Aus den Daten eines Sensors lassen sich mit modernen Methoden viele Informationen gewinnen. Was vielen nicht bewusst ist: Sie tragen ein Sensorbündel den ganzen Tag mit sich herum – das Smartphone. Sind die damit erfassten Daten gut geschützt? Meistens nicht, denn sie sind Währung für die «Gratis-Apps».
Der treuste Begleiter des Menschen ist für die meisten schon lange nicht mehr der Hund. Das Smartphone muss nirgends draussen bleiben und ist fast immer mit dabei.
Dabei sind dann auch ein GPS-Positionstracker, ein Mikrofon, mehrere Kameras, ein Bewegungssensor und noch einige Sensoren mehr.Richtig spannend wird die ganze Technik in Verbindung mit Apps. Dein Smartphone hilft dir, egal wo du bist, zu jeder Tageszeit mit anderen Menschen in Kontakt zu treten oder das allwissende Internet zur Lösung deiner Probleme zu befragen.
Es kennt also alle deine Kontakte, von wo aus und wann du mit ihnen kommunizierst und welche Themen und Probleme dich gerade beschäftigen. Es weiss wie schnell du wohin gehst, wie viele Schritte du machst, oder ob du doch lieber den Lift als die Treppe nimmst. Ob du früh oder spät ins Bett gehst und mit wem du dann noch kommuniziert hast, als du nicht einschlafen konntest.
So ein treuer Begleiter würde diese ganzen Informationen doch niemandem weitergeben? Schon gar keinem Fremden? Und schon gar nicht einem findigen Big Data Analysten, der daraus ein psychologisches Profil erstellt und gewinnbringend weiterverkauft?
Oder etwa doch?
Ein gutes Beispiel ist WhatsApp. Das haben fast alle und man fühlt sich beinahe von der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn man es nicht verwendet. Das fängt beim Gruppenchat in den Schulen an (für den WhatsApp-Account müsste man übrigens eigentlich 16 Jahre alt sein) und auch das Grosi bekommt über die App die neuesten Fotos vom Enkelkind. Das vermeintlich Beste daran: Seit der Übernahme durch Facebook 2014 wurde die App kostenlos.
Wenn du für ein Produkt nichts bezahlst, bist du das Produkt.
Kostenlos ist ja eingentlich toll. Aber wie verdient den Facebook/Meta Geld? Mit der Nutzung und dem Verkauf der Daten aus deinem Sensorbündel. Das Versprechen, die gewonnenen Daten aus Whatsapp nicht mit Facebook zu verbinden, brach der Konzern nämlich schon zwei Jahre nach der WhatsApp übernahme (und wurde dafür von der EU gebüsst). Im Januar 2021 kündigte WhatsApp an, dass die Nutzungsbedingungen angepasst werden und alle Nutzerdaten künftig mit den anderen Produkten des Facebook Konzerns, der Ende 2021 in Meta umbenannt wurde, geteilt werden. Hast du übrigens die Privacy-Policy schon gelesen?
In der EU gelten diese neuen Bedingungen nicht, da diese gemäss der europäischen «General Data Protection Regulation» (GDPR) illegal wären. Wie das in der App und den Datacentern von Facebook nun gehandhabt wird, sei dahingestellt. Der Schweizer Armee scheint es jedenfalls nicht mehr sicher genug zu sein, wie dieser Artikel zeigt.
Der Medienrummel über diese Entscheidung war enorm und prominente Persönlichkeiten wie Elon Musk, oder der Whistleblower Edward Snowden riefen zum Wechsel auf alternative Apps auf.
Hat dies den Nutzerzahlen von WhatsApp geschadet? Die Nutzerzahlen sind stabil bei 2 Milliarden geblieben. Die statistisch nicht relevante Stichprobe in meinem Bekanntenkreis war darüber zwar «not amused» und einige installierten sich Alternativen wie Signal oder Threema. WhatsApp deinstallieren war dann aber eigentlich allen zu extrem. Die wichtigsten Begründungen:
- Aber Person / Verein XY hat nur WhatsApp
- Ich will nicht mehrere Messenger Apps nutzen
- Was wollen die mit meinen Daten überhaupt, ich habe nichts zu verbergen
Ist die Privatsphäre denn gar nicht so wertvoll?
Wie kann ich dieses beobachtete Verhalten mit dem neuen Wissen aus dem CAS Big Data Analytics erklären (in dem auch Ethik und Datenschutz behandelt werden)? Folgende Themen wurden dort angesprochen, die eine mehrheitlich sorgenlose Nutzung der Gratis-Apps wie WhatsApp erklären können:
- Bekommt man etwas kostenlos, neigt der Mensch dazu irrationale Entscheidungen zu treffen (Siehe zum Beispiel den Forschungsbericht von Kristina Shampan’er und Dan Ariely „Zero as a special price: The true value of free products“). Kombiniert mit dem beinahe Monopol von WhatsApp bleibt der Grossteil der Nutzer dem Produkt offensichtlich treu, auch wenn sich die Bedingungen zu dessen Nutzung massiv geändert haben.
- Es gibt Studien, wie „Blissfully Ignorant: The Effects of General Privacy Concerns, General Institutional Trust, and Affect in the Privacy Calculus“ der Universität St.Gallen, die zeigen, dass Menschen das Risiko vom Teilen persönlicher Daten grundsätzlich schwer beurteilen können. Schon eine freundlich gestaltete Benutzeroberfläche kann Bedenken diesbezüglich zerstreuen.
- Das Potenzial der geteilten Daten ist schwer nachvollziehbar. Die Algorithmen ermöglichen dem Analysten über das Auswerten von auf dem ersten Blick «harmlosen» Informationen, Aussagen über Dinge zu machen, die man direkt wohl nicht mit einem Konzern, der mit diesen Daten handelt, teilen würde.
Was beispielsweise schon allein mit Google-Suchanfragen herausgefunden werden kann, wird im interaktiven Film zu diesem interessanten Experiment veranschaulicht. Selber ausprobieren ist definitiv interessant.
Wer sich dafür interessiert, welche Informationen schon aus öffentlichen Daten gewonnen werden können, dem kann ich folgenden unterhaltsamen Vortrag von David Kriesel empfehlen. . Aber Vorsicht – auch YouTube trackt euch ?
Das Profiling der Nutzer hat auch seine guten Seiten. Aber vielleicht sollte man beim Installieren der nächsten App genauer hinsehen. Was sie wirklich kostet und ob man dem zusätzlichen Hersteller dem man Zugriff aus seinen «Big Data Generator» gibt, sein Vertrauen schenken möchte.
Vielleicht lässt du das Sensorpaket ja einfach mal zuhause. Zum Beispiel beim nächsten Spaziergang (mit oder ohne Hund)?