Der Chip im Hirn: Ist Elon Musk’s Neuralink die Zukunft?

Im Januar 2024 verkündete Neuralink die erfolgreiche Implantation eines neuartigen Chips in das Gehirn eines Patienten. Laut Co-Founder Elon Musk könnte dieser Chip Gelähmten nicht nur helfen, wieder zu gehen, sondern später auch Telepathie und Verbesserungen der Hirnleistung ermöglichen. Aber was genau macht das Neuralink Brain-Chip-Interface (BCI) so besonders?
Hier findest du Antworten auf deine Fragen.
(Lesezeit: 5min)

Sind Brain-Chip-Interfaces (BCI) etwas Neues?
Bereits 1973 beschrieb Jacques Vidal wie menschliche EEG-Signale zur Steuerung von Cursor verwendet werden konnten. Die meisten Studien zur Nutzung von BCIs wurden bei Patienten mit gestörter Nervenleitung zu den Muskeln durchgeführt (bei Querschnittgelähmten oder ALS-Patienten). Es gibt viele verschiedene Ansätze zur Nutzung von BCIs, und Neuralink ist eines von vielen Projekten.

Worin unterscheidet sich Neuralink von anderen BCI?
Neuralink unterscheidet sich vor allem in drei Aspekten von anderen BCIs:

  1. Flexible Elektroden-Fäden: Im Neuralink-Chip (N1) werden extrem dünne und flexible Elektroden verwendet, die über 64 „Threads“ (Bündel) in das Gehirn implantiert werden. Diese Elektroden sollen das Hirngewebe weniger schädigen als steife Elektroden.
  2. Roboter-assistierte Implantation: Der Neuralink-Roboter (R1) kann die Elektrodenfäden präzise in das Gehirn einführen. Die Elektroden-Bündel sind zu dünn, um sie von Menschenhand platzieren zu können.
  3. Hohe Auflösung: Durch die Vielzahl der Elektroden (bis zu 1024 in einer Einheit) kann Neuralink hochauflösende Signale erfassen und so den Verlauf von Gehirnaktivität verfolgen (allerdings gibt es schon länger Multielektroden-Arrays).

Neuralink ist also keine weltbewegende Neuheit, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung bestehender Konzepte.
Eine schöne Zusammenfassung der Technologie findest du übrigens hier.

Funktioniert der Neuralink Chip wirklich?
Die PRIME-Studie, für die zurzeit Patienten mit Querschnittlähmung oder ALS rekrutiert werden, soll die Frage nach der Machbarkeit und der Sicherheit des N1-Chips und des R1-Roboters beantworten. Zudem soll die Basis-Funktionalität bewiesen werden. Der erste Patient, Noland Arbaugh, ist seit einem Tauchunfall von der Schulter abwärts gelähmt. Er berichtet von der neu gewonnenen Freiheit, im Liegen und ohne Hilfe, am Computer Schach und andere Games zu spielen. Drei Wochen nach der Implantation des Chips erreichte Noland bereits eine Geschwindigkeit und Präzision der Cursorbewegungen, die den maximalen Werten anderer implantierbarer Systeme entspricht. Das sind Werte die gesunde PC-Nutzer mit der Maus erreichen.

Hat das System auch Nachteile?
Neben der Gefahr einer ungewollten Schädigung des Gehirns, ist die Narbenbildung um die Elektroden, welche die Signalqualität beeinträchtigen kann, eine der größten Herausforderung für invasive BCIs. Auch Neuralink berichtete im Mai-Update über Elektroden die sich gelöst haben, oder, wahrscheinlicher, von Narbengewebe umwachsen wurden. Die Software von N1 konnte erfolgreich angepasst werden.
Die Details weiterer angedeuteter Probleme wurden bisher nicht mitgeteilt.

Gibt es alternative Systeme?
Es gibt mehrere ebenfalls interessante Ansätze des BCI, die eine Narbenbildung verhindern. Zu den Neuesten zählen:

  • Stentrode von Synchron (Bill Gates): Dieses System platziert Elektroden über das Gefäßsystem in die Nähe des Motorcortex. Erste Langzeiterfolge in Patienten wurden publiziert. Die Möglichkeiten der Elektroden-Platzierung sind aber begrenzt.
  • Layer 7 Cortical Interface von Precision Neuroscience: Dieses minimal-invasive System wurde von ehemaligen Mitarbeitern von Neuralink entwickelt. Hochelastische, hochauflösende Elektroden-Arrays werden durch einen dünnen Schlitz im Schädelknochen auf die Hirnhaut gelegt. So wird das Risiko einer Hirnschädigung minimiert und gleichzeitig werden präzise Signale erfasst. Erste Studien sollen Anfang 2025 folgen.
Die Elektroden können auf der Kopfhaut (nicht-invasiv: EEG (grün)), auf der Hirnhaut (minimal-invasiv: Precision (gelb)), oder wie bei Neuralink im Hirngewebe (invasiv (rot)) platziert werden. (Bildquelle: DALL-E VOS)


Wie geht es weiter mit BCI?

Wahrscheinlich der wichtigste Schritt in der Weiterentwicklung der BCI ist die Integration von Deep Neural Networks (DNN). DNN sind optimal dafür geeignet, aus dem „Spike-Gewitter“ des Hirns Muster zu erkennen, die uns verschlossen bleiben. Die Übersetzung der Signale in koordinierte Bewegungen der Extremitäten und sogar Sprache scheint damit in den nächsten Jahren erreichbar.

Fazit
Neuralink, DNN und andere Entwicklungen bringen phantastische Möglichkeiten, verletzten und erkrankten Menschen neue Lebensqualität zurückzugeben.
Die Aussicht, BCIs zur Verbesserung des IQs und des Gedächtnisses einzusetzen, wirft ethische Fragen auf. Datenschutz und Missbrauchsmöglichkeiten sind ernsthafte Bedenken, und der Einbau von invasiven BCIs in gesunde Menschen könnte aufgrund der Risiken und ethischen Hürden problematisch sein. Diese Möglichkeiten liegt aber noch in ferner Zukunft.

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Stephan Vorburger

Stephan Vorburger ist Chefarzt und Leiter Chirurgische Kliniken am Spital Emmental und bloggt aus dem Unterricht des CAS IoT and Digital Ecosystems.

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