Was eine Packung Mehl mit KI zu tun hat

Neulich hat mein einjähriger Sohn die Küche erkundet und eine halb volle Packung Mehl gefunden. Mit Mehl hatte er noch nie etwas zu tun. Er wusste nicht, ob man das essen kann, ob es scharf oder gefährlich ist. Aber das hat ihn nicht interessiert. Er hat sie einfach aufgerissen. Die Küche: eine weisse Wolke. Eine Riesensauerei. Aber auch ein Moment des Lernens. Und ich dachte: Genau das fehlt uns manchmal – der Mut, neuen Technologien wie einer Packung Mehl zu begegnen.

Seit dem Aufkommen von ChatGPT ist Künstliche Intelligenz plötzlich überall – in Medien, in Feeds, in Kaffeepausen. Man liest Artikel, hört Podcasts, sieht LinkedIn-Posts und Diskussionen in allen Kanälen. Und irgendwann kommt das Thema auch in der Organisation an. Mitarbeitende bringen es auf, Teams diskutieren – und es entsteht das Gefühl: Wir sollten uns jetzt auch damit beschäftigen.

Im Austausch mit anderen fiel mir auf: Die Herangehensweise an das Thema war fast bei allen Firmen überall dieselbe. Man kümmert sich um Datenschutzabklärungen, vergleicht Anbieter, prüft Lizenzmodelle, erstellt erste Rahmenbedingungen. Aber dabei bleibt oft die entscheidende Frage offen: Was genau soll dieses Tool bei uns eigentlich tun?

Und genau darauf haben viele noch keine echte Antwort – weil das Tool oft gar nie ausprobiert wurde. Nicht theoretisch, sondern ganz praktisch – im Arbeitsalltag. Was passiert, wenn man es einfach mal nutzt? Welche Fragen tauchen auf? Welche Aha-Momente entstehen – oder auch nicht?

Theorie allein genügt nicht

Viele diskutieren über KI, aber die wenigsten haben sie schon praktisch im eigenen Arbeitsalltag getestet. Hilft sie uns tatsächlich dabei, Zeit bei Routinearbeiten einzusparen, etwa beim Schreiben wiederkehrender Kundenanfragen oder beim Sortieren von Meeting-Notizen? Oder erzeugt sie vor allem neue Fragen und Probleme?

Der Reflex ist klar: Erst absichern. Erst regeln. Erst durchdenken. Das gibt Struktur und vermeintliche Sicherheit, führt aber oft dazu, dass man auf theoretischer Ebene hängen bleibt und praktische Erfahrungen ständig hinauszögert.

An genau dieser Stelle können praktische Experimente einen grossen Unterschied machen und uns aus dem theoretischen Stillstand holen.

Diese Unsicherheit teilen viele Unternehmen. Eine aktuelle Studie der HWZ und Swisscom zeigt: Schweizer Unternehmen erkennen zwar das Potenzial von KI, doch es fehlt häufig an Know-how und Vertrauen, um operative Anwendungen umzusetzen. Besonders mittlere Unternehmen tun sich schwer, den konkreten Nutzen zu beurteilen oder Business Cases zu entwickeln. Die Studienautoren empfehlen deshalb, mit pragmatischen Anwendungsfällen zu starten, die unmittelbaren Mehrwert bringen – anstatt auf perfekte Strategien zu warten (KI-Studie HWZ & Swisscom, 2024).

Verstehen beginnt mit Experimentieren

Zwischen dem ersten Auftauchen einer neuen Technologie und ihrer tatsächlichen Nutzung steht häufig eine unsichtbare Hürde: das Bedürfnis nach Sicherheit. Wir versuchen, jede Unsicherheit durch Planung und Vorschriften auszuschalten. Doch wenn wir ehrlich sind: Innovation lebt gerade von der Unsicherheit, von Überraschungen und spontanen Entdeckungen. Anstatt abzuwarten, könnten wir gezielt kleine Experimente wagen, um unmittelbar zu erleben, was wirklich passiert, wenn wir die neue Technologie einfach einmal ausprobieren.

Was uns fehlt, ist nicht Wissen – sondern Erfahrung. Kein Mensch hat je Fahrradfahren gelernt, nur weil er darüber gelesen hat.

Statt immer nur über KI zu reden, könnten wir sie doch einfach einmal ausprobieren. Was wäre, wenn wir morgen eine konkrete, repetitive Aufgabe damit lösen – etwa Kundenanfragen kategorisieren, Meeting-Notizen verdichten oder Vorschläge für Produkttexte generieren lassen? Was hätten wir schon zu verlieren – ausser ein wenig Zeit? Vielleicht entdecken wir dabei sogar unerwartete Potenziale. Und wenn wir unsere Erfahrungen kurz festhalten und im Team teilen, entsteht ganz nebenbei eine praxisnahe Wissensbasis, die auf echtem Tun statt auf Theorie beruht.

Vom Tun zum Verstehen

Mein Sohn hat beim Spielen mit Mehl mehr gelernt als durch jede Erklärung. Weil er es gespürt hat. Weil es durch seine Finger rieselte. Weil er sich getraut hat, ohne zu wissen, was passieren würde.

Vielleicht war es eine Sauerei. Vielleicht war es überflüssig. Vielleicht war es auch einfach genau richtig.

Am Ende war es für ihn eine wertvolle Erfahrung – und für mich blieb, zwischen Mehlstaub und Chaos, eine Erkenntnis. Und wie sich zeigte, der perfekte Aufhänger für diesen Blog.

Und du? Welches kleine Experiment könntest du morgen wagen?


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Dieser BlogBeitrag wurde mit Unterstützung von KI erstellt.

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Sezer Özkan

Sezer Özkan ist Product Owner bei GS1 Switzerland und besucht das CAS Digital Business Innovation an der HSLU. Er arbeitet an digitalen Lösungen zwischen Fachbereich und Technik. Als Vater erlebt er täglich, dass man durch Ausprobieren oft mehr lernt als durch Planen – eine Haltung, die er auch im Umgang mit neuen Technologien vertritt.

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