Stellen Sie sich vor, Sie haben akute Rückenschmerzen und möchten die Symptome durch ärztliches Fachpersonal abklären lassen. Würden Sie diese Abklärungen in die Hände von KI geben? Die wenigsten von uns würden wohl diesen Weg wählen. Aber wieso eigentlich nicht? Welche Angebote für medizinische KI-Beratungen gibt es und wie gut funktionieren diese? Was sagen Experten/Expertinnen zu dieser Beratungsart? Erfahren Sie auch hier, wie es mir bei einem Selbsttest mit der KI-Beratung ergangen ist.
Wer kennt ihn nicht. Terminator, der Kult-Klassiker aus dem Jahr 1984. Der Film erzählt die Geschichte von intelligenten Maschinen, die im Jahre 2029 die Weltherrschaft an sich reissen und die Menschheit ausrotten wollen. Arnold Schwarzenegger verkörpert in diesem Science-Fiction-Film einen Cyborg (Terminator), der in die Vergangenheit reist, um die Geburt des Widerstands-Anführers John Connor zu verhindern. Künstliche Intelligenz, die sich selbstständig macht, galt 1984 als totaler Humbug. Doch wie sieht das heute aus?
Im Gesundheitswesen hat der Einsatz von künstlicher Intelligenz schon heute ein breites Einsatzgebiet gefunden. Gemäss der Studie «Künstliche Intelligenz (KI) im Schweizer Gesundheitswesen», die von der Universität Bern im Auftrag vom Bundesamt für Gesundheit BAG erstellt wurde, können diese Anwendungen wie folgt kategorisiert werden:
Gerade bei Bildanalysen erkennt die KI Muster, die z.B. auf mögliche Tumore hinweisen. Solche Muster sind von blossem Auge nicht oder nur mit viel Erfahrung erkennbar. Bei der Fernüberwachung von Herzschrittmachern werden z.B. nicht nur technische Messwerte erhoben, sondern auch Werte der Patienten durch die KI analysiert. So kann eingeschritten werden, bevor es zu Notfällen oder Komplikationen kommt.
Die meisten dieser Einsatzgebiete beziehen sich auf Anwendungen durch das medizinische Personal. Für die direkte Benutzung durch die Patienten werden digitale Lösungen wie Live-Chats mit Ärzten und Ärztinnen oder medizinische Erstberatungen mittels KI angeboten.
Selbsttest
Doch was taugen die KI-Modelle für eine medizinische Erstberatung? Ich will das herausfinden und habe mir ein paar Beratungs-Apps/-Plattformen ausgesucht und ausprobiert. Für diesen Selbstversuch verwende ich die Diagnose «akute Rückenschmerzen». Wer kennt das nicht? Schnell eine Kiste Bier gehoben und schon spürt man wie sich der Schmerz durch Mark und Bein zieht.
Meine Suche nach frei verfügbarer medizinischer KI-Erstberatung gestaltet sich gar nicht so einfach. So ist es bei Krankenversicherern üblich, dass man Mitglied sein muss, um eine Beratung beanspruchen zu können. Es gibt wenige Ausnahmen, die frei verfügbar sind. Dabei kann bereits der Einstieg in die KI-Beratung zur Herausforderung werden. Nicht immer ist klar, wie die Beratung gestartet werden kann oder es sind mühsame Registrierungen notwendig. Zum Glück gibt es aber auch positive Beispiele. Bei der CONCORDIA Krankenversicherungen AG gibt es für einen erleichterten Einstieg in die KI-Beratung «Gesundheitskompass» entsprechende Erklärvideos und Beschreibungen.
Die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Apps beinhalten aber in der Regel keine KI-Beratung. Oft ist es möglich die Anliegen per Live-Chat zu platzieren. Ob da tatsächlich ein Mensch oder doch ein KI-Algorithmus dahintersteckt, ist natürlich nicht immer klar.
In all meinen Versuchen erhielt ich schlussendlich Hinweise zu möglichen Ursachen. Zudem wurden auch jeweils «Hausmittel» wie ein warmes Bad oder eine kalte Kompresse bei Schwellungen empfohlen. Schlussendlich wurde ich in jedem Fall aufgefordert, so bald wie möglich ärztliches Personal zu konsultieren. Irgendwie habe ich von einer KI gesteuerten medizinischen Erstberatung mehr erwartet.
Die Meinung der Experten
Im Blog «KI unterstützt uns im Alltag, entscheidet aber nie» von Prof. Dr. med. Krassen Nedeltchev, Kantonsspital Aarau, äussert er sich zum Einsatz von KI wie folgt:
Der medizinische Bereich ist weltweit stark reguliert. Und KI agiert immer nur unterstützend. Sie ersetzt keine Ärztin und keinen Arzt. Sie macht lediglich deren Aufgaben effizienter und präziser.
Wieso erhalte ich keine spezifischeren Empfehlungen? Und wieso gibt es kein grösseres Angebot an «frei zugänglicher» KI Gesundheitsberatungen?
Diese Fragen können mit der (noch) fehlenden gesetzlichen Grundlage beantwortet werden. Der FMH-Berufsverband erwähnt diesen Aspekt in dem Bericht «Künstliche Intelligenz im ärztlichen Alltag»:
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regulatorien für den Einsatz von KI sind erst im Entstehen.
Dabei gibt es gravierende regionale Unterschiede. Die EU hat im April 2021 einen Vorschlag für die Festlegung harmonisierter Vorschriften für KI (AI Act) in die Vernehmlassung gegeben. Die EU klassifiziert KI-Systeme nach ihrem Risiko (unannehmbares, hohes, geringes, minimales Risiko) und definiert je nach Risikogruppe unterschiedliche Anforderungen.
In den USA sind viele Regelungen noch in der Entstehung und ihre Durchsetzung variiert je nach Region und Branche. In China gibt es strikte Vorschriften, die oft mit der politischen Kontrolle und der Überwachung durch den Staat verbunden sind.
Obwohl KI im Gesundheitswesen schon stark verankert ist und einen erheblichen Mehrwert bringt, stecken wir beim Thema «medizinische Erstberatung» noch in den Kinderschuhen. Der Gang zum ärztlichen Personal bzw. eine direkte Kontaktaufnahme auch via Chat oder Telefon ist zum heutigen Zeitpunkt immer noch der sicherste und effektivste Weg für eine medizinische Beratung. Aber probieren Sie es doch selbst einmal aus. Wie gut hilft Ihnen die KI-Beratung weiter?
Fazit
Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Ich bin mir sicher: Sobald die rechtlichen Grundlagen geklärt und definiert sind, werden die medizinischen KI-Beratungen einen Aufschwung erleben.
Nichts ist unmöglich. Oder hätten Sie gedacht, dass Arnold Schwarzenegger mit 68 Jahren nochmals in die Rolle des Terminators schlüpfen würde?