HelvetiAI statt BigTech? Eine Schweizer Antwort auf das KI-Zeitalter

Beim „Grüezi“ wird’s still – und was folgt, trägt oft ein klar US-geprägtes Weltbild. Was bedeutet der zunehmende Einsatz globaler KI-Systeme für die digitale Identität und Handlungsfähigkeit eines Landes wie der Schweiz – bekannt für Neutralität, Datenschutz und kulturelle Vielfalt?Dieser Beitrag beleuchtet, wie digitale Souveränität im Zeitalter Künstlicher Intelligenz konkret aussehen könnte – und fragt, ob ein eigenes, wertebasiertes Schweizer KI-Modell nötig ist.

Im Spannungsfeld zwischen globaler BigTech-Dominanz und der strategischen KI-Entwicklung in zentral gesteuerten Staatsmodellen stellt sich für viele europäische Länder – und insbesondere für die Schweiz – die Frage nach technologischer Souveränität.

Die Idee HelvetiAI lässt sich als digitale Neuinterpretation der historischen Reduitstrategie verstehen – jenem Verteidigungsplan, der im 2. Weltkrieg einen Rückzug ins Alpengebiet zur militärischen Verteidigung vorsah. Es ist gedacht als ein souveränes, mehrsprachiges und ethisch verankertes KI-Modell, das Schweizer Werte wie Resilienz und Vertrauensarchitektur in einer zunehmend fragmentierten Weltordnung sichtbar macht – und damit eine mögliche Leitlinie für die künftige Ausrichtung der Schweizer Digitalstrategie aufzeigt.

Konkrete Ziele von HelvetiAI:

  1. Unabhängige und lokal gesteuerte KI-Infrastruktur nutzen
  2. Sprachlich-kulturelle Vielfalt & ethische Standards berücksichtigen
  3. Hohe Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen einhalten

HelvetiAI steht für ein neues digitales Selbstverständnis der Schweiz – als Ausdruck von „Swissness“ in der KI-Ära und als Konzept, das Initiativen wie SwissGPT und kooperative Modelle strategisch verbindet.

Neutralität neu gedacht: Digitale Souveränität als Schweizer Aufgabe

Während Länder wie Frankreich oder Deutschland bereits umfassende nationale KI-Strategien verabschiedet haben, fehlt in der Schweiz bislang ein vergleichbares, einheitliches Konzept (Fischer et. al. 2021). Dennoch existieren verschiedene Initiativen, die sich mit den wirtschafts-ethischen und regulatorischen Rahmenbedingungen von Künstlicher Intelligenz befassen. Dabei rückt der Begriff Sovereign AI zunehmend in den Fokus – als strategische Antwort auf die wachsende Abhängigkeit von grossen Technologiekonzernen, insbesondere aus den USA, deren ethische und kulturelle Werte nicht weltweit geteilt werden (Shrier, 2024).

Ein Beispiel für diesen Ansatz ist SwissGPT von AlpineAI – eine Lösung für Verwaltung, Gesundheitswesen und Finanzsektor, die in zertifizierten Rechenzentren in der Schweiz betrieben wird und sowohl nationale als auch europäische Datenschutzstandards erfüllt.

Diese Entwicklung wirft eine naheliegende Frage auf: Wenn Swiss Banking und Swiss Made weltweit für Qualität, Neutralität und Sicherheit stehen – warum nicht auch ein „Swiss Label“ für KI etablieren?

Die föderale Alternative: Souveräne KI für die Schweiz

Neben dem Aufbau eigener Systeme gewinnen auch alternative Modelle wie die „Federation of GPTs“ – also ein Zusammenschluss verschiedener KI-Systeme mit gemeinsamen Standards – sowie Open-Source-basierte Ansätze an Bedeutung, da sie mehr Transparenz und wirtschaftliche Effizienz ermöglichen. Angesichts hoher Investitionsausgaben, steigender Energie- und Wasserverbräuche sowie wachsender Anforderungen an die Cybersicherheit ist jedoch eine langfristig orientierte und nachhaltige Strategie unverzichtbar (Shrier, 2024).

Fazit: Ein eigener digitaler Weg für die Schweiz

Die Schweiz hat das Potenzial, als „trusted digital nation“ Vorreiter zu sein – eine Nation, die Technologie mit Werten, Rechtsstaatlichkeit und kultureller Vielfalt verbindet und als Brückenbauerin zwischen Innovation und internationaler Normsetzung wirkt. Die Zeit ist reif, digitale Unabhängigkeit aktiv zu gestalten – und nicht nur zu verwalten.

Die Entscheidung über den digitalen Weg ist mehr als eine technische Frage. Es geht um digitale Selbstbestimmung – und um ein klares Bekenntnis zu Eigenständigkeit, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit.

 

Quellen

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Natali Nikolic-Macpherson

Natali Nikolic-Macpherson besucht das CAS Digitale Transformation an der Hochschule Luzern. Ihre langjährige Erfahrung im Bereich Digitalisierung ergänzt sie durch neues Wissen aus einer KI-Weiterbildung an der University of Essex (2025), um innovative Anwendungen gezielt zu gestalten.

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