Sollten sich Banken kannibalisieren?

Traditionelle Universalbanken verpassen immer mehr den Anschluss, weil sie keine alternativen Produkte anbieten. Kostenlose oder alternative online Angebote? «Haben wir nicht nötig» ist der Grundtenor und «schlussendlich verdient man dabei nichts». Eben nicht! Bei der genauen Betrachtung spricht einiges dafür. Lesen Sie hier, wieso.

Was ist eigentlich Kannibalisierung?
Kannibalisierung bezeichnet in der Wirtschaft die konkurrierende Vermarktung gleichartiger Produkte zu verschiedenen Preisen durch dasselbe Unternehmen über verschiedene Vertriebskanäle.

„Wenn wir uns nicht selbst kannibalisieren, wird es jemand anderes tun“
Zitat Steve Jobs

Warum sollten sich die Banken Kannibalisieren?
Es gibt immer wieder Diskussionen über die Kosten von den Standard-Bankdienstleistungen. Wieviel sollte eine Dienstleitung ohne Beratung und spezifischen Produkten kosten? Eigentlich nichts oder nicht so teuer ist der allgemeine Grundtenor.

Das ist richtig, denn Smartphone-Banken und junge Technologie-Firmen machen es vor. Kunden die keine Beratung und spezifische Produkte benötigen, wollen nicht für etwas zahlen, dass es bei anderen Anbietern umsonst gibt. Damit klassische Banken diese Kunden nicht verlieren, benötigten sie ein kostenloses Online-Einstiegs-Bankenpaket. Wie wichtig Online-Angebote sind verdeutlicht unter anderem die Studie der HSLU „Smartphone-Banken machen klassischen Banken das Geschäft streitig“. Die Studie zeigt des Weiteren auf, dass vor allem jüngere Personen und besser gebildete Menschen (dementsprechend auch mit höherem Gehalt und Vermögen) Smartphone-Banken kennen und nutzen. Das Entwicklungspotential dieser Kundinnen und Kunden riesengross.

IFZ Retail-Banking Studie 2022 (24.11.22)
Kenntnisse von mindestens einer Smartphone-Bank nach verschiedenen Kriterien

e.forsight (ein Research-Unternehmen der Swisscom AG). Vor einem Jahr hat e.forsight die Prognose gestellt, dass Neobanken bei immer mehr Kundinnen und Kunden zur Hauptbank werden. Das wurde am 22.12.2022 im e.forsight Newsletter «Die e.foresight 2022er-Prognosen auf dem Prüfstand» bestätigt. Vertreter von Neobanken sprachen an Konferenzen in der Schweiz im Oktober und November 2022 von rund 20 bis 25% Kundenanteil, bei denen das Konto zum Hauptkonto geworden ist.

Was ist der konkrete Nutzen dieser Kannibalisierung und wie soll die Entwicklung angegangen werden?
Finanzunternehmen müssen ihre Chance nutzen und die affine Zielgruppe längerfristig zu profitablen Kundinnen und Kunden gewinnen. Und wie soll das gehen? Über die Begeisterung und emotionale Bindung. Klassischen Banken sind sich dieser wichtigen Partnerschaft noch immer nicht bewusst. Dies unterstreicht auch die IFZ Retail-Banking-Studie 2021 der HSLU. Klassische Banken sollten diesbezüglich die Vorteile von den Neon-Banken abkupfern. Begeisterte Kundinnen und Kunden fragen eher nach weiteren Produkten und Dienstleistungen nach. Sie empfehlen die Bank an Freunde und Bekannte weiter. Schlussendlich steigert das die Marktdurchdringung des Unternehmens und gewinnt neue Kundinnen und Kunden.

Wie sieht der Kannibalisierungstrend aus?
Dieser Trend ist nicht nur bei den klassischen Bankdienstleistungen erkennbar. Bereits im Jahr 2020 hat die Zürcher Kantonalbank «frankly» lanciert und die persönliche Vorsorge bzw. Säule 3a erfolgreich digitalisiert. Viele bestehende Kundinnen und Kunden haben zu diesem Angebot gewechselt. Aber auch neue Kundschaft konnte durch das digitale Angebot gewonnen werden. Der digitale Weg ist richtig, dies bestätigt auch der HSLU-Blog von Prof. Dr. Andreas Dietrich.

Fazit
Es ist nie zu spät, um neue Vertriebskanäle zu erschliessen und Dienstleistungen zu kreieren. Die Banken müssen unbedingt in online Bankdienstleistungen investieren, sonst macht es ein anderes Unternehmen und schnappt ihnen potentielle aber auch bestehende Kundinnen und Kunden weg.

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Jürg Lüthi

Jürg Lüthi (47 Jahre alt) ist Projektleiter bei der Zuger Kantonalbank und lebt in Steinhausen ZG. Er hat ein fundiertes Banken-, Produkt- und Projektmanagement-Wissen, das er bei Regional- und Grossbanken erlernt hat.

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