Be touched versus (touch)screen

Wenn wir uns begegnen nehmen wir uns mit allen Sinnen wahr, wir verstehen unsere Gesten und Körperhaltungen und wir berühren uns. Die reale Beziehung zu anderen hält uns psychisch gesund und wirkt heilsam. Kann es dann eine digitale Zukunft der Psychiatrie geben?

 

Unser Beginn

Wir kommen auf die Welt mit einem intensiven Bedürfnis nach Berührungen und nach menschlichem Kontakt. Dafür haben wir Millionen Tastsensoren und sind lebensnotwendig auf Berührungen angewiesen. Wir beginnen unser Leben mit gestreichelt und getragen werden und bauen Vertrauen auf über Fühlen und Spüren. Ohne Körperkontakt gibt es keine zwischenmenschliche Beziehung, es ist Grundlage unseres sozialen Sinns.

Später im Alltag geben (gaben) wir uns die Hand, umarmen (umarmten) uns und blicken (blickten) uns in die Augen. Eine leichte Berührung von 1 Sekunde eine kurze Umarmung oder alleine das Zusammensein mit anderen führt dazu, dass wir sofort Oxytocin ausschütten.  Dies bewirkt, dass wir ruhiger atmen, dass der Blutdruck sinkt und wir entspannen. Oxytocin schützt uns vor Depression und Angst, lindert Schmerzen und sorgt dafür, dass wir lieben und vertrauen können. Mit Berührungen unserer Fingerspitzen auf der Tastatur oder dem Screen, vor dem wir allein sind, können wir dies nicht ersetzen.

Ich sehe und verstehe dich

Wenn wir von Angesicht zu Angesicht kommunizieren, aktivieren wir Spiegelneurone im Gehirn, diese nehmen tausende Gesichtsausdrücke, Gesten und Körperbewegungen wahr und erlauben uns, die Emotionen und das Verhalten anderer Menschen zu verstehen. Es ist ein soziales Ereignis. Das Lesen dieser Signale, unsere nonverbale Kommunikation, ist genauso wichtig wie die verbale Kommunikation und trägt wesentlich zum Aufbau von Beziehungen und zum gegenseitigen Vertrauen und Wohlbefinden bei. Dabei schauen wir uns in die Augen, was den anderen wissen lässt, dass wir ihm zuhören und präsent sind. Über eine Laptopkamera ist dies nicht möglich.

Was wirkt in der Psychiatrie

Für eine gute Behandlung braucht es vor allem Empathie und Vertrauen, damit sich ein Mensch öffnen und verändern kann. Um dies zu empfinden, müssen wir uns angenommen und akzeptiert fühlen und das Gegenüber muss in der Lage sein, sich in uns hineinzuversetzen, uns zu verstehen. Dieses Angenommen- und Verstandensein findet in einem therapeutischem Raum statt und funktioniert zu einem grossen Teil über nonverbale Kommunikation. Wir geben uns die Hände, halten den Blickkontakt und schauen uns an, verständigen uns über feinste Gesten oder sitzen mitunter still nebeneinander und schweigen, es entsteht eine gemeinsame Resonanz, eine Synchronisierung, wir sind miteinander verbunden und nicht allein. Wenn wir Patienten in unsere stationäre Behandlung aufnehmen erleben wir häufig, dass bereits der Kontakt mit anderen, das Verbundensein in einer Gemeinschaft, zur Besserung der Symptomatik und des Allgemeinbefindens führt.

Und nun

Eingebunden sein, stabile und unterstützende Kontakte und verlässliche Beziehungen, Vertrauen, Empathie, Respekt und viele Werte mehr sind in der Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung enorm wichtig und wir müssen uns die Frage stellen, welcher dieser Werte durch eine digitale Kommunikation wirklich besser wird.

mit anderen verbunden (Bild von Duy Pham bei www.unsplash.com)

 

Ist die digitale Therapie nicht nur ein Medikament und wir behandeln Symptome, die es bei mehr sozialer Integration und weniger Einsamkeit gar nicht gäbe?

 

 

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Dr. Katharina Adolf

Dr. Katharina Adolf ist Oberärztin bei der Luzerner Psychiatrie und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Transformation

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