Alles beginnt mit einer Idee

In einer Zeit in der KI und AI in aller Munde sind und scheinbar für fast alle Problemlösungen herhalten müssen, sind es im Spital-Alltag oft die vermeintlich banalen Dinge, die das Leben der Kolleg*innen an der Front wirklich erleichtern.

In einem Spital-Campus mit 8500 Mitarbeitern, mehreren Gebäuden, täglich hunderten Patientenbewegungen und tausende Medikamenten-Vergaben an mehr als dreissig klinische Stationen, kann so manches verloren gehen. Ein alltägliches Problem in der Pflege und Ärzteschaft ist das Auffinden von Rollstühlen, Medikamenten und medizinische Apparaturen…und wie kann die IT da helfen?

Das Innovations‑Lab des Universitätsspitals Basel

Unter der Leitung des CMIO, leitender Arzt der Inneren Medizin, tüftelt das Innovations‑Management‑Team an allem, was von mobilen Sensoren bis zu datengetriebenen Plattformen reicht. Ziel: vielversprechende Ideen schnell testen und in den klinischen Alltag schleusen.

Für die effektive Einführung von Innovationen in der Gesundheitsversorgung existieren mehrere Modelle und Frameworks. All diese Modelle folgen ähnlichen Überlegungen, wie (1) die systematische Einführung von Innovationen, um den Erfolg zu maximieren und (2) eine geplante Einführungsstrategie sollte auf vorherrschende Einflussfaktoren zugeschnitten sein, die den Innovationsprozess erleichtern oder behindern (De Veer et al., 2011). Für die vorliegenden Projekte haben wir uns für das Measurement Instrument for Determinants of Innovation (MIDI) Framework und das Technologieakzeptanzmodell (TAM) entschieden, da sie zur Forschungsfrage und Kontext passen. MIDI basiert auf einem Framework, welches ursprünglich entwickelt wurde, um Einflussfaktoren auf Innovationsprozesse im Gesundheitswesen zu analysieren. Das Framework umfasst vier Kategorien wesentlicher Einflussfaktoren: (1) die Innovation, (2) die potenziellen Anwender*innen (Pflegepersonen) der Innovation, (3) die Organisation, in der die potenziellen Anwender*innen arbeiten und (4) der sozio-politische Kontext (Dugstad et al., 2019; Fleuren et al., 2014).

Das TAM ist ein Modell zur Erfassung der Akzeptanz von Technologien. Es versucht zu analysieren, weshalb Anwender*innen eine Innovation annehmen oder ablehnen. Das Modell definiert die zwei Konstrukte (1) «perceived usefulness» respektive wahrgenommener Nutzen und (2) «perceived ease of use» respektive wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit (Davis, 1989).

Wo verstecken sich die Rollstühle?

Durch ständige Patientenverlegungen und Entlassungen wandern Rollstühle durch den gesamten Campus, von Tiefgaragen bis zu den Bettenzentralen. Oft „verstecken“ sie sich dort, wo man sie am wenigsten braucht, und plötzlich steht das Pflegepersonal ratlos vor einem leeren Flur.

Lösungsansatz

Gemeinsam mit dem Inovation Lab wurden sämtliche USB-Rollstühle Rollstühle mit Bluetooth‑ bzw. RFID‑Trackern ausgestattet. Das Ergebnis?

  • Blitzschnelles Auffinden – ein kurzer Blick aufs Dashboard, und schon weiß man, wo der nächste freie Rollstuhl steht.
  • Optimierte Auslastung – keine einsamen Rollstühle mehr in vergessenen Ecken.
  • Transparente Nutzung – Statistiken zeigen, wie lange ein Gerät unterwegs war und wo es zuletzt gesichtet wurde.

Der PoC hatte im Testbetrieb überzeugt und wurde flächendeckend ausgerollt. Wer hätte gedacht, dass ein kleiner Chip so viel Chaos beseitigen kann?

Zytostatika

Zytostatika sind potente Chemotherapeutika, die patientenspezifisch in der Spitalpharmazie hergestellt werden. Ihre begrenzte Haltbarkeit und die Notwendigkeit, sie zeitkritisch zu transportieren, machen das Tracking zu einer echten Herausforderung. Bisher musste das Pflegepersonal jede Station anrufen, um den Verbleib einer Medikamentenkiste zu eruieren – ein zeitraubendes und nerviges Unterfangen.

Lösungsansatz

Alle Zytostatikakisten wurden mit robusten Trackern versehen, die ihren Standort in Echtzeit an eine zentrale Datenbank melden. Die Vorteile auf einen Blick:

  • Wertvolle Zeit gespart – kein nerviges Telefonieren mehr, sofortige Sichtbarkeit des Kisten-Standortes.
  • Mehr Sicherheit – weniger Fehlleitungen, weniger Verluste.
  • Optimierter Workflow – Pflegekräfte können schneller reagieren und die Verabreichung pünktlich sicherstellen.

Durch die Kombination aus Standortdaten und automatisierten Benachrichtigungen läuft die Medikamentenlogistik heute deutlich effizienter und sicherer.

Patientenbewegungen – Radardetektion

Multimorbide Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für Delirium und Stürze, die in manchen Fällen eine 24h Sitzwache erfordern. Sensorbasierte Technologien wie die Radardetektion könnten hier Abhilfe schaffen (in diesem PoC wurde das System Quema eingesetzt). Sie überwachen Bewegungen, erkennen Stürze und geben Pflegekräften rechtzeitig Alarm.

Aber wie wirkt sich das auf das Pflegepersonal aus? Welche Hürden gibt es bei der Einführung? Diese Fragen wollten wir beantworten, bevor wir das System grossflächig ausrollen.

Testphase

QUMEA wurde auf einer chirurgischen Station in drei 2-Bettzimmern installiert und das Pflegeteam in der Anwendung geschult. Während dieser ersten Testphase zeigten sich diverse Herausforderungen, wie beispielsweise Verlegungen von Patient*innen in ein anderes Zimmer aufgrund zu weniger QUMEA Bettenplätze. Durch die Departements-Leitungen in Absprache mit der Entwicklerfirma wurde entschieden, die Testphase zu unterbrechen und drei weitere Zimmer mit QUMEA auszurüsten, um mehr Erfahrungen und Daten zu sammeln.

Ergebnis

Grundsätzlich bestand bei den befragten Pflegepersonen eine offene Haltung gegenüber der Weiterführung von QUMEA. Es wurde betont, dass QUMEA aktuell keine Sitzwachen ersetzen kann, aber eine mögliche Alternative zu Kognimatmatratze und Klingelmatte darstellen kann. Es wurde empfohlen, das System nicht auf weiteren Stationen auszubauen. Die zwei bestehenden Stationen sollen jedoch, unter Berücksichtigung der zuvor genannten Barrieren, erleichternden Faktoren und Voraussetzungen, weiter unterstützt werden, QUMEA in ihren Alltag zu integrieren, um Routine im Umgang mit dem System entwickeln zu können. Dazu wird eine enge Begleitung durch das Leadership empfohlen und eine fortlaufende Zusammenarbeit mit der Entwicklerfirma, um technische Herausforderungen zu lösen.

Ausbau der Netzwerk‑Infrastruktur

Alle Tracking‑Lösungen erzeugen Ereignisdaten (Standort‑Updates, Alarme). Um diesen Anforderungen zu entsprechen, haben wir das interne Netzwerk in mehreren Schritten massiv erweitert:

Maßnahme Beschreibung Ergebnis
Standort‑Analyse & Signal‑Mapping Messungen in allen Bereichen (inkl. Keller, Lager, stark frequentierte Flure) zur Identifikation von Funklöchern. Vollständige Übersicht über Schwachstellen.
Installation zusätzlicher Access Points (APs) Platzierung von hochleistungsfähigen Dual‑Band‑APs in kritischen Zonen, inkl. Verstärker für Tiefgaragen und Kellerräume. 100 % Abdeckung bis zu 30 m Tiefe, nahtloses Roaming.
BLE‑Gateway‑Erweiterung Integration von BLE‑Beacons in Patientenzimmern, OP‑Bereichen und Logistik‑Zonen. Echtzeit‑Tracking von Geräten, Patienten und Personal.

Der umfassende Ausbau unserer WLAN‑ und BLE‑Netzwerkarchitektur legt das Fundament für eine zukunftsfähige, digital vernetzte Gesundheitsversorgung. Durch die Kombination aus flächendeckender Konnektivität, hoher Redundanz und gezielter Sicherheitssegmentierung können wir nicht nur den aktuellen Bedarf decken, sondern sind gleichzeitig bestens gerüstet für kommende Erweiterungen und technologische Innovationen.

Fazit – Kleine Ideen, grosse Wirkung

Das Rollstuhl‑Tracking reduziert Engpässe beim Patiententransport, das Zytostatika-Tracking erhöht Sicherheit und Geschwindigkeit der medikamentösen Therapie. Und das Radar‑System könnte künftig Stürze verhindern, bevor sie passieren.

Die vorgestellten Use‑Cases demonstrieren eindrucksvoll, wie gezielte, Technologie‑gestützte Interventionen den Klinikalltag verbessern können. Erst wenn diese Bausteine in einer ganzheitlichen Enterprise‑Architecture‑Strategie verankert sind, lassen sich ihre Synergien vollständig ausschöpfen:

  • Interoperabilität zwischen Geräten, Anwendungen und Datenplattformen.
  • Flexibilität, um neue Sensor‑Technologien oder Analyse‑Algorithmen ohne umfangreiche Neu‑Implementierungen zu integrieren.
  • Governance, die regulatorische Vorgaben erfüllt und gleichzeitig Innovationsgeschwindigkeit ermöglicht.

Damit wird die IT‑Landschaft des Universitätsspitals Basel zu einem skalierbaren, sicheren und zukunftsfähigen Rückgrat, das nicht nur aktuelle Probleme löst, sondern die Basis für weiterführende digitale Gesundheitslösungen schafft.

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Janny Keller

Janny Keller ist Leiter ICT Projektmanagement beim Universitätsspital Basel und bloggt aus dem Unterricht des CAS Enterprise Architecture.

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