Agile Transformiation oder Transformation in die Agilität

Agile Transformation vs. Transformation in die Agilität: Zwei Praxisfälle, warum „agil“ oft verpufft

Viele Organisationen „führen Agile ein“ – Sprints, Rollen, Boards, PI-Plannings. Doch ohne End-to-End-Ausrichtung über die Unternehmensgrenzen und die bestehende Governance hinaus bleibt Agilität ein Inselsystem. Zwei reale Beispiele zeigen, wo es klemmt – und wie man es besser macht.

  1. Fall 1: KMU-Softwarehaus – SAFe/Scrum intern, Werkvertrag extern

Ein Schweizer KMU rollte SAFe aus, baute Scrum-Teams auf, etablierte eine neue Kadenz. Parallel lief ein grosses Kundenprojekt – vertraglich als klassischer Werkvertrag mit Pflichtenheft, Fixpreis, Meilensteinen und formaler Abnahme.
Die interne Logik (Lernschleifen, Umpriorisierung, inkrementeller Nutzen) prallte auf die externe Logik (Fixscope, Change Requests, Abnahme „gemäss Spezifikation“). Sprint-Reviews wurden nicht als abnahmereif akzeptiert, Teilrechnungen stockten, Meilensteine rutschten. Governance kollidierte: PI-Planning vs. Steering Committee, „Definition of Done“ vs. juristische Abnahme. Ergebnis: steigender Aufwand, sinkendes Vertrauen, „Agilität“ als vermeintlicher Kostentreiber.

Lessons learned

  • Vertragsform zum Arbeitsmodell: T&M mit Cap, Target Price, inkrementelle Abnahmen, flexible Scope-Klauseln.
  • Gemeinsames Backlog & shared OKRs: Priorisierung transparent und beidseitig; Reviews als Abnahmetermine definieren.
  • Gemeinsame Kadenz: Kunde in Refinements/PI-Plannings; Definition of Done = Abnahmekriterien.
  • Lern-/Change-Budget: Erkenntnisse sind erwartbar – und müssen finanziell/juristisch vorgesehen sein.
  1. Fall 2: Kantonale Informatik – PI-Plannings übersteuern Fixtermine

Eine kantonale IT-Einheit „agilisierte sich“ mit PI-Plannings, Sprints, neuen Rollen. Ausser Acht blieb, dass in der Verwaltung unverschiebbare Meilensteine existieren (gesetzliche Go-Lives, Schuljahresstarts, Budget-/Abschlussfristen, Wahltermine). In der Praxis wurden diese Fixpunkte durch PI-Priorisierung faktisch übersteuert. Parallel wurden bestehende Boards und Governance (Lenkung, Portfolio, Architektur) entmachtet: Entscheidungen fielen im agilen Takt, Gremien erhielten Status statt Steuerung. Folge: Doppelspurigkeiten, Entscheidungsstaus, Vertrauensverlust zwischen IT, Fach und Führung.

Lessons learned

  • Duale Kadenz: Fixtermine zuerst. PI-Zyklen werden darauf ausgerichtet (Fixed-Date-Klasse im Portfolio-Kanban).
  • Gemeinsamer Meilenstein-Kalender: Behördliche Roadmap als „Source of Truth“; PI-Objectives mappen darauf.
  • Governance modernisieren, nicht umgehen: Mandate, Quoren, Eskalationen explizit an agile Artefakte koppeln (z. B. Entscheidungsvorlagen je Iteration; Architektur-Guards als Definition of Ready/Done).
  • Klare Entscheidungsmatrix: Wer entscheidet bei Zielkonflikten (Termin vs. Umfang vs. Qualität) bis wann?

Was beide Fälle verbindet

  • Agilität wurde intern gedacht. Kunde, Lieferanten und externe Taktgeber blieben draussen.
  • Kommerz & Recht (Verträge, Budgetlogik) und Governance (Boards, Mandate) wurden nicht mittransformiert.
  • Value Stream endet zu früh. Ohne End-to-End-Sicht bleibt Flow Theorie, Time-to-Value stagniert.

Praktische Mindeststandards für echte Agilität

  • End-to-End-Value-Streams inkl. Kunde & Lieferanten, Funding auf Product/Value-Stream statt Projekte.
  • Outcome-basierte Steuerung (OKRs, Time-to-Value, NPS, Flow Efficiency) statt Scope/Termintreue allein.
  • Vertrags-/Einkaufsmodelle auf Lernschleifen und Durchfluss ausrichten (Outcome- oder Flow-basierte Verträge).
  • Synchronisierte Takte: Fixtermine, Portfolio-Roadmap, PI-Planung, Abnahme-/Release-Kalender.
  • Transparente Entscheidungspfade mit klaren Eskalationsfenstern; Governance als Enabler, nicht Gatekeeper.

Schlussfazit: Agilität ist kein Team-Ritual, sondern ein Organisationsversprechen: Wert schneller finden, liefern und lernen – über den ganzen Value Stream. Wer Kunden, Lieferanten, Verträge und Governance nicht mitnimmt, führt agile Theaterstücke auf. Wer alles koppelt – Takt, Ziele, Geld und Entscheidungen – baut eine lernfähige Maschine. Nur dann wird „agil“ vom Methodenset zum Wettbewerbsvorteil.

Dieser Blog-Beitrag wurde mit Unterstützung von KI erstellt.

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Christof Scherrer ist Leiter IT der Stadt Zug und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation

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