Der Krypto-Winter hat zu hohen Verlusten geführt. Getrieben von einer restriktiveren Geldpolitik der Zentralbanken, Totalverlusten bei Stablecoins und Skandalen rund um Kryptobörsen, rufen nun viele Marktteilnehmer nach stärkerer Regulierung. Würde dies helfen und könnten dadurch weitere Skandale verhindert werden?
Es war das Jahr 1995, meine Bankkarriere steckt noch in den Kinderschuhen, als ich zum ersten Mal mit einem Finanzskandal konfrontiert werde. Ein Börsenmakler namens Nick Leeson hat damals die britische Barings Bank mit verbotenen Spekulationsgeschäften in den Ruin getrieben.
„The Bank of England was the regulator during my time at Barings.
They weren’t particularly good,“ Nick Leeson
Es ist der erste Vorfall, an den ich mich bewusst erinnern kann, es werden noch Dutzende folgen. Etwas mehr als 10 Jahre später steht der schlimmste aller Skandale an.
Collateralized Debt Obligations
Ein CDO. Eines dieser damals neuartigen Finanzprodukte bringt 2008 die Finanzwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. Lehman Brothers geht pleite, Island ist das nächste Opfer, Griechenland folgt und den Rest der Geschichte kennen wir. Dies ist nur eine kleine Auswahl von Finanzskandalen, vor und nach Lehman gab es viele mehr. All dies geschieht damals in erprobten Finanzmärkten, die aus Sicht der traditionellen Ökonomie hypereffiziente Gebilde sind, Märkte in denen die Akteure über perfekte Informationen verfügen, Marktversagen ein Fremdwort ist und die vor allem streng reguliert sind.
Eine neue Assetklasse entsteht
Parallel zum klassischen Finanzmarkt entwickelt sich eine immer größer werdende Kryptoindustrie. Auch sie ist in den letzten Monaten von zahlreichen Skandalen geprägt. Es sei daran erinnert, dass Kryptowährungen aus der Überzeugung heraus entstanden sind, dass das traditionelle, stark regulierte Finanzsystem im Jahr 2008 versagt hat. Basierend auf der Blockchain wurde versucht, eine libertäre Finanzarchitektur zu schaffen, ein System, das weder von Behörden noch von Regierungen manipuliert werden kann. Und was ist nach den Skandalen von den vergangenen Wochen und Monate geschehen? Die großen Krypto-Leader rufen lautstark nach Regulierung!
Bringt mehr Regulierung mehr Sicherheit?
Stellen wir uns vor, der Kryptomarkt wäre von einer Behörde reguliert und vollständig legitimiert. Außerdem gäbe es einen Anlegerschutz und eine Einlagensicherung, wie wir sie aus der traditionellen Finanzwelt kennen. In diesem Fall gäbe es meiner Meinung nach viel mehr Krypto-Investments als heute. Die Kryptowährungen wären noch weiter in die Höhe geschossen, weil die Nachteile des Betrugs durch einen staatlich gestützten Anlegerschutz beseitigt worden wären. Am Ende hätte es beim nächsten Betrug massive sozialisierte Verluste für die Steuerzahler gegeben, wie wir es aus den traditionellen Märkten seit Jahren kennen.
Die Regulierungsbehörden haben es nicht geschafft, den traditionellen Finanzmarkt skandalfrei zu halten – warum sollten es dieselben Behörden in der Kryptowelt besser machen? Hätten sie den FTX-Skandal verhindern können? Zum jetzigen Zeitpunkt würde eine strenge Regulierung des dezentralisierten Finanzsystems mit ziemlicher Sicherheit zu enormen systemischen Risiken für die etablierten Finanzmärkte, großen sozialisierten Verlusten für die Steuerzahler und enormen politischen Diskussionen führen.
Die Schweiz als Vorreiter
Ungewöhnlich früh hat die Schweiz einen Rechtsrahmen geschaffen, der Wachstum ermöglicht und Innovation nicht hemmt. Dies hat dazu geführt, dass sich dank der Rechtssicherheit über 1000 Unternehmen im Bereich Fintech und Blockchain in der Schweiz niedergelassen haben. Dies hat die Schweiz zu einem der führenden Standorte für Distributed-Ledger-Technologien gemacht.
Die Kryptowelt steht vor der entscheidenden Frage – wollen wir die Kontrolle des dezentralen Finanzsystems dem zugrundeliegenden Algorithmus der Blockchain und dem Glauben an das Gute überlassen oder wollen wir eine zentrale Behörde als verantwortlichen Regulator? Ein verantwortlicher Regulator, der mit dem dezentralen System gerade ausgeschaltet werden sollte.
Eines ist sicher: Wir stehen am Anfang der Krypto-Evolution.