Mit dem Start meines neuen Jobs hatte ich die Gelegenheit, in die SAFe (Scaled Agile Framework)-Welt einzutauchen. Eine spannende Herausforderung, denn meine neue Organisation lebt seit etwa vier Jahren in einer hybriden Welt, in der SAFe und klassische Ansätze koexistieren. Das hat bei mir verschiedene Fragen aufgeworfen: Was bedeutet es, agil zu sein im Gegensatz dazu, agil zu arbeiten? Und welche Hürden gilt es in dieser hybriden Welt zu bewältigen?
„Doing agil“ vs. „Being agil“
„Doing agil“ bedeutet, agile Methoden und Frameworks wie SAFe, Scrum oder Kanban (Aufzählung nicht abschliessend) anzuwenden. Man folgt klar definierten Prozessen: Iterationen, Backlog Refinements, Reviews, Retrospektiven und vielem mehr. Alles ist strukturiert, transparent, zielorientiert und kundenzentriert. Es gilt allem voran «Wert zu schaffen».
„Being agil“ hingegen ist eine Frage der Haltung und Kultur. Es erfordert Offenheit, Lernbereitschaft, Mut und ein tiefes Vertrauen in Selbstorganisation. Es bedeutet, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren, Verantwortung zu übernehmen und kundenorientiert zu denken – auch dann, wenn keine klare Anleitung vorliegt.
Die Herausforderung: Während „Doing agil“ durch Prozesse unterstützt wird, erfordert „Being agil“ kontinuierliche Reflexion und Anpassung – ein oft unterschätzter, aber entscheidender Schritt welchem meist zu wenig Ressourcen zugeteilt ist.
Eines der faszinierendsten Elemente der agilen Welt ist die Selbstorganisation. Teams sind eigenverantwortlich und entscheiden selbst, wie sie ihre Ziele erreichen. Das klingt ideal, bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, insbesondere in einer hybriden Organisation.
Was ich an der Selbstorganisation schätze:
- Teams sind näher am Problem und finden oft effizientere Lösungen.
- Grundsätzlich können Entscheidungen direkt im Team getroffen werden, ohne lange Abstimmungswege (dies ist bei einer kantonalen Verwaltung nur bedingt so).
- Wenn man selbst mitgestaltet, steigt das Gefühl der Eigenverantwortung und Zufriedenheit.
Die Hürden der Selbstorganisation:
- Besonders in der hybriden Welt verschwimmen die Grenzen zwischen klassischer Hierarchie und agiler Teamstruktur.
- Klassische Projekte planen oft langfristig und starr, während agile Teams ihre Kapazitäten iterativ anpassen. Diese Diskrepanz führt zu Planungsunsicherheiten.
- SAFe-Teams, die in kurzen Iterationen arbeiten, können mit klassischen Projekten, die auf Meilensteine fokussiert sind, schwer synchronisiert werden.
Der Umgang mit Planungsunsicherheiten in der hybriden Welt
Die Koexistenz von SAFe und klassischen Ansätzen macht die Kapazitätsplanung zu einer komplexen Aufgabe. Die unterschiedlichen Planungsansätze – iterativ und flexibel versus langfristig und detailliert – erschweren es, Ressourcen effizient zuzuweisen. Einige Erkenntnisse, die mir geholfen haben:
- Transparenz schaffen: Regelmässige Kommunikation zwischen agilen und klassischen Teams hilft, Abhängigkeiten frühzeitig zu erkennen.
- Puffer einplanen: In hybriden Organisationen ist es wichtig, Pufferzeiten einzuplanen, um unvorhergesehene Verzögerungen zu kompensieren.
- Fokus auf Prioritäten: In der agilen Welt lernt man schnell, dass nicht alles gleichzeitig umgesetzt werden kann. Priorisierung ist der Schlüssel.
- Lernen aus Retrospektiven: Nicht nur agile Teams, sondern auch klassische Projekte können von regelmässigen Reflexionen profitieren. Gemeinsame Retrospektiven fördern den Austausch zwischen den Welten.
Mein Fazit als Newbie
Die grösste Herausforderung für mich ist der Wandel von einer klassischen Denkweise hin zu einer agilen Haltung. SAFe gibt klare Strukturen vor, doch „Being agil“ verlangt, die Komfortzone zu verlassen. Es ist ein Balanceakt zwischen Planbarkeit und Flexibilität, zwischen Struktur und Kreativität. Ein entscheidender Faktor ist die Zusammenarbeit: Wenn Menschen mit unterschiedlichen Arbeitsweisen und Denkmodellen aufeinandertreffen, sind Konflikte unvermeidlich. Doch genau diese Vielfalt eröffnet auch neue Perspektiven und stärkt die Innovationskraft, sofern man diese zulässt und daraus lernt.