Störungslisten – vom Schreckgespenst zur Wunderwaffe

Das Erfassen von Störungen und Fehlern auf Störungslisten hat einen schlechten Ruf. Viel Aufwand, wenig Wirkung. Das muss nicht sein! Richtig eingesetzt sind sie ein Schlüssel für kontinuierliche Verbesserung – und lohnen sich schnell. Mein Appell: Mach es richtig, oder fang gar nicht erst an. Ein schlechter Ruf ist nur schwer zu korrigieren.
Das Phänomen

Morgens im Büro:

Immer der gleiche Mist! Die Applikation stürzt wieder ab, die nötigen Infos von der anderen Abteilung fehlen wie immer, der Kunde reklamiert schon zum dritten Mal den gleichen Fehler. Diese nervigen Störungen und Fehler gehören schon zu meinem Job wie der morgendliche Kaffee. Und es wird nicht besser! Dabei wäre es doch so einfach. Würden die anderen nur ihren Job machen, für den sie teuer bezahlt werden!

So oder ähnlich tönt es in vielen Unternehmen. Aber dann…

Die Idee!

Ab jetzt schreiben wir alles auf und hauen denen die Liste um die Ohren!

Schnell hängt ein Formular mit Stift bei der Kaffeemaschine und alle notieren fleissig Störungen. Die Chefin delegiert die Auswertung einem Mitarbeiter, dieser präsentiert die Resultate beim Teammeeting. Alle fühlen sich bestätigt: Die anderen sind unser grösstes Problem!


Der Flop

Dann passiert – nichts. Die Einträge auf der Liste werden schnell weniger. Ein Jahr später hängt die Liste immer noch: vergilbt, ohne Stift. Der Stift war tatsächlich das Nützlichste an dieser Liste…


Das Potenzial

Der Ruf solcher Störungs- und Fehlerlisten ist miserabel und das zu Recht. Die Sache wird falsch angegangen und unterschätzt. Dabei ist Störungserfassung essenziell. Transparenz ist die Grundlage jedes Verbesserungsprozesses und das in der Vermeidung von Störungen liegende Einsparpotenzial ist riesig.


Das Rezept zum Erfolg

Voraussetzungen schaffen

  • Überlege vorher, wie du mit den erfassten Störungen umgehen willst
  • Die Liste muss Teil eines Business-Prozesses sein. Kein Prozess? Lass es!
  • Starte klein: Fokus auf deine wichtigste Schnittstelle (Abteilung)
  • Hol die Schnittstelle mit ins Boot: Vereinbare einen regelmässigen Austausch. Kein Austausch? Lass es!

Störungsliste

  • Erfassen muss schnell gehen: Eine einfache(!) digitale Lösung, sonst Papier und Stift
  • Nur die nötigsten Infos:
    • Referenz (Auftrag, Projekt, etc.)
    • Störungsbeschreibung
    • Verursachter Mehraufwand
    • Erfasser:in
  • Mehraufwand gleich beim Erfassen abschätzen und eintragen. Das geht nicht? Doch, das geht!

Auswertung

  • Liste nach Häufigkeit und Mehraufwand auswerten
  • Störungskategorien helfen, aber…
    • Definition der Kategorien erst wenn genügend Einträge vorhanden
    • Kategorisierung der Einträge nur durch eine Person
    • Weniger ist mehr! 4 – 6 Kategorien sind optimal
    • NEU: KI kann die Kategorisierung übernehmen
Beispiel Auswertung einer Störungsliste
Beispiel Auswertung einer Störungsliste (Quelle: Burckhardt Compression AG)

Verbesserungsprozess

  • Diskutiere die Auswertung faktenbasiert mit deiner Schnittstelle
  • Analysiert gemeinsam ausgewählte, konkrete Fälle aus der Liste
  • Wählt eine(!) Hauptstörung aus und definiert den Umgang beim nächsten Auftreten

Feedback

  • Zeige den Erfasser:innen, dass ihre Daten genutzt werden
  • Teile die Auswertungen und die definierten Aktionen
  • Feiere umgesetzte Verbesserungen mit allen Beteiligten

Nun läufts! – bis zur Stunde der Wahrheit

Schnell stellen sich Erfolge in Form von Quick-Wins ein, die dabei realisierten Einsparungen sind beachtlich. Die Mitarbeitenden freuts, die Chefs ebenfalls. Auch andere Abteilungen wollen nun plötzlich – oh Wunder – eine Störungsliste. Bald sind alle Quick-Wins umgesetzt. Sehr schön! Zeit für einen Apéro!

Nun bleiben noch die grossen Brocken übrig, die nicht innerhalb einer Abteilung gelöst werden können. Für diese braucht es schnittstellenübergreifende Verbesserungsprojekte. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen:  Haben wir die Organisation dafür? Wenn nicht, wollen wir sie aufbauen? Ist die Antwort darauf zwei Mal NEIN, heisst es konsequent sein: Hängt die Störungslisten lieber früher als später wieder ab. Man kann sie bei Bedarf rasch wieder reaktivieren. Was wir keinesfalls sehen wollen: Vergilbte Listen ohne Stifte!

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Stefan Truninger

Stefan Truninger ist Project Manager Operational Excellence bei der Burckhardt Compression AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Business Intelligence & Analytics. Störungsbehaftete Prozesse sind ein häufiges Problem und Quelle grosser Verschwendung. Stefan hat Störungslisten als wertvolles Werkzeug in der Praxis schätzen gelernt - wenn richtig angewandt.

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