Was in vielen Branchen bereits etabliert ist, hält nun auch in der Spitex Einzug. Die Kund*innen der Spitex Bern haben neu die Möglichkeit über die App OXOA digital auf die geplanten Pflegeeinsätze zuzugreifen. Die digitalisierte Welt soll das Pflegepersonal nebst dem Pflegenotstand unterstützen und nicht herausfordern. Meine persönliche Erfahrung an der Schnittstelle zwischen Pflege und Digitalisierung fällt jedoch anders aus.
Die Organisation und Planung der Spitex läuft über die Planungssoftware Perigon, aus der ausgewählte Informationen in die für die Kund*innen kostenlose App OXOA übertragen werden. Mit dieser App sollen die Kund*innen frühzeitig über anstehende Termine und Pflegebehandlungen informiert werden. Darüber hinaus können sie mit OXOA Einsätze verschieben oder annullieren sowie spezielle Wünsche und Besonderheiten der Spitex schnell und direkt mitteilen. Ziel ist es, die mündliche Kommunikation zwischen den Kund*innen und dem Spitex-Kundendienst zu reduzieren und so die Arbeitseffizienz zu steigern.
Trotz der positiven Aspekte gibt es auch Herausforderungen, die mit der Nutzung von OXOA verbunden sind:
- Zugangsvoraussetzungen und digitale Kenntnisse: Um OXOA nutzen zu können, benötigen die Kund*innen nicht nur einen Internetzugang und ein digitales Endgerät wie ein Smartphone oder einen PC, sondern auch grundlegende digitale Kenntnisse. Für ältere und/oder beeinträchtigte Menschen oder Personen, die weniger digital versiert sind, kann dies eine erhebliche Hürde darstellen. Die App ist nur dann wirklich nützlich, wenn die Nutzer in der Lage sind, sie zu bedienen und ihre Funktionen zu verstehen.
- Einschränkungen bei der Bearbeitung von Kundenwünschen: Die in OXOA vorgenommenen Einsatzwünsche, Annullierungen oder Sonderanfragen werden derzeit nur während den Bürozeiten bearbeitet. Dies bedeutet, dass kurzfristige Anpassungen der Kund*innen, wie beispielsweise die spontane Absage eines Pflegeeinsatzes am Vorabend, nicht sofort berücksichtigt werden können. Die Verzögerung kann bei den Kund*innen Frustration und Ärger auslösen.
- Fehlend Benachrichtigung bei kurzfristigen Änderungen: Wenn Einsätze von der Spitex-Einsatzleitung spontan verschoben oder geändert werden, erhalten die Kund*innen diese Änderungen nicht automatisch per Push-Nachricht in der App. Diese fehlende Echtzeit-Kommunikation kann zu Missverständnissen oder Unsicherheiten führen.
- Unklarheit bei Anfragen: Beim Bedarfsabklärungsgespräch wird den Kund*innen OXOA vorgestellt, wobei ihnen auch ein Flyer mit allen relevanten Informationen und den Kontaktdaten der Supportstelle überreicht wird. Trotz dieser Informationen wenden sich viele Kund*innen oder deren Angehörige bei Fragen zur Nutzung der App an die Basismitarbeitenden der Spitex. Dies führt zu einer zusätzlichen Belastung der Basismitarbeitenden, da diese Fragen einerseits vielfach nicht beantwortet werden können, ohne den Kundendienst oder technischen Support hinzuzuziehen. Andererseits fehlt den Basismitarbeitenden auch die dafür benötigte Zeit, da diese Leistung von der Krankenkasse nicht bezahlt wird.
Um die Herausforderungen zu meistern und die Nutzung von OXOA zu verbessern, sind also noch Maßnahmen nötig. Im Folgenden werden mögliche Massnahmen vorgestellt:
- Kontinuierliche Optimierung von OXOA: Die bestehenden Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse von OXOA müssen kontinuierlich beleuchtet und überarbeitet werden. Feedback von Kund*innen und Mitarbeitenden auf allen Ebenen sollte regelmäßig eingeholt werden, um Schwächen der App, wie beispielsweise die fehlenden Push-Benachrichtigungen bei Einsatzänderungen, zu eliminieren.
- Regelmassiger Erfahrungsaustausch: Ein regelmässiger und fix eingeplanter Austausch mit dem Entwickler von OXOA aber auch anderen Spitex-Organisationen wie z.B. Spitex Zürich, kann helfen, von deren Erfahrungen mit OXOA oder ähnlichen Apps zu profitieren.
- Gezielte Schulungen: Bei Erneuerungen von OXOA sollten regelmässige Schulungen, idealerweise mit einer Präsenzpflicht, abgehalten werden. Nebst dem Vorstellen der Erneuerungen von OXOA bieten die Schulungen auch die Möglichkeit, auf häufig gestellte Fragen der Mitarbeitenden einzugehen.
OXOA geht einen wichtigen Schritt, um das Pflegepersonal in Zeiten des Pflegenotstands zu unterstützen und bietet bereits eine spürbare Entlastung. Nach einem Jahr im Einsatz bestehen jedoch noch einige Hürden und Unklarheiten in der Nutzung. Mit fortlaufender Weiterentwicklung und gezielter Optimierung hat OXOA das Potenzial, die Pflege nachhaltig zu entlasten und sich zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel im Alltag zu entwickeln.