Wieso der Bitcoin als Staatswährung in El Salvador gescheitert ist

El Salvador hat im September 2021 Bitcoin als weitere offizielle Staatswährung eingeführt – und hat dies auf Druck von der Welthandelsorganisation im Dezember 2024 wieder rückgängig gemacht. War es einfach Pech? Oder ist es generell keine gute Idee, Bitcoin als Staatswährung einzuführen? Nachfolgend eine Einschätzung, wieso der weltweit erste Versuch mit Bitcoin als Staatswährung gescheitert ist.

Wieso hat El Salvador den Bitcoin als Staatswährung eingeführt?

Mit der Einführung des Bitcoins sollte unter anderem der Zugang zu Bankleistungen für alle Einwohner*innen von El Salvador ermöglicht werden. Besonders in abgelegeneren Gebieten und unter der ärmeren Bevölkerung haben viele Menschen kein Bankkonto. Mit der Lancierung des Bitcoins als Staatswährung wurde für alle die Möglichkeit geschaffen, digital Geld zu senden und zu empfangen oder auch nur etwas einzukaufen. Zudem sendet die salvadorianische Diaspora (rund 40% der Gesamtbevölkerung von El Salvador lebt alleine in den USA) regelmässig viel Geld nach El Salvador. Diese Transfers sollten vereinfacht werden.

Gründe für das Scheitern

Die Gründe sind vielschichtig aufgeführt und werden kontrovers beurteilt. Die nachfolgenden Punkte sind nach meiner Einschätzung die zentralen Faktoren für das Scheitern.

  1. Fehlende Preisstabilität

Eines der wichtigsten Merkmale einer Währung beinhaltet die Werterhaltung. Nationalbanken stellen sicher, dass sich der Geldwert eines Landes nur langsam verändert. Wie in der untenstehenden Grafik ersichtlich ist, hat sich der Bitcoin frappant von der Werterhaltung einer klassischen Währung wie dem US-Dollar unterschieden. Marktteilnehmende waren stets dem hohen Risiko der massiven Kurschwankungen des Bitcoins ausgesetzt.

Kursveränderung (indexiert) von Bitcoin und US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken (Kursdaten: finanzen.ch; Grafik: Eigene Darstellung)
  1. Nicht wirksame Anreize bei der Einführung

Zeitgleich zur Einführung des Bitcoins als offizielles Zahlungsmittel hat die Regierung eine App namens Chivo herausgegeben. Sie ermöglicht das Verwalten, Zahlen und Senden von Bitcoins. Gemäss einer Studie war die Chivo-App lediglich bei 68% der Bevölkerung bekannt, wovon 78% dieser Gruppe die App heruntergeladen haben. Obwohl in der App ein Startbonus von 30 US-Dollar in Bitcoin enthalten war, haben zur Zeit der Studie (April 2022) ca. 20% den Startbonus immer noch nicht benutzt. Die meisten anderen Benutzer*innen haben die App nach Aufbrauchen des Bonus nicht weiter verwendet.

  1. Zu geringe Nutzung im Alltag

Basierend auf Daten von der Universidad Centroamericana José Simeón Cañas (UCA) haben kurz nach Einführung rund ein Viertel der Bevölkerung den Bitcoin benutzt. Im Jahr 2022 haben rund 60% der Bevölkerung den Bitcoin nur dreimal oder weniger eingesetzt. Zudem ist die Nutzung im zweiten und dritten Jahr massiv zurückgegangen. Die Alltagstauglichkeit hat sich ganz offensichtlich mittel- bis langfristig nicht bewährt. Die zu Beginn hohe Nutzung dürfte mit dem Startguthaben in der Chivo-App von 30 US-Dollar in Bitcoin zusammenhängen sowie mit weiteren Anreizen wie z.B. Vergünstigungen beim Tanken.

  1. Fehlendes Vertrauen in staatlichen Institutionen

Dies ist der wohl wichtigste Grund und eine der Ursachen für die geringe Nutzung des Bitcoins als Zahlungsmittel. In der Befragung von Alvarez, Argente und Van Patten gaben 20% an, die Chivo-App zu kennen, sie aber dennoch nicht heruntergeladen zu haben. Der Grund war überraschenderweise nicht etwa, dass diese Personen generell skeptisch gegenüber dem Bitcoin eingestellt waren. Sondern sie hatten schlichtweg kein Vertrauen in die App oder den Bitcoin, weil diese nicht anonym waren, wie es die Benutzung von Bargeld ist. Dies erklärt auch, wieso diese Personen die App auch nicht für Dollar-Transaktionen eingesetzt haben.

Fazit

El Salvador musste die Akzeptanzplicht von Bitcoin für die Händler*innen wieder aufheben und hat damit das „Experiment“ einer Staatswährung mit Bitcoin beendet. Einige Stimmen wie der Economist sprechen von einem Versagen. Dennoch können wichtige Lehren für die Einführung eine digitale Staatswährung gezogen werden. Die gewünschte Preisstabilität könnte beispielsweise besser mit einem Stablecoin anstelle von Bitcoin erreicht werden. Zudem muss vorgängig gut abgeklärt werden, wie das Vertrauen und das Mittragen der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Erst damit sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine staatliche Kryptowährung geschaffen, welche von den Leuten im Alltag auch benutzt wird.

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Daniel Gehri

Daniel Gehri ist Business Analyst bei der Viseca Payment Services SA und bloggt aus dem Unterricht des CAS Crypto Finance & Cryptocurrencies.

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