Softwareentwicklung in der Industrieautomation ist seit jeher konservativ. Neue Technologien werden erst dann eingesetzt, wenn diese in anderen Bereichen lange etabliert sind. Geschlossene, proprietäre Betriebssysteme und Programmiersprachen verhindern eine direkte Anwendung moderner Softwareentwicklungspraktiken oder agiler Arbeitsmethoden. Doch eine Transformation ist im Gange, hin zu offeneren Systemen. Woher kommt dieser Trend und welche neuen Chancen ergeben sich daraus?
Alte Grenzen
Viele die an Industrieautomation denken, haben komplexe mechatronische Systeme vor Augen. Robotersysteme könnten alles fertigen, was sich Mensch vorstellen kann, doch dem Automatisierungsgrad sind oft wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Je komplexer so ein mechatronisches System wird, desto teurer sind die dazu notwendigen Komponenten und desto mehr Zeit muss in die Entwicklung gesteckt werden. Die Wirtschaftlichkeit eines solchen hochkomplexen Systems stellt somit ein grosses Risiko für den Hersteller dar. Wie kann also ein Mehrwert generiert werden, ohne dass die Komplexität und somit die Kosten der mechatronischen Komponenten ins unermessliche steigen?
Industrielle Revolution… Nummer 4
Die Antwort ist in der heutigen Zeit sehr naheliegend. Daten! Industriemaschinen verfügen bereits über eine Vielzahl von Sensoren, welche zur Datenerfassung genutzt werden. Leider werden diese Daten meistens nur für eine kurze Zeitspanne gespeichert um Prozessschritte zu steuern, weshalb ein grosser Teil der darin enthaltenen Information wieder verloren geht. Um diesem Problem zu begegnen, werden moderne Technologien für die Industrie erkundet. Cloud- und Edge computing um die Daten zu speichern, zu analysiert und somit nutzbar zu machen. Kamerasysteme mit KI-Chips um zuverlässig Fehler oder Normabweichungen in Produkten zu erkennen. Robotersysteme, welche zunehmend autonomer handeln und auch der 3D-Druck, welcher die Fertigung von KI-optimierten Modellen möglich macht. Diese und weitere Technologien sind Teil der Industrie 4.0, welche zu mehr Flexibilität, Effizienz und Kundenorientiertheit in modernen und «smarten» Fabriken führen soll.
Durch den Einsatz dieser Technologien steigen aber auch die Anforderungen an die entwickelnden Fachkräfte in der Industrieautomation. Interdisziplinäre Teams mit Kompetenzen in Prozesslogik, Datenanalyse, Cloudservices, Antriebstechnik, Robotik, Bildverarbeitung usw. müssen in einem zunehmen dynamischen Umfeld zusammenarbeiten. Agile Arbeitsmethoden werden vermehrt angewendet.
Erzwungene Öffnung und die Folgen
Dank dieser Revolution hat ein Paradigmenwechsle begonnen, der Agilität, Zusammenarbeit und verbesserte Effizienz in den Vordergrund rückt.
Ein konkretes Beispiel dafür, sind SPS-Hersteller, die nun gezwungen sind ihre geschlossenen und proprietären IDEs und Laufzeitsysteme zu öffnen. Statt in binären Dateien wird die Maschinensoftware in Textdateien gespeichert. Eine sinnvolle Versionsverwaltung wird dadurch erst möglich. Darauf folgt nun die Umsetzung von CI/CD Pipelines, was wiederum Unit Tests noch mehr Relevanz gibt. Kurz, die Integration von DevOps wird möglich!
Durch die Öffnung der Systeme werden auch «Second Source Strategien» einfacher umsetzbar. Die noch immer anhaltende Chipkrise hat gezeigt das dafür ein grosser Bedarf besteht. SPS-Hersteller müssen sich deshalb mehr als zuvor, durch Innovation von ihren Mitbewerbern abheben.
Auch die Hersteller von industriellen Maschinen müssen sich öffnen. Konservative Betriebe und strikte Hierarchien haben in einem zunehmend agilen Umfeld ausgedient. Dies stellt viele Traditionsbetriebe vor eine Herausforderung, welche nur mit grossem Einsatz bezwungen werden kann.
Näher am Puls der Zeit
Neue Arbeitsmethoden, neue Tools, neue Möglichkeiten. In den letzten Jahren hat sich vieles bewegt in der Industrieautomation und vieles ist noch im Gange. Bald werden von verschiedenen SPS-Herstellern, Copilot-Funktionen für ihre IDEs veröffentlicht. Anstatt, wie in der Vergangenheit, noch Jahre auf die Integration von solchen neuen Technologien warten zu müssen, wird an diesem Beispiel ersichtlich, dass diese Zeiten hoffentlich vorbei sind.
Ich freue mich auf jeden Fall darauf endlich näher am Puls der Zeit zu sein, neue Technologien ohne künstliche Einschränkungen einzusetzen, um Software effizienter und stabiler gestalten zu können! Die Transformation hat begonnen und nimmt aber zunehmend Fahrt auf.