Der Wechsel von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien, die sogenannte Energiewende, steht schon seit mehreren Jahren in Europa zur Debatte. Im Zuge der aktuellen Situation in der Ukraine verstärkt sich der Druck zunehmend, diesen Wechsel voranzutreiben. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Wende mit den aktuell bestehenden IT Modellen (Zentraler Datenverarbeitung) überhaupt zu schaffen ist. Könnte das Edge Computing ein zwingender Schlüssel zur Lösung sein?
Wie sich das bewährte Stromnetz zum Smart Grid bewegt
Ein Stromnetz funktioniert nur, wenn produzierte Energie und verbrauchte Energie in Balance sind. Würde zu viel Energie verbraucht und gleichzeitig zu wenig Energie in das Netz eingespeist, würde es in der Folge zusammenbrechen. Das Resultat wäre ein Blackout. Mit den konventionellen Kraftwerken mit fossilen Energieträgern (Kohle, Gas, Öl, Atomkraftwerk) kann das Netz einfach, zentral und planbar geregelt werden, da stets Energie ohne äussere Einflüsse vorhanden ist.
Mit erneuerbaren Energien ändern sich die Spielregeln diametral. Zum einen erzeugen dezentrale Energieerzeuger wie Wind- und Solaranlagen Energie in schwer zu planendem Ausmass, zum anderen speisen diese Erzeuger, falls die Energie nicht vor Ort verbraucht werden kann, auch Energie ins allgemeine Netz zurück. Diese Veränderung bedingt, dass die Balance des Netzes nicht mehr zentral, sondern feingranular am Ort der Energieerzeuger gemessen und geregelt werden muss. Diese Regelung wird als intelligentes Stromnetz oder Smart Grid bezeichnet, wobei der Fokus auf der regelungstechnischen Steuerung im Stromnetz liegt, um die Auslastung der vorhandenen Infrastruktur zu verbessern.
Komponenten des Smart Grids mit dezentraler Energieerzeugung (Bildquelle: Freepik.com)
Wie kommt Edge Computing ins Spiel?
Um die dezentrale Energieversorgung und den dezentralen Energiebezug in Echtzeit regeln zu können, sind schnelle Steuerungsbefehle mit geringer Latenz notwendig. Es macht deshalb wenig Sinn, die feingranularen Steuerbefehle nur über die Zentrale in der Cloud zu verwalten. Hier kommt das Edge Computing ins Spiel, welches am Ort des Geschehens direkt die Berechnungen durchführt und somit zeitnah die dezentrale Regelung vornehmen kann. Dies könnte zum Beispiel ein Stromzähler in einem Haushalt sein, der Messdaten auswertet und entscheidet, ob sofort eine Regelung vor Ort vorgenommen werden muss und diese Befehle dann direkt auslöst. Ein Anwendungsfall wäre zum Beispiel eine Solaranlage, welche abgeschaltet werden oder ein Elektroauto, das geladen werden muss.
Herausforderungen für die nächsten Jahre
Die Funktionalität des Zusammenspiels von Edge Computing und zentraler Verarbeitung von Daten, zum Beispiel in einer Cloud, ist heute immer noch in den Kinderschuhen. Die grösste Herausforderung besteht darin, mit Edge Computing keine Inselregelung zu schaffen, die das ganze Netz aus dem Takt bringt. Es ist deshalb notwendig, dass die Edge Komponente auch mit der Zentrale immer in Verbindung bleibt und allenfalls übersteuert werden kann. Dafür müssen zum einen verschiedene Standards in der Kommunikation sowie Schnittstellen harmonisiert, zum anderen die Netzbetreiber mit entsprechendem Knowhow ausgestattet werden, damit die neue Technologie verbreitet eingesetzt werden und so das Konzept des Edge Computing erst zum Tragen kommen kann. Nur wenn die Netzbetreiber die Funktionalität des Edge Computing kennen, wird dieses auch eingesetzt.
Fazit
Die grösste Herausforderung wird wohl nicht der generelle Einsatz von Edge Computing, sondern eher der schnelle Wechsel eines ganzen Ökosystems für das Smart Grid System sein. Sicher ist jedoch, dass Edge Computing ein zwingender Baustein in den verschiedenen Komponenten des Smart Grids sein wird. Und nur wenn alle Komponenten miteinander funktionieren, kann die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden.