Blockchain-Anwendungen haben enormes Potential im Kampf gegen Ausbeutung und Armut. Am Beispiel Katar, wo aktuell Tausende von Arbeitsmigrantinnen und Migranten aus Bangladesch die Fussballinfrastruktur aus dem Wüstenboden stampfen, skizziert der Autor, mit welchen Herausforderungen diese Arbeiter*innen leben und welchen Beitrag Blockchain-Anwendungen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation leisten könnten.
Kontext Bangladesch
Bangladesch hat in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Erfolgsbilanz bei Wachstum und Armutsbekämpfung vorzuweisen. Die Arbeitsmigration ist hierbei eine der Triebkräfte dieser Entwicklung. Gemäss Daten des ‘Bureau of Manpower, Employment and Training’ beliefen sich 2020 die Rücküberweisungen (Remittances) der rund 7.6 Millionen Migrant*innen auf über 20 Milliarden USD.
Die Migrationskosten in Bangladesch gehören zu den höchsten der Welt, während gleichzeitig die Migrationseinkommen aufgrund eines in der Regel tiefen Qualifikationsniveaus zu den niedrigsten gehören.
Ein konkretes Beispiel
Amal, ein junger Mann in Bangladesch, sieht sich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, sein Land zu verlassen. Er wendet sich an den Mittelsmann einer Agentur in seinem Bezirk, um eine Arbeitserlaubnis und ein Visum für Katar zu erhalten. Die Agentur kauft die Visa und Arbeitsgenehmigungen von anderen Mittelsmännern von Organisationen im Aufnahmeland, die diese Dokumente wiederum von anderen Mittelsmännern bei den zuständigen Behörden gekauft haben. Die Verfahren sind in-transparent und teuer. Wie die meisten, kann auch die Familie von Amal die Kosten nicht decken und nimmt einen Kredit bei einem Geldverleiher auf. Die Kreditkosten betragen 60% pro Jahr! Während seinem Aufenthalt in Katar hat Amal weder Rechte noch Schutz. Die Abhängigkeit vom Arbeitgeber ist hoch. Für Geldüberweisungen an seine Familie in Bangladesch zahlt er hohe Gebühren. Amal braucht mehr als ein Jahr um die fast 6000 USD, die er für die Migration bezahlt hat, zu erarbeiten.
Fazit
- Die Migration in Bangladesch ist ineffizient organisiert und ein lukratives Geschäft für Vermittler ist auf Kosten der Migrant*innen entstanden.
- Menschen wie Amal sehen sich oft mit finanzieller und körperlicher Ausbeutung konfrontiert.
- Ein grosser Teil der Remittances wird zur Tilgung von Migrationsschulden und für Transaktionskosten genutzt, wodurch Beträge für Investitionen in u.a. Bildung, Gesundheit und den Aufbau unternehmerischer Tätigkeiten minimiert werden.
Wie könnten Blockchain-Anwendungen diese Situation ändern?
Eingebettet in ein bilaterales Migrationsabkommen wird ein Ökosystem auf einer Blockchain abgebildet.
Ein integrales Informationssystem ermöglicht die Identifizierung (KYC) aller Akteure. Für Migrationskandidat*innen werden zum Beispiel digitale IDs, Bildungs-/Fähigkeits- und Versicherungsnachweise, Arbeitsgenehmigungen und Visa hinterlegt. Qualifizierte und zertifizierte Akteure wie Finanzinstitute, Vermittlungsagenturen und potentielle Arbeitgeber können auf diese Daten zugreifen. Migrationskredite können dadurch wesentlich günstiger finanziert und Vermittlungsgebühren eliminiert werden. Durch eine integrierte App-Anwendung erhalten Migrant*innen und ihre Familien Zugang zu allen migrationsrelevanten Informationen, sowie finanzielle und unternehmerische Kenntnisse vermittelt. Eine implizite Token-Ökonomie zielt darauf ab, Incentives für alle Akteure zu setzen und faire Konditionen auszuloten. Eine spezielle Bedeutung kommt den Remittances zu. Nach Schätzungen der Weltbank werden im Jahr 2030 ca. 8,5 Billionen USD überwiesen. Eine Reduktion der Transaktionskosten hätte einen enormen Effekt.
Nächste Schritte
Ökosysteme gedeihen bekanntlich nicht von heute auf morgen. Sie entstehen durch kontinuierliche Einbindung von und Interaktionen zwischen Teilnehmern. Das oben skizzierte Wirkungsmodell wird aktuell im Rahmen einer CDC-Studie entwickelt und formalisiert.