«Tante Judith ist gestorben». Mit diesen vier Worten informierte mich mein Bruder kurz und knapp per Whatsapp über den Tod unserer Tante. Speziell oder normal? Für ich mich (ü50) zumindest etwas gewöhnungsbedürftig. Normal, weil dies in der digitalen Welt immer mehr zu Gewohnheit wird. Nur was passiert eigentlich mit all den Online-Zugängen, Profilen usw. also unserem digitalen Nachlass?
Die Frage stellt sich bei Tante Judith mit Jahrgang 1932 wohl eher nicht. Sobald aber ein Computer mit Internetzugang im Spiel ist, hinterlassen wir in der digitalen Welt unzählige Spuren. Was soll damit nach dem Tod geschehen? Schliesslich sprechen wir von unseren persönlichen Daten, welche wir bewusst nicht allen zugänglich gemacht, ja evtl. bewusst geheim gehalten haben.
Wie also vorgehen? Worauf müssen wir selbst, worauf die Hinterbliebenen achten?
Bei meinen Recherchen wurde ich beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (kurz EDÖB) fündig. Unter dem Titel «Digitales Erbe» finden sich u.a. folgende Hinweise:
Das Prinzip der Universalsukzession unter Art. 560 Abs. 1 ZGB sagt aus, dass eine Erbschaft als Ganzes auf die Erben übertragen wird. Sofern sich also Daten auf Geräten des Verstorbenen befinden, fallen diese unter diesen Artikel. Wie es sich mit im Internet gespeicherten Daten verhält, ist rechtlich nicht eindeutig geregelt. Da es sich nicht um Vermögenswerte im eigentlichen Sinne handelt, haben die Angehörigen hier nur begrenzte Einflussmöglichkeiten.
Es ist also Aufgabe des Erblassers vorzusorgen und mittel Aufnahme im Testament vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch zu machen. Es gelten die gleichen strengen Formvorschriften (i.d.R. handschriftliche Erstellung und öffentliche Beurkundung). Der EDÖB rät dazu, eine Aufstellung aller Online-Zugänge mit Benutzernamen und Passwort zu erstellen, das ganze auf einen Passwortgeschützten USB-Stick an einem sicheren Ort aufzubewahren. Es muss ein sogenannter digitaler Willensvollstreckender bestimmt werden, dieser muss natürlich auf den «sicheren Ort» und den USB-Stick zugreifen können.
Mein Tipp: Hier bieten Passwortmanager eine Unterstützung. Wir teilen bzw. sharen die Tresore innerhalb der Familie, so ist der Zugang auch nach einem Todesfall sichergestellt.
Haben sie gewusst, dass in der Schweiz die Persönlichkeit rechtlich mit dem Tod endet? Im Beitrag der EDÖB wird deshalb die Fragen aufgeworfen, ob die Daten Verstorbener überhaupt unter den Persönlichkeitsschutz fallen.
Kleiner Einschub: Es heisst ja nicht umsonst «Ahnenforschung», man forscht also zu Verstorbenen; und deren Angaben kann man z.B. unter https://portraitarchiv.ch einsehen. Es geht dabei um die Sammlung sogenannter «Leidbildchen» bzw. eben Portraits.
Die Angehörigen haben grundsätzlich ein Auskunftsrecht. Es gilt aber möglicherweise spezialrechtliche Regelungen wie das Arzt-, Bank- und Briefgeheimnis zu beachten.
Persönlichkeitsrechte sind also nicht vererbbar, Urheberrechte jedoch durchaus. Es geht hier um «geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter». Dies können literarische Texte, Bilder, Fotografien, Filme (inkl. Videos). Und meine Selfies aus den Ferien? Nun, diese erfüllen das Kriterium der individuellen geistigen Schöpfung eher nicht. Ausserdem treten wir allfällige Urheberrechte mit dem Akzeptieren der AGB bei Facebook und Co. meist ab.
Die meisten Onlinedienste geben Angehörigen keinen Zugriff und schalten das Profil nach einer gewissen Zeit auf inaktiv oder löschen das Konto.
Facebook und Instagram bieten rechtsgültigen Erben die Möglichkeit, das Profil des Verstorbenen in den «Gedenkzustand» zu versetzen oder zu löschen, geben aber auch keinen Zugriff.
Unter der oben erwähnten Adresse gibt der EDÖB weiter Tipps für Betroffene und Angehörige.
Weiterführende Links zum Thema
- [Miniratgeber: Digitales Erbe planen und verwalten. Stiftung für Konsumentenschutz, Oktober 2015
- So lebt man nach dem Tod nicht virtuell weiter. Beobachter, 30.10.2015
- Profile von Verstorbenen sind kaum zu löschen. Die Welt, 29.10.2015
- Sterben und Erben in der digitalen Welt. Melanie Studer et. al, in: Jusletter, 17.12.2012
- Der digitale Nachlass. Rolf H. Weber, in: Jusletter-IT, September 2015
- Der digitale Nachlass: Sterben und Erben in der digitalen Welt. Forschungsergebnisse ZHAW-Studie als e-Book erhältlich]