Technologien verändern sich in rasantem Tempo. Was heute aktuell ist, kann morgen bereits überholt sein. Gleichzeitig gibt es Fähigkeiten, die über Jahre hinweg Bestand haben. Wer Systeme versteht, verständlich kommuniziert, Qualität bewusst sichert und offen für Neues bleibt, erhöht seine Chancen, langfristig relevant zu bleiben. Entscheidend ist, früh zu erkennen, welche Kompetenzen dauerhaft tragen.
Vom sicheren Weg zur Realität des Wandels
Wie viele Familienangehörige wollten auch meine Eltern, dass ich einen sicheren Berufsweg einschlage. „Mach doch die kaufmännische Lehre, da hast du eine sichere Zukunft.“ Zum Glück wurde es dann die Elektronikerlehre. Schaltpläne zeichnen, Leiterplatten layouten und bestücken, das wollte ich mein Leben lang tun. Die Realität sah bald anders aus. Die handbestückte Elektronikproduktion in der Schweiz war teurer als die Konkurrenz. Sie wurde ins Ausland ausgelagert oder automatisiert.
Déjà-vu mit KI
2014 zeigten Werbekampagnen: „Studieren Sie an der HSR, die Zukunft reisst sich um Sie.“ Nach dem Studium und einigen Jahren Berufserfahrung zeigt sich ein anderes Bild. Schlagzeilen wechseln zwischen «KI ersetzt Programmierer» und «Programmierer bleiben unverzichtbar». Wieder steht das eigene Wissen auf dem Prüfstand. Erfindet KI bald effizientere Programmiersprachen und ersetzt unsere heutigen Werkzeuge? Welche Rollen haben wir in fünf Jahren noch?
Systeme verstehen und richtig modellieren
Es beginnt bereits bei Lasten- und Pflichtenheften: Was will der Kunde wirklich? Dafür braucht es Analysefähigkeit. Bei Projekten muss klar sein, welche Werkzeuge, Methoden und Vorgehensweisen sinnvoll sind. KI kann helfen, aber ohne Grundverständnis verliert man schnell den roten Faden.
Daher reicht es in komplexen Projekten nicht, nur Code zu schreiben oder Schaltungen zu entwerfen. UML hilft, Strukturen und Verhalten zu visualisieren. Das passende Modell für die Zielgruppe wählen: Use-Case für nicht-technische Stakeholder, Sequenzdiagramm für die App-Entwicklung. Modelle sind Mittel zum Zweck. KI kann tausende Diagramme generieren, aber wenn sie niemand versteht, sind sie wenig wert.
Kommunikation ist kein Nice-to-have
Einer der wichtigsten Aspekte bleibt Kommunikation. Zwischen Kundenwünschen, Teamdynamik und Management zu vermitteln, ist anspruchsvoll. Unterschiedlichste Erwartungshaltungen treffen aufeinander. Methoden wie Scrum und Kanban strukturieren die Zusammenarbeit.
Entscheidend ist, dass alle Beteiligten einander verstehen. Missverständnisse kosten Zeit und Qualität. Kunden erwarten, dass wir mitdenken: Nutzerverhalten früh hinterfragen, Sonder- und Fehlerfälle berücksichtigen und Unklarheiten aktiv klären.
Anpassungsfähigkeit statt Spezialisierung
Früher waren spezifische Programmiersprachen die entscheidenden Skills: Wer COBOL, Fortran, Assembler oder Visual Basic beherrschte, hatte einen Vorteil. Diese Sprachen waren Werkzeuge, die über Jahre hinweg Bestand hatten. Heute sind diese Sprachen in vielen Bereichen kaum noch bekannt. Sprachen und Frameworks wechseln schnell. Wichtig ist nicht mehr, eine bestimmte Syntax perfekt zu beherrschen, sondern die zugrundeliegenden Prinzipien zu verstehen: Wie funktioniert die Speicherverwaltung? Was macht eine gute Architektur aus? Wie strukturiere ich Code wartbar?
Bewährte Ansätze helfen dabei:
- Design Patterns: Sie beschreiben bewährte Lösungsansätze für wiederkehrende Probleme, etwa austauschbare Strategien, saubere Schnittstellen oder ereignisbasierte Kommunikation. Nicht als starre Rezepte, sondern als gemeinsame Sprache, um Architekturentscheidungen verständlich zu machen.
- Coding Guidelines & Clean Code: Lesbarkeit, Konsistenz und geringe Kopplung. Das erleichtert Übergaben und Reviews erheblich.
- DevOps & CI/CD: Kleine, integrierte Änderungen, automatisierte Builds und Tests sowie reproduzierbare Deployments. Das verkürzt Feedback-Zyklen und reduziert Risiken.
Qualität sichern: Testing und Reviews
Qualität wird im KI-Zeitalter noch wichtiger. Generierter Code muss getestet, überprüft und verstanden werden. KI-gestützte Code-Reviews können unterstützen, die Verantwortung bleibt jedoch beim Menschen. Nur wer Logik, Randfälle und Systemfolgen versteht, erkennt echte Fehler. Um Softwarequalität systematisch zu sichern, braucht es verschiedene Testmethoden, die unterschiedliche Aspekte abdecken:
- White-Box-Testing prüft Code von innen (Logik, Verzweigungen, Randfälle), Black-Box-Testing von aussen (Anforderungserfüllung).
- Das V-Modell strukturiert Tests über alle Ebenen: Komponententest, Integrationstest, Systemtest und Abnahmetest decken unterschiedliche Fehlerarten auf.
- Automatisierte Tests beschleunigen Feedback, manuelle Tests bleiben für UX und exploratives Testen wichtig. Regressionstests sichern bestehende Funktionalität bei Änderungen.
- Code Reviews ergänzen Tests: Sie finden Defekte, erhöhen Lesbarkeit und verteilen Wissen.
Fazit
Relevanz entsteht nicht durch das nächste Tool oder die neueste Sprache, sondern durch tragfähige Grundlagen. Wer Systeme versteht, Probleme sauber analysiert, verständlich kommuniziert und Qualität konsequent absichert, bleibt handlungsfähig, auch wenn sich Technologien ändern. Design Patterns, strukturierte Zusammenarbeit, sauberes Testen und kontinuierliche Integration sind keine Trends, sondern Werkzeuge, um Komplexität zu beherrschen. Wer diese Prinzipien verinnerlicht, lernt neue Technologien schneller einzuordnen und einzusetzen und bleibt damit auch im Wandel gefragt.
