Im letzten Jahr wurden in der Schweiz mehr als 80 Millionen Tiere geschlachtet. Während die Tierschutzüberwachung derzeit stichprobenartig erfolgt, könnten neue Technologien wie Kameras, Sensoren und künstliche Intelligenz (KI) die Effizienz und Genauigkeit dieser Kontrollen erheblich steigern. Diese kontinuierliche Überwachung könnte sowohl das Wohl der Tiere noch umfassender sichern, als auch dem Fachkräftemangel im Schlachthofbereich entgegenwirken.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Im Jahr 2023 wurden in der Schweiz über 80 Millionen Tiere geschlachtet – genau genommen 83’131’213. Das entspricht 227’757 Tieren pro Tag, wobei 95% davon Geflügel waren. Harter Tobak? Ohne Frage! Aber wie kann bei solchen Zahlen der Tierschutz sichergestellt werden? Aktuell erfolgt die Überwachung des Tierschutzes stichprobenartig. Doch Kameras, Sensoren und der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) könnten diese Kontrollen zusätzlich unterstützen und eine kontinuierliche und damit umfassendere Überwachung ermöglichen.
Stichprobenartige Überwachung des Tierschutzes (Status quo):
Schlachtbetriebe sind verpflichtet, den Tierschutz durch Selbstkontrollen sicherzustellen. Zusätzlich prüft der Schweizerische Tierschutz regelmäßig die Einhaltung der Standards.
Die stichprobenartigen Kontrollen vor Ort werden von amtlichen Tierärztinnen und Tierärzten durchgeführt und sind gesetzlich vorgeschrieben. Dabei kontrollieren sie Transport, Anlieferung, Abladen, Betäubung und Entblutung der Tiere. Speziell achten sie dabei auf:
- normales Gangbild
- Verschmutzungsgrad
- Verletzungen
- Einhaltung der Betäubungsvorgaben
- fachgerechte Entblutung
Dies hat zur Folge, dass der Schlachtprozess nur in begrenzten Zeiträumen während des Tages überwacht wird, was dazu führen kann, dass Missstände unentdeckt bleiben. Zudem verhalten sich die Mitarbeitenden oft bedachter, wenn ein Tierarzt oder eine Tierärztin anwesend ist – ähnlich wie damals, als wir uns in der Schule besonders anstrengten, wenn unsere Eltern am Schulbesuchstag im Klassenzimmer saßen. Dies kann jedoch zu verzerrten Statistiken führen, die ein unvollständiges Bild des tatsächlichen Zustands vermitteln und gleichzeitig den Raum für fundierte Mitarbeiterschulungen und kontinuierliche Verbesserungen einschränken.
Kontinuierliche Überwachung des Tierschutzes (Status novus):
Kameras und Sensoren mit integrierter KI ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung der einzelnen Tiere. Die KI erkennt sowohl Tiere als auch Menschen und deren Interaktionen miteinander und alarmiert bei Ungereimtheiten und Verstössen sofort den Tierarzt/die Tierärztin via Smartphone.
Was nun folgt ist eine Überprüfung, ob die KI den Missstand korrekt erkannt hat. Gerade zu Beginn benötigt die KI viel Unterstützung, um Situationen richtig einordnen zu können. In diesem digitalen Lernprozess nimmt die Anzahl der falschen Positivmeldungen stetig ab, während die Effizienz und Genauigkeit konstant steigen. Der digitale Lernprozess ist langwierig, aber essenziell.
Sensoren: Sensoren, die das Stresshormon Cortisol ‘riechen’, oder solche, die das Quietschen von Schweinen ‚hören‘, ebenso wie Wärmesensoren oder elektronische Ohrmarken zur Tieridentifikation. Solche Technologien stecken in den Kinderschuhen oder existieren bereits. Sie könnten den Tierschutz langfristig mess- und bewertbar machen.
Kameras: Kameras erfassen und identifizieren Tiere eindeutig. Mit einer trainierten KI können Verletzungen, Verschmutzungen, Gewichtsanomalien und Gangabweichungen erkannt werden. Zudem überwacht die KI den Umgang des Menschen mit den Tieren und detektiert nicht-fachgerechtes oder tierschutzwidriges Verhalten. Der Einsatz von Kameras minimiert den direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier, wodurch der Stress für die Tiere reduziert wird.
Das Thema mit dem Datenschutz:
Die permanente Überwachung von Mitarbeitern und der Missbrauch von Kamerabildern erfordern Datenschutzmassnahmen wie beispielsweise das Verpixeln von Gesichtern und Logos. Um Transparenz zu gewährleisten, sollten überwachte Bereiche deutlich beschildert sein, sodass klar ist, wo Kameras eingesetzt werden. Auch muss darüber gesprochen werden, wo die Daten gespeichert werden. Sind Cloud-Lösungen sicher genug?
Fazit:
Der Einsatz von KI zur Auswertung von Kamerabildern und Sensordaten in Schlachthöfen ist ein innovativer Ansatz, den Tierschutz nicht nur stichprobenweise, sondern kontinuierlich zu überwachen und damit das Wohl der Tiere noch stärker in den Fokus zu rücken. Es ist wichtig zu verstehen, dass die KI den Menschen nicht ersetzt, sondern als wertvolles unterstützendes Werkzeug dient, das zudem Arbeitsprozesse optimieren kann.
Weiterführende Links zum Thema
- Forschungsprojekt ai4animals: https://www.aiforanimals.org
- Forschungsprojekt aWISH: https://www.awish-project.eu
- Dienstleistungsfirma aus den Niederlanden: https://argus.cv
- Gesetzesgrundlage Verordnung über den Tierschutz beim Schlachten https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2021/694/de
- Jahresreport der Proviande 2023: https://www.proviande.ch/report2023
- Videoerklärung ADAL (automatic detection of abbatoir lesions) Automated meat inspection: https://www.youtube.com/watch/ADAL