Bild generiert mit Hilfe von KI (DALL·E/OpenAI)
Erlebt statt nur gedacht
Ich erinnere mich gut: Vor fast zehn Jahren durfte ich die technische Umsetzung eines interaktiven Werbeprojekts für Graubünden Tourismus realisieren. Eine digitale Werbefläche, die in Echtzeit auf Passanten reagierte, live angepasst wurde. Zukunft, wie wir sie heute noch diskutieren.
Was sich seither verändert hat? Nicht unbedingt die Idee. Aber die Geschwindigkeit.
KI macht einfach alles schneller. Konzepte, Prototypen, Tests, was früher Tage dauerte, geht heute in Minuten.
Stell dir vor…
Du läufst durch die Stadt und eine digitale Werbefläche erkennt deine Stimmung. Sie passt sich dem Umfeld an, reagiert auf Wetter, Tageszeit oder Passantenströme. Klingt futuristisch? Vieles davon ist längst möglich, etwa durch Programmatic DOOH, das Inhalte automatisch an Zielgruppen und Situationen ausliefert.
Doch mit den neuen Technologien von KI über Robotik bis zum Metaverse wird dieses Potenzial deutlich grösser. Und mit ihm die Frage: Wie viel Dynamik, Daten und Interaktion wollen und dürfen wir im öffentlichen Raum überhaupt zulassen?
Künstliche Intelligenz – Werbung denkt mit
KI kann Inhalte in Echtzeit anpassen und interagieren. Je nach Ort, Wetter, Tageszeit oder sogar Verhalten der Menschen in der Umgebung. Statt statischer Botschaften entstehen dynamische Erlebnisse.
Aber wie weit darf das gehen? Der öffentliche Raum ist ein besonders sensibler Bereich, nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich. In der Schweiz gelten strenge Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte. Was technisch möglich ist, darf längst nicht überall eingesetzt werden. Zwischen Relevanz und Überwachung liegt oft nur ein schmaler Grat.
Robotics & Automatisierung – Werbung in Bewegung
Was wäre, wenn Werbeflächen nicht mehr nur an der Wand hängen, sondern sich bewegen? Mit mobilen Displays oder fliegenden Robotern könnten Werbebotschaften dynamisch platziert und sogar interaktiv gestaltet werden.
Das macht neugierig, kann aber auch überfordern. Wird der öffentliche Raum dadurch kreativer? Oder einfach nur lauter?
Klar ist, jede neue Nutzung braucht Bewilligungen, Rücksicht und ein gutes Gefühl für das Zusammenspiel zwischen Technik und urbanem Alltag.
Blockchain – Vertrauen wird digital
Transparenz ist im digitalen Werbemarkt ein sensibles Thema. Blockchain-Technologien könnten helfen: Wer genau wann wo was gesehen hat, lässt sich präzise dokumentieren.
Smart Contracts könnten Buchungsprozesse automatisieren und Zwischenhändler ersetzen. Das schafft Vertrauen oder holt es dort zurück, wo Intransparenz Misstrauen erzeugt hat.
Aber die Probleme im Alltag sind oft ganz anderer Natur. Ein schwarzer Bildschirm oder eine instabile Anbindung ist mit oder ohne Blockchain ein Problem. Die Technologie hat Potenzial, aber nicht als Lösung für alles.
Metaverse & VR – Werbung in anderen Welten
Was, wenn die nächste Werbefläche gar nicht mehr in der echten Welt existiert, sondern virtuell? Im Metaverse, in digitalen Städten oder bei VR-Events könnten Marken neue Räume mitgestalten.
Aber ist das dann überhaupt noch Out-of-Home-Werbung oder einfach eine neue Form von Onlinewerbung? Für OOH-Anbieter ergeben sich Chancen, aber auch strategische Fragen. Wollen wir diese Räume mitgestalten oder ihnen zuschauen?
Update oder Revolution?
Ist das alles eine echte Revolution oder nur das nächste Update? Vielleicht beides. Die technologischen Möglichkeiten nehmen zu und mit ihnen auch der Anspruch an Dynamik und Erlebnis.
Doch je digitaler OOH wird, desto stärker rücken ökologische, rechtliche, gesellschaftliche und ethische Rahmen in den Fokus, vor allem in einem Land wie der Schweiz, wo der Schutz von Menschen, Daten und öffentlichem Raum zu Recht hoch gewichtet wird.
Fazit
Plakate bleiben, aber sie verändern sich. Sie werden intelligenter, vernetzter, immersiver. Und sie werden zum Spiegelbild dessen, wie wir Technologie verstehen und einsetzen.
Ich durfte vor fast einem Jahrzehnt an einem Projekt mitarbeiten, das vieles von dem vorweggenommen hat, was heute als „Zukunft“ gilt. Was damals fehlte, war nicht die Technik, sondern oft der Mut, sie in grösserem Stil zu denken.
Innovation kommt vom Menschen. KI beschleunigt Prozesse, aber wie wir mit dieser Geschwindigkeit umgehen, entscheidest du. Zwischen Faszination und Überforderung wird sich zeigen, wie viel Werbung der öffentliche Raum in Zukunft tragen kann, ökologisch, ethisch und gesellschaftlich.
Weiterführende Links:
📰 Entscheid mit Folgen: Drohendes Werbeverbot in Zürich (SRF)
📰 Städte ohne Werbung – Sonntagszeitung Standpunkte (SRF)
📰 Werbung nur bei schlechtem Wetter (invidis.de)