Entschleunigung: mit digitalem Gerät in analoger Natur

Beim Bad in der Natur tauchen wir achtsam und mit allen Sinnen in die Landschaft ein. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Umgebung und werden eins mit ihr. Aber werden wir mit fortschreitender Digitalisierung die Natur künftig nur noch als Virtual Reality wahrnehmen, oder können wir vom Aufeinandertreffen der digitalen- und analogen Welt profitieren?

Herbst, Winter, Smartphone und die kurzen Tage

Die Tage sind dunkel, kalt und kurz und wir würden an den Wochenenden am liebsten mit Smartphone, Avatar und virtuellen Freunden in den sozialen Netzwerken unterwegs sein. Also bevorzugen wir es, zu Hause zu bleiben, anstatt die Umgebung draussen zu erleben. Die Folge: unbewusst distanzieren wir uns auf Dauer von der Natur.

Der innere Wecker klingelt auch am Wochenende

Die heutigen digitalen Ökosysteme mit ihrer Vielzahl an neuen Technologien bieten uns die Chance, die Natur neu zu entdecken und durch die digitale Brille zu betrachten. Mussten früher Wanderkarte, Kompass, Bestimmungsbuch für Vogelarten, Lupe, Kamera und Filmrolle in den Rucksack, genügt heute das Smartphone. Eine Powerbank und installierte, digitale Helferlein nehmen wir zusätzlich mit. Apps wie Birdlife Schweiz oder Google Fotos unterstützen uns beim Erkunden von Flora und Fauna. Wir starten und machen uns mit leichtem Gepäck auf den Weg.

Vintage Ausrüstung - vor dem Zeitalter der Smartphones
Vintage Ausrüstung – vor dem Zeitalter der Smartphones (Quelle: Carsten Schmidt, 2022)
Mit digitalem Fanggerät draussen

Wir streifen durch die Umgebung, vergessen die Zeit und halten unsere Entdeckungen mit dem Smartphone digital fest. Unsere Fotos müssen nicht mehr auf einem 24er Kodak Gold Film gespeichert werden und tagelang auf die Entwicklung warten, sondern stehen uns direkt für eine digitale Analyse und Bearbeitung zur Verfügung. Unsere Entdeckungen laden wir mittels App in eine Cloud. Dort werden Fotos und Tierstimmen mit audio-visueller Analyse und Deep-Learning-Algorithmen vollautomatisch untersucht und die künstlich neuronalen Netze liefern uns in Echtzeit die Ergebnisse zurück. Auf diese Art lernen wir viel Neues über das, was wir zuvor mit den Sensoren eingefangen haben. Die Aufnahmen bearbeiten wir unmittelbar auf dem Smartphone, oder später auf dem PC, bevor wir sie mit Freunden und Familie teilen.

Zudem können wir uns direkt mit weltweit tätigen Naturforschern und Wissenschaftlerinnen über die interaktive App iNaturalist verbinden und unsere gemachten Beobachtungen und die zugehörigen Daten mit ihnen teilen. Die Forscher*innen bestätigen die Daten und unseren Beitrag an Umwelt- und Naturschutz.

Aufnahme per iNaturalist mit Naturforschern geteilt - Daten bestätigt
Aufnahme per iNaturalist mit Naturforscher*innen geteilt – Daten bestätigt (Quelle: Carsten Schmidt, 2022)
Geist und Körper – eine analoge Transformation

„Die schönen Dinge siehst du nur, wenn du langsam gehst.“ (Haemin Sunim)

Die frische kühle Luft draussen stärkt und belebt uns. Licht und Schatten, sich leicht im Wind bewegende Bäume, Vogelgezwitscher und vieles mehr wirken positiv auf uns. Wir nehmen würzige Gerüche und ätherische Öle, die Terpene, aus Pflanzen und Blättern unbewusst in uns auf. Der Aufenthalt in der Natur wirkt beruhigend auf uns und sorgt für Stressabbau. Geist und Körper sind gelassen. Wir fühlen uns entschleunigt und gestärkt für unsere anstehenden Aufgaben in der digitalen Arbeitswelt und all ihre Möglichkeiten, die sie uns bietet.

Fazit

Es ist unbestritten, dass die Digitalisierung einen Grossteil unseres Lebens verändert. Dennoch sollten wir die Digitalisierung als Chance sehen. Wir können unser Interesse an Natur und Umwelt wiederbeleben und sie unter einem anderen Blickwinkel betrachten: ihre Schönheit, ihre Vielfalt und ihre positive Wirkung auf uns. Die neuen Technologien ersetzen das aktive Erleben der Natur nicht, ergänzen dies aber auf eine Art und Weise, von der wir und unser Wohlbefinden profitieren können.

Quellen und weiterführende Links:

Waldbaden: ideal zur Entschleunigung

Vögel beobachten in der Schweiz

How computers learn to recognize objects instantly (Joseph Redmon)

Das geheime Leben der Bäume (Peter Wohlleben)

Die schönen Dinge siehst du nur, wenn du langsam gehst (Haemin Sunim)

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Carsten Schmidt

Carsten Schmidt ist Initiativenleiter bei der Bundeskanzlei und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. In seiner Freizeit taucht er achtsam mit der Kamera in die Natur ein und teilt seine Fotos mit Interessierten aus der ganzen Welt.

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