Unternehmensarchitektur als side kick des Projektmanagements. Gut genug?!

Mit einem Investitionsprogramm von CHF 40 Mio. wurden Altlasten und Architekturdefizite bereinigt und eine solide Grundlage für die weitere Digitalisierung geschaffen. Explizite Strukturen für Unternehmensarchitektur fehlen. Kann aus dem zwischenzeitlich bewährten und akzeptierten Projektmanagement-System heraus schnellgenug und pragmatisch ein Anstoss zur Etablierung der notwendigen Strukturen gegeben werden, um die Fehler von früher nicht zu wiederholen?

Geht es um die Behandlung von Patientinnen und Patienten, sind Professionalisierungsgrad und Qualitätssicherung in Spitälern sehr hoch. Bedeutung, Ausprägung und Reifegrad der eingesetzten Managementsysteme hingegen widerspiegeln die in den letzten Jahren gestiegenen Anforderungen an die Spitäler als Unternehmen zu wenig. Nicht ganz unberechtigt sagt man den Spitälern nach, dass sie punkto Digitalisierung ein Jahrzehnt hinterherhinken.

Am Stadtspital Zürich hat sich Projektmanagement als treibende Kraft zur Sicherstellung einer erfolgreichen Transformation etabliert. Es ist gelungen, in den vergangenen Jahren ein durchgängiges Projektmanagement-System aufzubauen und durchzusetzen. Spätestens seit der erfolgreichen Umsetzung eines 40 Mio. CHF IT- und Digitalisierungsprogramms ist die Akzeptanz für die Strukturen gegeben, was nicht selbstverständlich ist. In einer Retrospektive wurden folgende Erfolgsfaktoren identifiziert:

  • Einigkeit zum Zweck und dem Zielbild des (Projekt-)Managementsystems mit laufender Adaption an sich ändernde Gegebenheiten.
  • Definition der notwendigen Gremien und Rollen, Schaffen von klaren und durchgängigen Strukturen.
  • Verständnis, Unterstützung und Steuerung des Managementsystems auf Stufe Spitalleitung.
  • Realistische Formulierung der Stellenbeschriebe. Besetzen der Schlüsselrollen mit erfahrenem Personal.
  • Das Managementsystem auch als einen code of conduct verstehen, der auf Vertrauen und gegenseitiger Rollenakzeptanz basiert und abhängig ist von den Menschen, die ihn leben (oder eben nicht).
  • Zulassen und Einbinden von unterschiedlichen Rollen mit divergierenden Interessen.
  • Qualitätsprüfungen sind aufwändig und unbequem. Zweckmässig eingesetzt, sind sie ein entscheidender Erfolgsfaktor.
  • Kontinuität mit einem durchgängigen Rhythmus über alle Ebenen ermöglicht eine Kultur von guten und schnellen Entscheidungen, was das Vertrauen in das System stärkt.

Ein wesentliches Ziel des Digitalisierungs- und IT Programms war, die in die Jahre gekommenen Kernsysteme wie ERP, Klinikinformationssystem und Leistungserfassung zu ersetzen und über die beiden Standorte Waid und Triemli, die bis 2017 eigenständige Spitäler waren, einheitlich aufzusetzen. Darüber hinaus mussten Patienten-, Fall-, Personaldaten aber auch die zahlreichen Umsysteme vereinheitlicht bzw. abgelöst werden. Architekturentscheide wurden im Programm getroffen, jedoch ohne umfassende und nachhaltige Einordnung.

Die Rolle des Unternehmensarchitekten bzw. die Bedeutung von Unternehmensarchitektur als verbindendes Element zwischen Geschäftsprozessen und Informatik und somit als wesentlicher Erfolgsfaktor für die Weiterentwicklung der IT und Digitalisierung ist aktuell noch weitestgehend unbekannt. In der IT wurde zwischenzeitlich die Rolle des IT-Architekten geschaffen, der sich ausschliesslich auf der Ebene der Applikationen und Daten bewegt.

Pointiert formuliert diente das Programm auch dazu, mangelhafte Architekturentscheide einer Dekade zu bereinigen. Nun, nachdem die Grundlagen also geschaffen sind, die Digitalisierungsstrategie formuliert und ein Nachfolgeprogramm aufgesetzt wurde, steht das Stadtspital kurz davor die Fehler von damals zu wiederholen. Dies, weil Stand heute kein (einheitliches) Architekturverständnis besteht und keine expliziten und formalisierten Strukturen definiert, geschweige denn etabliert sind. Gleichzeitig wächst der Druck aus dem Business, endlich mit der Digitalisierung voranzuschreiten.

Weil das Projektmanagement-System als Kernstück der Transformation etabliert und akzeptiert ist, soll Unternehmensarchitektur als ergänzende Dimension dazu aufgebaut werden. Dies bietet die Chance das grundsätzliche Vertrauen in die bestehenden Strukturen zu nutzen, an den Erfahrungen aus der Etablierung des Projektmanagements anzuknüpfen und zumindest für Initiativen, welche über das Projektmanagement abgewickelt werden, durch den noch zu definierenden Architektur-Prozess zu kanalisieren.

Ein no-brainer? Erfolgsversprechend oder einfach nur naiv? Bedenken, Vorbehalte und eigene positive wie auch negative Erfahrungen sind willkommen und nehme ich gerne direkt oder auch per Mail email hidden; JavaScript is required entgegen.

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Tom Rezny

Tom Rezny ist Bereichsleiter strategisches Projekt- und Investitionsmanagement am Stadtspital Zürich und bloggt aus dem Unterricht des CAS Enterprise Architektur.

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