Kryptowährungen gelten als dezentral und unabhängig – doch der Schein trügt. Grosse Akteure wie Markt-Whales oder autoritäre Staaten beeinflussen die Kurse gezielt. Der Beitrag zeigt anhand konkreter Beispiele die negativen Seiten von Bitcoin und was das für Anlegerinnen und Anleger bedeutet.
An der SFI Master Class von Prof. Olivier Scaillet (Universität Genf) zum Thema «Managing Cyber Vulnerabilities in the Financial Industry» zeigte sich eindrücklich, wie verwundbar der Kryptomarkt gegenüber grossen Akteuren ist. Seien es Markt-Whales, autoritäre Staaten oder organisierte Hackergruppen. Dieser Beitrag greift einige spannende Erkenntnisse aus dem Vortrag auf und ergänzt sie mit weiteren Recherchen.
„Whales“ sind Investoren, die grosse Mengen an Kryptowährungen halten. Ihre Transaktionen können erhebliche Auswirkungen auf den Markt haben. Durch gezielte Käufe oder Verkäufe können sie Preise manipulieren, was kleinere Investoren vor Herausforderungen stellt. Solche Aktivitäten können zu plötzlichen Preisschwankungen führen und das Vertrauen in den Markt beeinträchtigen.
Ein Beispiel ist Elon Musk: Als er 2021 in einem Tweet den Bitcoin-Kauf von Tesla ankündigte, stieg der Kurs sprunghaft an. Später verursachten seine Tweets zu Umweltbedenken massive Kursverluste. Auch grosse Wallets (digitale Brieftaschen, in denen Kryptowährungen gespeichert und verwaltet werden) mit unbekannten Besitzern bewegen regelmässig Milliarden – die Blockchain (eine dezentrale Datenbank, in der alle Transaktionen chronologisch und fälschungssicher gespeichert sind) macht solche Transfers sichtbar, aber nicht durchschaubar. Für private Anleger:innen ist das eine Herausforderung: Man kann beobachten, dass sich etwas bewegt, aber nicht, warum.
Angesichts internationaler Sanktionen hat Iran alternative Wege gesucht, um Einnahmen zu generieren. Bitcoin-Mining (Der Prozess, bei dem neue Bitcoins erzeugt und Transaktionen im Netzwerk bestätigt werden. Dafür lösen Computer komplexe Rechenaufgaben und als Belohnung erhalten sie neue Bitcoins) bietet eine Möglichkeit, Energie in digitale Vermögenswerte umzuwandeln. Allerdings führte der hohe Energieverbrauch des Minings immer wieder zu Stromausfällen und Spannungen innerhalb des Landes.
Nordkorea nutzt Cyberangriffe, um Kryptowährungen zu erbeuten und so internationale Sanktionen zu umgehen. Die berüchtigte Lazarus-Gruppe wird mit mehreren gross angelegten Hacks in Verbindung gebracht, darunter der Diebstahl von über 1,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Diese Mittel könnten zur Finanzierung des nordkoreanischen Atomprogramms verwendet werden.
In Ländern mit autoritären Regimen oder unter Sanktionen werden digitale Währungen zu einem geopolitischen Werkzeug. Die Schattenseite der Dezentralisierung ist, dass auch solche Aktivitäten kaum zu stoppen sind.
Obwohl Kryptowährungen für ihre Dezentralität und Unabhängigkeit geschätzt werden, zeigen diese Beispiele, wie mächtige Akteure den Markt beeinflussen können. Sowohl grosse Investoren als auch staatliche Akteure nutzen den Kryptomarkt für eigene Zwecke, was die Notwendigkeit von Regulierung und Transparenz unterstreicht.
Was heisst das für uns als Anleger:innen oder Berufstätige im Finanzbereich? Wachsamkeit ist gefragt. Die Blockchain ist transparent, aber schwer zu interpretieren. Ich persönlich achte mittlerweile stärker auf ungewöhnliche Transaktionsmuster und frage mich bei Kurssprüngen: Wer könnte dahinterstehen? Der Vortrag von Prof. Scaillet hat mir bewusst gemacht, wie eng Finanzmärkte, Technologie und globale Machtpolitik heute verwoben sind. Der Krypto-Sektor ist faszinierend, aber alles andere als naiv.
Für mich war der Vortrag sehr bereichernd. Ich hatte Kryptowährungen bisher vor allem als technologische Innovation gesehen. Jetzt erkenne ich auch die geopolitischen und gesellschaftlichen Spannungen dahinter. Es ist sehr wichtig, nicht nur auf die Technik zu schauen, sondern auch auf die Kräfte, die sie nutzen oder missbrauchen.