Echtheitszertifikate für digitale Werke durch NFTs? Eine kritische Würdigung

Raphael Nikola Züger ist Director im Bereich Legal Intermediaries bei der Bank Julius Baer & Co. AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Crypto Finance & Cryptocurrencies.

Sogenannte «Non-Fungible Tokens», kurz NFTs, sind im Mainstream angekommen und erfreuen sich zurzeit grosser Beliebtheit. In meinem privaten Umfeld werden sogar Patenkindern anstatt Plüschtierchen NFTs gekauft. Getrieben wird dieses Verhalten durch die Erwartungshaltung, dass der Wert des NFTs in Zukunft steigen wird und diese Haltung wird durch globle Weltmarken (z.B. NBA, AO), Luxusmarken (s. Link) sowie durch Promis geschürt (z.B. durch Justin Bieber).

Was ist ein NFT und welches Problem soll er lösen?

Ein NFT ist ein nicht vertretbarer Token, welcher neben physischen Gegenständen unter anderem auch das „Eigentum“ an einem jpeg-Bild repräsentieren kann. NFTs sollen das Problem lösen, dass jedermann eine Kopie von einer Datei herunterladen, reproduzieren und untereinander austauschen kann. Gemäss der weitverbreiteten Meinung lassen sich digitale Schöpfungen mithilfe von NTFs nun endlich künstlich verknappen, weshalb NFTs oft als digitales «Echtheitszertifikat» der zugrundeliegenden (digitalen) Vermögenswerte bezeichnet werden.

Funktionsweise eines NFTs

Grösstenteils basieren NFTs auf dem ERC-721 Standard der Ethereum-Blockchain. Nach dem Schürfen («Minting») eines NFTs, speichert der Smart Contract die Information, dass ein NFT demjenigen gehört, welcher sich als Inhaber der hinterlegten Adresse des «Wallets» ausweist. Ein NFT stellt somit ein Echtheitheits- und Eigentumsnachweis an einem individuellen Token dar. Doch was ist eigentlich mit dem Token verknüpft?

Zurzeit sind typischerweise Dateien (z.B. pjeg-Bilder) mit NFTs verkünpft, wobei diese in der Regel off-chain auf einem Server (URL) oder einem Netzwerk (z.B. IPFS) gespeichert sind. Diesfalls ist auf der Blockchain bloss ein Link zur eigentlichen Datei sowie der Titel und die Beschreibung des digitalen Vermögenswerts hinterlegt.

Rechtliche Betrachtung eines NFTs als Echtheitszertifikat eines digitalen Werkes

Aus privatrechtlicher Sicht kann ein NFT als sogenanntes «Registerwertrecht» ausgestaltet werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Durch die rechtliche Form eines NFT als Registerwertrecht kann ein NFT sämtliche Funktionnen eines Echtheitszertifikats erfüllen (Transparenz, Legitimation und Verkehrsschutz).

Aus urheberrechtlicher Sicht stellt die Speicherung des Werks auf der Blockchain, auf einem Server oder in einem Netzwerk (z.B. IPFS) eine Vervielfältigung und ein Zugänglichmachen eines Werkes dar, welches dem Berechtigten vorbehalten ist. Eine durch einen Unberechtigten auf der Blockchain oder IPFS gespeicherte Datei könnte aufgrund der Dezentralität aber wohl kaum wieder gelöscht werden. Für die Übertragung eines NFTs sehen die ABGs der Handelsplattformen in der Regel eine Benutzungslizenz für die Dauer des Haltens des NFTs vor und sonst könnte von einer entsprechenden impliziten Lizenz ausgegangen werden. Eine Besonderheit besteht darin, dass je nach Programmierung des Smart Contracts auch Mechanismen implementiert werden können, wonach der Schöpfer eines Werkes beim Weiterverkauf auf dem Sekundärmarkt mitverdient. Ferner können auch Individualabreden getroffen werden.

Ist ein NFT ein Echtheitszertifikat eines digitalen Werkes?

Zusammenfassend haben NFTs ein mehrheitlich vom digitalen Vermögenswert losgelöstes technisches und rechtliches Schicksal, weshalb sie nur bedingt als Echtheitsrertifikate von digitalen Werken taugen. Beim Minting hat nur im Idealfall der Berechtigte den NFT geminted, und je nach konkreter Ausgestaltung des NFTs genügt der Link zwischen dem digitalen Vermögenswert und dem Token den Voraussetzungen eines Echtheitszertifikats nicht. Käufer von NFTs sind gut beraten, sich vor dem Kauf zu erkundigen, welche Rechte erworben werden und wie die Datei gespeichert ist, um im Einzelfall analysieren zu können, ob ein NFT für die Zwecke der Erwerbs tatsächlich genügt.

Weiterführende Literatur:

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