Keine Rückschlüsse auf Ihre Person möglich. / Ihre Angaben sind vollständig anonym. / Eine Auswertung wird erst ab 5 Teilnehmenden erstellt. – So oder ähnlich lauten häufig die Versprechen in Einladungsschreiben von Mitarbeitendenbefragungen. Doch können andere Personen tatsächlich nicht erfahren, was Sie geantwortet haben? Und wie gelingt eine Mitarbeitendenbefragung ohne Rückschlüsse auf Personen?
Offenes, d.h. wahrheitsgetreues, Antworten ist ein, wenn nicht der Erfolgsfaktor bei Mitarbeitendenbefragungen. Nur durch ehrliche Antworten können Arbeitgeberinnen die richtigen Schlüsse ziehen und durch geeignete Massnahmen die Arbeitssituation der Mitarbeitenden verbessern.
Befürchten Mitarbeitende Sanktionen durch ihre Teilnahme beantworten sie die Fragen oft zu positiv, verfälschen also die Antworten.
Eine Teilnahmepflicht oder zu häufige oder zu forsche Aufforderungen von Führungskräften, an der Befragung teilzunehmen, führen zwar zu einer höheren Rücklaufquote aber zu weniger aussagekräftigen Resultaten.
Wie kann ich identifiziert werden?
Die Möglichkeiten, Antworten auf eine bestimmte teilnehmende Person zurückzuführen, sind nicht erst im digitalen Zeitalter vielfältig. Hier ein paar Beispiele:
- Rückschlüsse durch die Post- (Papierbefragung) oder E-Mail-Adresse bei personifizierten Umfragen oder durch die IP-Adresse bei allgemeinen Online-Umfragen
- Verknüpfung von der verschiedenen «statistischen» Angaben (z.B. Geschlecht, Sprache, Funktion)
- Erkennen von Personen aufgrund Schreibstil oder die Beschreibung bestimmter beruflichen oder gar privater Situationen in offenen Bemerkungen
- oder schlicht: der antwortenden Person beim Ausfüllen des Fragebogens über die Schulter schauen
Früher war alles besser! Wirklich?
Auch bei den Paper-and-Pencil-Umfragen vor dem Internet-Zeitalter gab es viele dieser Identifizierungsmöglichkeiten bereits. Papierfragebogen verschickte man häufig an die Heimadresse oder sie wurden im Unternehmen direkt an die Mitarbeitenden verteilt und in gut zugänglichen, meist unverschlossenen Boxen oder gar durch Vorgesetzte direkt wieder eingesammelt, was weitere Möglichkeiten für Rückschlüsse auf Teilnehmende bot.
Wie gelingt es trotzdem, eine Mitarbeitendenbefragung erfolgreich durchzuführen?
Während der Durchführung einer Befragung haben Teilnehmende bestimmte Rechte, z.B. ihre Angaben zu ändern oder zu löschen. Das bedeutet, dass Anonymität in dieser Phase der Befragung eigentlich gar nicht erwünscht oder unmöglich ist, wenn diesen Anforderungen gerecht werden soll. Die erfolgreiche Umsetzung hängt also vor allem von den Personen ab, welche bei der Durchführung und der Auswertungen beteiligt sind. Für diese gilt es während der Befragung mit den personenbezogenen Daten und den Antworten vertrauensvoll umzugehen und bei der Auswertung dafür zu sorgen, dass aus den erstellten Auswertungen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. Bei der Auswertung werden die Antworten der Teilnehmenden normalerweise in einem ersten Schritt pseudonymisiert und schlussendlich nach Projektende anonymisiert.
Sie entschieden!
Schlussendlich sind auch Sie als Teilnehmende für den Erfolg der Mitarbeitendenbefragung verantwortlich. Lesen Sie die Begleitinformationen im Einladungsschreiben genau durch und erfahren Sie so die genauen «Spielregeln» der Anonymität bzw. der Anonymisierung sowohl bei der Durchführung als auch bei der Auswertung. Machen Sie von Ihrem Recht Gebrauch, auf die Teilnahme zu verzichten, wenn Ihre Unsicherheiten nicht durch die Nachfrage bei den verantwortlichen Personen geklärt werden können. Und wenn Sie sicher sind: Antworten Sie ehrlich und tragen Sie so zu einer Verbesserung Ihrer eigenen Arbeitssituation bei!
«Nur wer etwas sagt, wird Gehör finden.»
© Richard Ginnow (*1970), Schweizer Philosoph
Wie lautet nun die Antwort: Ja oder nein?
Die Antwort auf die Eingangsfrage lautet also: Ja und nein – komplett anonyme Mitarbeitendenbefragungen gibt es nicht, weil diese aufgrund der Betroffenenrechte nicht möglich oder nicht erwünscht sind oder weil immer für jemanden, irgendwann, auf irgendeine Art und Weise ein Rückschluss auf Einzelpersonen möglich ist, und sei es nur, um festzustellen, ob jemand überhaupt teilgenommen hat oder nicht. Anonymisierte Mitarbeitendenbefragungen sind aber möglich und heutzutage der angewendete Standard.