Digitale Lösungen sind in der heutigen Zeit für die Konsumenten in vielen Bereichen eine Selbstverständlichkeit. So verwundert es, dass bis dato keine flächendeckende Lösung für ein digitales medizinisches Rezept – auch eRezept genannt – verfügbar ist. Woran liegt das? Was verbirgt sich eigentlich genau hinter dem Begriff eRezept? Und welche Faktoren sind entscheidend, damit das eRezept die nötige Akzeptanz findet?
Ein eRezept ist eine elektronisch ausgestellte medizinische Verschreibung von Arzneimitteln, die strukturierte Daten enthält und von der ausstellenden Fachperson elektronisch signiert wird. Ein eRezept kann elektronisch transferiert werden, entweder direkt zu einer Apotheke oder zuerst zum Patienten, der dann die Weiterleitung zur Apotheke vornimmt. Die Apotheke kann ein solches eRezept elektronisch empfangen, validieren und weiterverarbeiten.
In der Schweiz läuft aktuell ein Pilotprojekt für eRezepte, an welchem Institutionen wie HCI, HIN und Apothekenformate von Galenica beteiligt sind. In diesem Pilotprojekt sind nur einfache Use Cases (Einfachrezepte) möglich und es gibt Einschränkungen bei der freien Apothekenwahl.
In Deutschland hätten Spitäler und Ärzte das eRezept eigentlich ab Anfang 2022 obligatorisch anbieten müssen. Wegen Bedenken des Datenschützers bezüglich der Sicherheit der konkreten Lösung und dadurch befürchteter missbräuchlicher Einlösungen wurde aber vorerst auf das Obligatorium verzichtet.
Diese Limitierungen und Verzögerungen illustrieren, wie weit entfernt wir uns von einer flächendeckend akzeptierten Lösung befinden. Sie sind auch ein Indiz dafür, dass der Nutzen bisher für viele Stakeholder nicht offensichtlich ist.
Den Nutzen ersichtlich machen
Um eine breite Akzeptanz zu erreichen, muss der Nutzen des eRezepts für die verschiedenen Stakeholder klar ersichtlich gemacht werden.
Für Patienten bietet das eRezept direkten Nutzen, wie die Verwaltung der Rezepte in einer Gesundheits-App auf dem Smartphone. Dadurch haben sie ihre Rezepte immer gesichert dabei und können diese an unterschiedlichen Orten einlösen. Das kann bei Dauerrezepten besonders hilfreich sein. Auch werden Online-Bestellungen durch eRezepte deutlich vereinfacht, ebenso wie Nachbestellungen von benötigten Medikamenten.
Apotheker profitieren ebenfalls von eRezepten, da sie fälschungssicher, gut lesbar und automatisch prozessierbar für Ausgabe und Weiterverarbeitung sind. Diese Aspekte erleichtern die Arbeit der Apotheker und minimieren Fehlerquellen.
Für die verschreibende Ärztin ist der unmittelbare Nutzen auf den ersten Blick nicht offensichtlich. In der Tat scheint es zunächst keinen direkten Vorteil für Ärzte zu geben. Eine wichtige Folgerung besteht deshalb darin, dass die Einführung von eRezepten für Ärzte keinen zusätzlichen Aufwand verursachen darf, um die Akzeptanz zu gewährleisten.
Einfachheit dank «Default Routing»
Um den erwähnten Nutzen zu realisieren müssen insbesondere die Prozesse im eRezept-Ökosystem sinnvoll gestaltet werden. Zwei Bereiche in der eRezept-Journey sind dabei zentral:
- Der Schritt von der Ärztin zum Patienten
- Die Interaktion zwischen Patient und Apotheke
Der unmittelbare Nutzen des eRezepts für die Ärztin ist minimal klein, deshalb muss beim Schritt von Ärztin zu Patient die Ausstellung des eRezepts möglichst einfach sein. Zur Veranschaulichung kann uns die Zahlungs-App Twint mit ihrer einfachen Funktionalität für die Geldüberweisung dienen:
Die Ärztin erfasst im Praxisinformationssystem (PIS) die Medikationsdaten für den Patienten. Darauf basierend stellt das System ein eRezept aus. Abschliessend sendet sie das eRezept mit einem einzigen Klick an die vom Patienten bevorzugte Destination (z. B. eine Gesundheits-App).
Als Voraussetzung für diesen einfachen Ablauf, muss sich der Patient vorgängig und einmalig im eRezept-Ökosystem registriert und seine Präferenzen für den eRezept-Flow hinterlegt haben. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einem sogenannten «Default-Routing» .
Auch die Interaktion zwischen Patient und Apotheke sollte möglichst einfach in der Nutzung sein. Hier können uns eCommerce Plattformen wie Amazon mit ihrem One-Click-Shopping als Inspiration dienen:
In seiner Gesundheits-App kann der Patient schon vorab eine Apotheke seiner Wahl definieren. Zudem erfasst er seine Wohnadresse für ein «Default-Routing» beim Medikamentenversand. Steht dann eine Medikamentenbestellung an, kann der Patient die Bestellung (und das eRezept) mittels One-Click losschicken und erhält von der Apotheke in der Folge neben der Medikamentenlieferung einen angepassten Medikationsplan auf sein Smartphone.
Fazit: Die Umsetzung von eRezepten bietet viele Vorteile für Patienten und Leistungserbringer, wenn die die Prozesse einfach und benutzerfreundlich gestaltet werden. Das erwähnte Default-Routing spielt dabei eine wesentliche Rolle.