Agile Organisation in einem Patchworkhaushalt, ist das möglich?

Bei meiner Arbeit und in meiner Wahrnehmung in meiner Familie, sind die Begriffe Agilität, Kanban, SCRUM, SAFe sehr verbreitet und je nach Situation im Einsatz. Ich stelle mir die Frage, ob einige dieser Begriffe und Methoden als „agile Organisation“ zusammengefasst und in unserem Fünf- bis Siebenpersonenhaushalt umgesetzt, eingeführt und gelebt werden könnten. Ich habe es versucht.

Ausgangslage

In unserer Patchworkfamilie leben mehr oder weniger regelmässig sieben Personen.

  • Mutter (47), Familienmanagerin 100%
  • Vater (50), berufstätig 100%
  • Tochter (20), Studentin 100%
  • Freund der Tochter (23), berufstätig 100%
  • Sohn (18), Lernender 100%
  • Freundin des Sohnes (16), Lernende 100%
  • Sohn (15), Schüler 100%

An einem nebligen Sonntagnachmittag haben wir in unserer Familie über meinen CAS an der HSLU diskutiert. Dabei habe ich die Begriffe Agilität, Kanban, SCRUM, SAFe angeschnitten und kurz vorgestellt. Da das Interesse eher positiv war, haben wir uns entschlossen einen Versuch zu starten.

Können wir als Patchworkfamilie die anfallenden Tätigkeiten für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft über ein Board darstellen und bearbeiten.

Aufbau und Herausforderungen

Ein Board, angelehnt an KANBAN, konnte schnell erstellt und mit den Spalten versehen werden. Doch vermeintlich kleine Punkte ergaben Diskussionen und Herausforderungen.

  • Wie beschriften wir die Spalten, denn „Backlog“, „ToDo“ usw. wurden von den meisten als zu geschäftslastig betrachtet. Dies Begriffe schlagen auf die Motivation, wenn mit dem Board und den Karten gearbeitet werden soll. Somit haben wir uns auf „chönnt me mache“, „isch ztue“, „bin i dra“ und „isch gmacht“ geeinigt.
  • Eine weitere Herausforderung zeigte sich bei der Kartengestaltung und Beschriftung. Sollen Arbeiten/Tasks, wie Kochen, Abwaschmaschine ausräumen, Wäsche waschen usw., welche immer wieder anfallen, auf Karten oder nicht. Wir haben dabei entschieden, dass nur Arbeiten, welche maximal ein Mal pro Woche erledigt werden sollten, auf das Board müssen/sollen.
  • Wie und in welchem Ausmass müssen die Teilnehmenden Rücksicht nehmen, wenn sie einen Task erledigen. Wie und wann erledigen wir zum Bsp. den Staubsaugtask, wenn andere schlafen.
  • Das Pull-Verfahren, wo nicht jemand sagt, was wer zu tun hat, ist, vor allem für die jüngeren Menschen nicht ganz einfach, sie sind es sich gewohnt, dass der Lehrer, Lehrmeister, Dozent sagt, was und bis wann zu tun ist, ob man kann, will oder nicht.

Wir haben zusätzlich eine klare Kommunikation über den Familien-Chat abgemacht und eine boardverantwortliche Person (Familienmanagerin) definiert. Jeweils am Wochenende haben wir eine gemeinsame Zeit abgemacht, um über eine Woche zurückzublicken und die nächsten Tasks für die neue Woche zu besprechen.

Erlebnisse

Die Umstellung vom Hotel-Mama auf mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisation und Gesellschaftsdiensten im Haushalt hat für einige Mitwirkende unerwartete Situationen hervorgebracht. So wurde der Kühlschrank nicht gefüllt, obwohl die Mehrheit immer wieder an einem Lebensmittelladen vorbei ging. Das Bad/WC war plötzlich nicht mehr so sauber, wie gewohnt und das Entsorgungsgut für die Sammelstelle häufte sich einfach an, ohne abgetragen zu werden. Diese Gegebenheiten waren für alle Beteiligten nicht einfach, da einige die Situation bewusst aushalten mussten, um zu zeigen, dass jeder seinen Beitrag leisten soll. In den sonntäglichen Austauschgesprächen hat sich die Situation jeweils nach kurzer, zum Teil heftiger Zeit beruhigt. Das Einbinden der zum Teil extern lebenden Personen, welche am Haushaltleben ein bis fünf Tage teilnehmen, wurde zum Zankapfel, da sie den Haushalt benötigen, jedoch nur einen Teil davon sind.

Fazit

Eine agile Organisation in einer Patchworkfamilie steht und fällt mit der Bereitschaft aller Teilnehmenden. Junge Menschen haben aus meiner Sicht die Vorteile einer solchen Organisation noch nicht erkannt und erfahren. Ob dies auf die Strukturen der öffentlichen Schulen, Berufsschulen oder Maturitätsschulen zurückzuführen ist, könnte ich mir sehr gut vorstellen. Zusätzlich gibt es zu den bereits ausgefüllten Arbeits- und Schultagen keine grosse Motivation über weitere „to dos“. In unserer Patchworkfamilie ist der Versuch bereits nach 3 Wochen gescheitert. Nur die beiden Elternteile organisieren sich noch etwas anhand des Boards. Positiv sehe ich die Entwicklung, dass Einige etwas mehr mithelfen, jedoch gerne auf das Board und die Kärtchen verzichten.

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Michel Engler

Michel Engler arbeitet als eIAM-, PKI- und SecOps-Engineer bei der Luzerner Kantonalbank AG und bloggt aus dem Unterricht des «CAS DevOps Leadership and Agile Methods». Seit 22 Jahren arbeitet er im Bereich «IAM, PKI, digital Signature & SecOps» und interessiert sich neu für die Agile Methods.

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