Programmierst du noch oder «Vibest» du schon?

«Vibe Coding» ist für mich mehr als ein neues AI Buzzword – es ist ein echter Game Changer. Noch nie war es so einfach, funktionierende Anwendungen so schnell zu bauen. Aber: Wer nur konsumiert, ohne zu verstehen, verliert schnell die Kontrolle über seinen eigenen Code.

Der neue Flow in der Softwareentwicklung

Stundenlang googeln, Stack Overflow durchforsten, Referenzen durchsuchen – das war früher. Heute beschreibe ich in einem Prompt, was ich erreichen will – und eine KI schreibt den Code. Willkommen im Zeitalter des Vibe Coding.

Vibe Coding steht für einen intuitiven, kollaborativen Programmierstil mit KI-Unterstützung. Der Begriff ist noch jung. Laut t3n wurde er erstmals von Andrej Karpathy geprägt – bekannt als früheres führendes Mitglied des Autopilot-Teams von Tesla und als Mitentwickler von OpenAI. Im Februar 2025 postete er auf X sinngemäss: „Es gibt eine neue Art zu coden, die ich Vibe-Coding nenne. Man lässt sich einfach auf die Schwingungen ein […] und vergisst, dass man überhaupt Code schreibt.“
https://x.com/karpathy/status/1886192184808149383

Also: Beim Programmieren in einen echten „Flow-Zustand“ kommen – nicht trotz, sondern mit künstlicher Intelligenz. Die Anlehnung an das Wort „Vibe“ soll genau dieses Gefühl beschreiben: Man „vibed“ sich durch das Projekt.

Was genau ist Vibe Coding?

Vibe Coding ist nicht einfach „Code mit KI schreiben“. Es ist ein dialogischer Prozess:

  • Ein Problem wird in Alltagssprache beschrieben
  • Code wird durch KI generiert, ergänzt oder erklärt
  • Es wird iteriert – im Flow, wie in einem Gespräch mit dem Entwicklungsteam.

Das Ergebnis ist mehr als nur schneller Code: Es entsteht ein Gefühl von Kreativität, Effizienz und oft sogar Leichtigkeit. Es ist nicht einfach: Prompt schreiben – Code kopieren, sondern im Dialog das Projekt zusammen entwickeln. Das macht Vibe Coding aus meiner Sicht so attraktiv.

Cursor: Der Editor denkt mit

Cursor ist ein Code-Editor, der GPT-4 (und weitere Modelle in der Pro-Version) nicht nur integriert, sondern rund um die KI-Einbettung gebaut wurde. Technisch basiert er auf Visual Studio Code, fühlt sich aber ganz anders an – weil du hier nicht allein coden musst, sondern mit einer Art virtuellem Pair-Programmer arbeitest.

Was Cursor besonders macht:

  • Du kannst in natürlicher Sprache Anweisungen geben – direkt im Editor
  • Cursor hilft dir, Funktionen zu schreiben, Code zu verstehen, umzustrukturieren oder zu testen
  • Die KI erklärt dir auch fremden oder komplexen Code auf Knopfdruck
  • Statt nur Vorschläge zu liefern, reagiert Cursor kontextabhängig und interaktiv

Damit wird Entwickeln weniger zu einer Tipp-Arbeit und mehr zu einem Dialog – zwischen dir und der KI.

Weitere Tools im Vibe-Coding-Ökosystem

Ich habe mich mit Cursor auseinandergesetzt, es gibt daneben viele weitere Tools, die den Vibe-Coding-Ansatz verfolgen (eine nicht abschliessende Liste):

  • Lovable: Plattform zur Kombination von UX/UI-Design und Codegenerierung, stark bei grafischen Benutzeroberflächen
  • Replit ai: Browserbasierter Code-Editor mit integrierter Ghostwriter-KI für Vorschläge und Vervollständigungen
  • bolt: Tool zur schnellen Codegenerierung, optimiert MVP-Entwicklung
  • Windsurf: KI-gestützter Editor mit Fokus auf Kollaboration, intelligentem Autocomplete und Kontextverständnis

Meine eigene Erfahrung – ein echter Boost

Ich wollte eine einfache WebApp bauen. Früher hätte ich dafür wahrscheinlich Tage gebraucht und mit viel Recherche auf Foren und Referenzen. Mit Cursor war die App an einem Nachmittag lauffähig. Ich war erstaunt, wie schnell ich mit wenig technischem Detailwissen so weit kam.

Aber es gab auch Aha-Momente:

  • Die KI nutzte viele Libraries, die ich nicht gewählt hätte
  • Manche Lösungen waren zu komplex für das eigentliche Problem
  • Oft wäre der Standardweg einfacher und wartungsfreundlicher gewesen

Vibe Coding ist (noch) kein Freifahrtschein

Trotz aller Euphorie ist Vibe Coding kein Ersatz für:

  • Softwarearchitektur
  • Sicherheit und Datenschutz
  • Verständnis von Libraries und Abhängigkeiten

Ein Beispiel: Wenn die KI zehn Imports macht, aber drei reichen würden – wer merkt es? Wer nicht versteht, was passiert, verliert schnell den Überblick.

Vibe Coding: Chancen & Grenzen im Überblick

Vorteile:

  • Schneller Einstieg für Neulinge
  • Massive Zeitersparnis
  • Höhere Produktivität für erfahrene Entwickler:innen
  • Inspiration durch KI-Vorschläge

Risiken:

  • Verwirrende oder unnötige Library-Flut
  • Unverständlicher Code
  • Verständnisverlust über den «eigenen» Code, Fehler werden nicht erkannt, bzw. erst nach langem Suchen.

Mein Fazit

Vibe Coding ist kein Hype – es ist der Anfang einer neuen Zeit in der Softwareentwicklung. Wer heute KI-gestützt entwickelt, kann schneller Prototypen bauen, mehr ausprobieren und kreativer arbeiten. Aber es braucht Verantwortung: Wer Code produziert, sollte ihn auch verstehen.

Vibe Coding ist aus meiner Sicht ein Game Changer – aber bei dem Game sollten auch Spielerinnen und Spieler auf dem Feld sein, die mitdenken und den Überblick über das gesamte Spielfeld behalten.

 

Beitrag teilen

Roland Eschmann

Roland Eschmann arbeitet bei der Swisscom im Marketing als Scrum Master und Agile Coach. Er bloggt aus dem Unterricht des CAS Software Development with AI & NoCode.

Alle Beiträge ansehen von Roland Eschmann →

Schreibe einen Kommentar