Steuerdaten als Grundlage für Rechtsentscheidungen und Berechnungen von Leistungen oder Subventionen. Ein alleiniger Paradigmenwechsel im Steuersystem könnte zu Widersprüchen führen, da Umsysteme weiterhin auf die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft Bezug nehmen. 

Ein Redesign der Schnittstellen ist daher systemkritisch und erfordert einen hohen Koordinationsaufwand zwischen den verschiedenen Behörden und IT-Dienstleistern. 

Fazit
Die Einführung der Individualbesteuerung wird in den Kantonen umfangreiche technische Anpassungen erforderlich machen. Die zentrale Frage wird sein, ob diese Umstellung als Chance zur interkantonalen Zusammenarbeit genutzt wird, um einheitliche Schnittstellen und Architekturen zu schaffen, oder ob der Kantönligeist weiterlebt und viele Ressourcen in Individual- statt Standardlösungen investiert werden. 

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Rahel Frischknecht

Rahel Frischknecht ist Softwareentwicklerin in einem Unternehmen das Deklarations- und Veranlagungs-Lösungen für Steuerbehörden anbietet und bloggt aus dem Unterricht des CAS Modern Software Engineering Development.

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