Jeder, der Kinder im jungen Teeniealter hat, kennt das Thema: „Leg doch endlich das Handy weg.“ Gefühlt tägliche Diskussionen über die Bildschirmzeit sind an der Tagesordnung. Natürlich gibt es technische Lösungen, um die Bildschirmzeit zu managen. Doch wie gut funktionieren sie wirklich und welche Interessen haben die Hersteller an solchen Lösungen? Ist der Lockruf des Goldes (Daten) zu verlockend?
Bereits ab der Geburt kommen Kinder mit Smartphones in Berührung und beobachten ihre Eltern täglich bei der Nutzung digitaler Medien. Die grossen Tech-Unternehmen schaffen es immer wieder, die Nutzer mit ihren spitzfindigen Apps und Strategien an die Handys zu fesseln. Denn Bildschirmzeit und Nutzerdaten sind bares Geld.
Irgendwann haben Kinder ihre eigenen Handys und auch bei ihnen wird fast alles daran gesetzt um an die Daten zu gelangen. Die Eltern sind gefordert ihnen den richtigen Umgang beizubringen. Doch wenn wir ehrlich sind, haben auch wir Erwachsenen oft Schwierigkeiten damit. Was eine intensive Handynutzung mit unseren Kindern macht, können wir aktuell nur spekulieren. Die meisten Eltern suchen nach einfachen Lösungen, um die Bildschirmzeiten vollständig nach ihren Vorstellungen zu regulieren. Gibt es solche Lösungen bereits, oder wäre das ein zukünftiges Geschäftsmodell?
Bildschirmzeit regulieren
Heutzutage bieten alle gängigen Betriebssysteme technische Möglichkeiten, die Bildschirmzeit von Kindern zu regulieren. Persönlich habe ich bereits praktisch alle Systeme und auch spezielle Apps zur Bildschirmzeitregulierung ausprobiert.
Aktuell nutze ich wieder Apple. Auf den ersten Blick scheint diese Lösung umfassend zu sein: Man kann Auszeiten festlegen, Beschränkungen einrichten, Applimits setzen usw. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass diese Beschränkungen (bewusst?) Grenzen haben. Das System funktioniert nicht annähernd so störungsfrei, wie man es von Apple gewohnt ist. Im Internet gibt es mehr Artikel über Störungen und Fehler bei der Bildschirmzeit als Anleitungen zur Einrichtung. Zudem ist es auf Apple-Geräte beschränkt. Möchte ein Familienmitglied ein Android-Gerät nutzen, wird es aus der digitalen Familie ausgeschlossen.
Sämtliche App-Limits treten erst nach 1 Minute Nutzung in Kraft. Das führt oft zu heimlichem „Minütele“. Anschliessend muss die Bildschirmzeit auf Anfrage durch ein Elternteil freigegeben werden, wobei man sich nicht frei entscheiden kann: Es stehen nur die Optionen 15 Minuten, eine Stunde oder ein Tag zur Auswahl. Warum ist das so? Ein Schelm möge denken, dass die Tech-Branche möglichst viel Usertime wollen.
Es ist nahezu unmöglich, die Apps der Kinder zeitlich zu limitieren oder altersgerecht und sicher zu filtern. Technisch versierte Kinder, die mit den Geräten aufgewachsen sind, können diese Einstellungen oft eigenständig ändern, da es nicht immer zuverlässige Sperrfunktionen gibt. Auch Lösungen von unabhängigen Herstellern bestehen überwiegend aus Überwachungssoftware und bieten keine gezielte Steuerung. Es scheint, als würden absichtlich Hürden geschaffen. Anders lässt sich das Fehlen nahezu lückenlosen Lösungen bei gleichzeitig grosser Nachfrage nicht erklären. Das grosse Ziel aller Hersteller ist, möglichst viel Nutzungszeit zu generieren und so die Softwarehersteller zu beschränken, denn Daten sind das neue Gold. Auch bei unseren Kindern gilt: Je mehr Daten die Unternehmen sammeln, desto besser können sie bereits heute zu mehr Bildschirmzeit manipulieren und kennen das digitale Verhalten der zukünftigen Kundschaft besser als die eigenen Eltern.
Fazit
In Sachen Bildschirmzeit-Erziehung können wir uns nicht auf die Übergrossen in der Tech-Branche verlassen, denn diese verfolgen meist andere Ziele als die Eltern. Die Bildschirmzeit-Regulierung bietet zwar einige nützliche Features und kann eine Unterstützung sein, doch frei einstellbar und vollständig auf die Wünsche der Eltern ausgerichtet ist sie bei weitem nicht. Ich bin überzeugt, dass die Nachfrage nach umfassenden Lösungen für Eltern enorm ist und dass sie bereit sind, dafür gutes Geld zu zahlen. Leider sind die Beschränkungen der Gerätehersteller ebenso gross wie die Nachfrage. Um künftig bessere technische Lösungen und mehr Differenzierung im digitalen Geschäft zu ermöglichen, sind Innovationen erforderlich. Und die Gesellschaft benötigt politische und gesetzliche Rahmenbedingungen, die mehr Freiheit und einen einfachen Einstieg für digitale Geschäftsmodelle bieten.
Strikte Vorgaben für #GAFA
Wie viel Bildschirmzeit ist für Kinder gesund?
Digitale Monopole
Broschüre Medienkompetenz
Weiterführende Literatur:
Jäger, Hirten, Kritiker von Richard David Precht