Digitalisierung ist kein Selbstzweck
In der Gebäudetechnik, aber auch im Privaten erleben wir doch immer wieder, dass digitale Lösungen entwickelt werden, ohne ein klares Kundenproblem zu lösen. Der „smarte“ Wasserkocher mit App-Anbindung, der zeigt, wie heiss das Wasser ist, oder der vernetzte Wasserenthärter, der Verbrauchsdaten an eine Cloud sendet. Technisch möglich? Ja. Wirtschaftlich und kundenzentriert? Fraglich.
In meinem Unternehmen, ich bin tätig in der Bauzulieferbranche, wurde kürzlich diskutiert, ein weiteres konventionelles Haushaltgerät mit Internetzugang, App-Anbindung und Fernwartung auszustatten. Die Begründung des Produktmanagers war schlicht:
Es ist ein Marktbedürfnis. Alle anderen Lieferanten bieten das auch. Die Kunden erwarten solche digitalen Lösungen und es beeinflusst den Entscheidungsprozess.
Als Leiter eines Teams für Elektronik- und Softwareentwicklung sowie Teilnehmer des CAS Digitale Transformation habe ich diese Aussage kritisch hinterfragt.
Wem nützt das? Welches Problem lösen wir damit und zu welchem Preis?
Denn selbst wenn mein technisches Herz Feuer und Flamme für eine Neuentwicklung ist und ein digitales Feature einen gewissen Nutzen hat, muss es auch wirtschaftlich tragbar sein. Folgende Kostenfaktoren spielen dabei eine Rolle:
- Entwicklung und Test der digitalen Lösung
- Laufende Kosten der Cloud-Infrastruktur
- Pflege der Software, Kompatibilität zu zukünftigen Betriebssystemen und APIs sicherstellen
- Dokumentation und Schulungen
- Durchführen von Updates, Supportanfragen beantworten
- IT-Sicherheit laufend überprüfen und Massnahmen umsetzen
All das verursacht laufende Kosten – und diese werden oft unterschätzt. In der Realität laufen Wartungsaufwände über Jahre hinweg weiter, während der Nutzen für den Kunden marginal bleibt. Eine App, die einmal im Jahr geöffnet wird, rechtfertigt keine fünfstelligen Betriebskosten pro Jahr. Und Kunden sind nicht bereit für eine digitale Lösung zu bezahlen, ohne dass sie darin einen grossen Nutzen erkennen.
Digitalisierung beginnt beim Problem, nicht bei der Technologie
Im CAS Digitale Transformation habe ich gelernt, wie wichtig eine strukturierte Problem- und Bedarfsanalyse ist. Deshalb verfolge ich in meinem Unternehmen einen kundenzentrierten Ansatz:
Wir starten mit einer Marktstudie, sprechen mit Kunden, Installateuren und unserem Serviceteam. Wir fragen gezielt:
- Welche Prozesse sind fehleranfällig oder mühsam?
- Was ist störend an der aktuellen Situation?
- Wo wird unnötig Energie verschwendet?
- Welche Informationen fehlen im Alltag?
Das Ziel der Interviews ist es, real existierende Pain Points zu identifizieren. Werden dieselben Pain Points immer wieder genannt, kann davon ausgegangen werden, dass sie ein real existierendes Problem adressieren, für deren Lösung der Kunde bereit ist etwas zu bezahlen.
Nach dem Clustern der Pain Points in Häufigkeit vs. Impact werden für die wichtigsten Pain Points Lösungsansätze entwickelt und deren Wirtschaftlichkeit geprüft – wir entwickeln ein Erlösmodell für die digitale Lösung, die auch die Betriebskosten berücksichtigen.
Fazit: Wirtschaftlichkeit ist Teil der digitalen Verantwortung
Digitale Lösungen sollten einen echten Mehrwert schaffen, für den Kunden und für das Unternehmen. Die versteckten Kosten von Wartung, Softwarepflege und Betrieb sind dabei genauso entscheidend wie die technische Umsetzbarkeit.
Digitale Transformation bedeutet nicht, alles digital zu machen, sondern gezielt, nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll zu handeln. Nur so wird Digitalisierung vom Kostentreiber zum Wettbewerbsvorteil.
Quellen:
- Titelbild: Generiert mit ChatGPT (https://openai.com/sora/)