Agilität im Bankvertrieb: Mit selbstorganisierten Teams zum Erfolg

Agile Prinzipien sind längst nicht mehr nur ein Thema der IT. Auch im Bankvertrieb ermöglichen sie bessere Ergebnisse und eine höhere Mitarbeitenden- und Kundenzufriedenheit. Doch wie geht das konkret?

Die alte Welt des Bankvertriebs – ein Modell von gestern

In der traditionellen Vertriebswelt lief vieles nach festen Regeln und klaren Hierarchien:

  • Silos: Abteilungen arbeiteten nebeneinander in homogenen Teams, vergleichbar mit Rudermannschaften: Eine Person gab den Takt an und die Teammitglieder hatten alle die gleiche Aufgabe und Ausprägung. Sie waren beispielsweise alle Anlageberater*in oder Kreditberater*in. Entsprechend lagen auch ihre Interessen und Zielsetzungen eindimensional. Eine echte ganzheitliche Sicht auf den Kunden fehlte dadurch oftmals.
  • Top-down-Ansätze: Entscheidungen wurden von oben getroffen und nach unten weitergegeben, ohne die Expertise der Mitarbeitenden vor Ort einzubeziehen. Auch Ziele wurden von oben bis auf die einzelnen Mitarbeitenden heruntergebrochen. Den Mitarbeitenden wurde vorgegeben, was zu tun war.

Auch bei der Incentivierung – also der Motivation der Mitarbeitenden durch Anreize – spiegelte sich diese alte Welt wider:

  • Einzelziele im Fokus: Belohnt wurden oft nur individuelle Abschlüsse oder Zielerreichungen, zum Beispiel abgeschlossene Hypotheken oder Anlagefonds.
  • Wettbewerb statt Zusammenarbeit: Die Anreizsysteme förderten Konkurrenzdenken, was den Austausch zwischen Mitarbeitenden hemmte.

Das mag früher funktioniert haben, als Mitarbeitende und Kunden weniger anspruchsvoll waren. Doch die Welt hat sich verändert.

 

Wie agile Methoden den Vertrieb dynamisieren

In meinem Verantwortungsbereich als Vertriebsleiter einer grösseren Kantonalbank haben wir den Vertrieb hin zu agilen Verkaufsteams transformiert – mit durchschlagendem Erfolg. Was haben wir konkret gemacht:

  • Crossfunktionale Teams:  Auflösung der «Monokulturen». Jedes Team verfügt über verschiedene Spezialist*innen und Disziplinen, die sich gegenseitig ergänzen und somit eine ganzheitliche Perspektive ins Team einbringen. Die Teams ähneln heute einer heterogenen Fußballmannschaft, in der verschiedene Rollen vertreten sind.
  • Selbstorganisierte Teams: Den Teams wird nur noch das grosse Zielbild und der Sinn vermittelt. Sie erstellen selbst ihren Team Canvas und definieren eigenständig ihre Zielsetzungen. Auch planen sie selbständig ihre Sprints. Im agilen Kontext spielen Reviews und Retrospektiven (Retros) eine zentrale Rolle, um kontinuierliche Verbesserung und die Qualität der Arbeit sicherzustellen.
  • Team im Zentrum: Es gelten nur noch Teamziele. Jede und jeder ist gefordert, den eigenen Beitrag zum Erreichen der Teamziele zu leisten. Die Mitarbeitenden unterstützen sich dabei gegenseitig. Bezüglich Leistung der einzelnen Teams besteht bankweit volle Transparenz. Individuelle Boni wurden abgeschafft; an deren Stelle tritt eine allgemeine Beteiligung am Unternehmenserfolg, wobei alle Mitarbeitenden auf derselben Funktionsstufe die gleiche Erfolgsbeteiligung erhalten.

 

Vier Jahre nach erfolgter agiler Ausrichtung des Vertriebs kann festgehalten werden:

  • Die Kundenzufriedenheit ist gestiegen. Dies lässt sich an einem verbesserten NPS-Wert sowie an einer deutlich reduzierten Anzahl Kundenreklamationen messen.
  • Die KPIs im Vertrieb konnten signifikant gesteigert werden. Es hat sich bestätigt: Kundenberatende brauchen keine detaillierten von oben vorgegebenen Zielsetzungen, um erfolgreich zu sein.
  • Arbeitgeberattraktivität: Die agile Arbeitsweise, die auf Vertrauen und grossem Handlungsspielraum basiert, zieht potenzielle neue Mitarbeitende von Mitbewerbern an.
  • Gegenseitiges Lernen: Die crossfunktional zusammengesetzten Teams helfen, das Know-how gegenseitig breiter zu verankern und die Kundenberatenden aus einem T-förmigen Kompetenzprofil (tiefgreifende Fachkenntnisse in einem Bereich) in ein M-förmiges Kompetenzprofil (tiefgreifende Fachkenntnisse in mehreren Bereichen) zu führen.

 

Tipps für den Einstieg

  1. Führen Sie die agile Methode in einem bereits leistungsstarken Team ein und nutzen Sie das Team anschliessend als Botschafter.
  2. Ziehen Sie professionelle agile Coaches für den Transformationsprozess bei und bringen Sie dadurch den Schneeball ins Rollen.
  3. Haben Sie als Führungsperson den Mut, loszulassen und Verantwortung abzugeben. Schenken Sie stattdessen Vertrauen. Man wird es Ihnen zurückzahlen.

 

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Marcel Oertle

Marcel Oertle ist Leiter des Departements Privat- und Geschäftskunden und Mitglied der Geschäftsleitung / Stv. CEO bei der Berner Kantonalbank AG (BEKB | BCBE) und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation.

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