Kennst Du das auch: Bei der Arbeit musst Du viele Aufgaben gleichzeitig bearbeiten, alle haben eine hohe Priorität und am Ende des Tages warst Du zwar die ganze Zeit beschäftigt, jedoch konntest Du nur wenige oder sogar keine der Aufgaben abschliessen? Die Auswirkungen: Viele offene Aufgaben, geringer Output, Unzufriedenheit, Stress, Rechtfertigung und vieles mehr.
Wie ein Kanban-Board dieses Problem lösen kann und welche Regeln und Prinzipien zum Wirkmechanismus beitragen, möchte ich Dir in den folgenden Zeilen aufzeigen.
Pull-Prinzip
Das Pull-Prinzip stammt ursprünglich aus der Automobilbranche und bewirkt, dass Material von jedem nachgelagerten Prozess erst dann bezogen wird, wenn Bedarf besteht. In der Produktionssteuerung werden oftmals sogenannte Kanban-Karten eingesetzt, welche eine Bedarfsmeldung an den vorgelagerten Prozess darstellen. Das Anwenden des Pull-Prinzips ermöglicht es einem Unternehmen mit tiefem Umlaufbestand zu produzieren. Zudem wird nicht, wie in der Praxis oft beobachtet, Material vom vorgelagerten Prozess in den nachgelagerten Prozess gestossen (Push-Prinzip) und dafür gesorgt, dass sich die Arbeit vor der Ressource staut. Beim Pull-Prinzip bestimmt die Ressource, wann sie Bedarf für die Produktion des nächsten Auftrags hat. Mit dieser Steuerung der Produktion wird die Flusseffizienz gesteigert und die Ressourceneffizienz reduziert. Doch was sind eigentlich Fluss- & Ressourceneffizienz?
Fluss- & Ressourceneffizienz
Bei Unternehmen, die eine hohe Ressourcen- und geringe Flusseffizienz haben (Punkt 1 in Abbildung 1), wird dafür gesorgt, dass die Ressourcen (z.B. Mensch oder Maschine) höchstmöglich ausgelastet sind und sich die Aufträge vor den Ressourcen stapeln. Dies verzögert die Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung des Produkts, sorgt aber dafür, dass die Ressourcen immer bestens mit Arbeit versorgt sind. Besteht das Endprodukt aus mehreren Halbfabrikaten, so hat man zusätzlich zu den randvoll ausgelasteten Ressourcen auch noch viel gebundenes Kapital.
Bei Unternehmen, welche eine hohe Fluss- und geringe Ressourceneffizienz haben (Punkt 2 in Abbildung 1), stapeln sich keine Bestände vor den Ressourcen, heisst die Ressourcen sind nicht voll ausgelastet. Dies kann jedoch Probleme mit der Wirtschaftlichkeit mit sich bringen, weil die Ressourcen auf Aufträge warten und während dessen keinen Wert schaffen. Eine hohe Flusseffizienz ermöglicht es aber, die Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung eines Produktes kürzer zu halten als bei einer ressourcenoptimierten Fertigung.
Die Kunst ist, eine Balance zwischen hoher Fluss- und hoher Ressourceneffizienz zu finden (Punkt 3 in Abbildung 1), so dass die Ressourcen stetig ausgelastet sind aber sich gleichzeitig keine hohen Bestände vor den Ressourcen türmen. Und genau hierbei kann das Pull-Prinzip unterstützen. Doch was hat dies nun mit einem Kanban-Board in der Aufgabenverwaltung zu tun?
Hinweis: Für ein besseres Verständnis, kann das Video „Die Ressourcenauslastungsfalle“ am Ende des Beitrags weiterhelfen.
In der Abbildung 2 ist ein Beispiel eines Kanban-Boards eines Projektteams abgebildet, welches sich in die Projektphasen «Planung», «Umsetzung», «Prüfung» und «Korrektur» gliedert. Die Phasen des Boards können beliebig nach Prozess oder Bedarf gewählt werden. Jeder Projektphase ist eine sogenannte WIP-Limite (Work in Progress-Limite) zugeteilt (Punkt 1 in Abbildung 2), was bedeutet, dass die Anzahl Aufgaben je Ressource die WIP-Limite nicht überschreiten dürfen. Das Einhalten dieser Limite sorgt dafür, dass die verantwortliche Person nicht überlastet wird und ermöglicht das Pull-Prinzip wie das nachfolgende Beispiel aufzeigt.
Gemäss Abbildung 2 Punkt 2 hat das Projektmitglied Claudia keine Aufgabe mehr in der Phase «Korrektur». Wenn die Aufgabe in der Phase «Prüfung» abgeschlossen wäre und eine Korrektur notwendig wäre, dann könnte die Aufgabe von Claudia in die nächste Phase gezogen werden. Claudia bestimmt so, wann sie Kapazität in der Phase «Korrektur» hat.
In der Praxis ist jedoch oft das Gegenteil anzutreffen, nämlich, dass wie bei Abbildung 2 in Punkt 3 dargestellt, die Aufgaben in die Phasen reingedrückt werden. Dies kann zum einen zu Überlastung der Ressource führen wie auch zu längeren Durchlaufzeiten einer Aufgabe. Dies, weil eine Ressource so pro Phase mehrere Aufgaben bearbeitet und somit zwischen mehreren Themen in einer Phase hin und her wechseln muss – ähnlich wie es in der Produktion der Fall ist. Es ist festzustellen, dass die WIP-Limite somit ein wichtiges Steuerelement ist, damit die Ressourcen nicht überlastet werden.
Das Kanban-Board bietet auch noch weitere Vorteile.
Es wird Transparenz geschaffen, in dem jederzeit einsehbar ist, woran gearbeitet wird. Zudem können Kennzahlen wie die Durchlaufzeit gemessen werden.
Die Visualisierung ermöglicht es, die aktuelle Situation einfach und schnell zu interpretieren und allfällige Probleme zu erkennen.
Mögliche Nachteile dabei können sein, dass es weniger Freiraum für individuelle Arbeitsstile gibt sowie durch die hohe Transparenz Mitarbeiter mit einer geringeren Leistung auffallen und sich blossgestellt fühlen können.
Hinweis: Für ein tiefergehendes Verständnis, kann das Video „Klaus Leopold – Kanban im Schnelldurchlauf“ am Ende des Beitrags dienen.
Um ein Kanban-Board zu realisieren gibt es diverse Softwares. Nennenswerte Programme sind z.B. Jira, Planner von Microsoft oder Miro. Natürlich kann ein Kanban-Board auch physisch an einem Whiteboard erstellt werden.
Ich hoffe, dass ich Dir den Wirkmechanismus, das Anwendungsgebiet und den Nutzen von Kanban-Boards aufzeigen konnte und freue mich, wenn dieser Betrag Dir in der Aufgabenverwaltung weiterhelfen kann.
Weiterführende Videos zum Thema
Die Ressourcenauslastungsfalle (EN)
Klaus Leopold – Kanban im Schnelldurchlauf