Datenschutz ist doch klar: Meine Daten gehören mir und dürfen in der Regel nur dann verwendet werden, wenn ich das erlaube. Und das Datenschutzgesetz sorgt dafür, dass dies auch eingehalten wird. Punkt.
Würde man meinen. Aber – ist es so einfach? Reicht die Einhaltung des Datenschutzgesetzes, um mich und meine Privatsphäre zu schützen?
Nachlässigkeiten, Unglücke und schlichten Diebstahl im Zusammenhang mit persönlichen Daten erleben wir fast täglich. Die EU steuert hier mit der Datenschutz-Grundverordnung von 2016 gegen und stellt saftige Bussgeldbescheide aus. Die Schweiz wappnet sich mit dem revidierten Datenschutzgesetz – weniger mit Bussen, dafür mit persönlicher Haftbarkeit der Verantwortlichen.
Und ja, die USA zieren sich und China ordnet die staatlichen Interessen über dem Datenschutz ein, aber wir machen Fortschritte. Ich werde über die Verwendung meiner Daten informiert und kann zustimmen oder widersprechen, bekomme die Hoheit über meine Daten plus die Instrumente, meine diesbezüglichen Wünsche auch durchzusetzen.
Reicht das?
Ich wäre mir nicht so sicher. Nehmen wir einen Musikstreaming-Dienst als Beispiel und nennen ihn MuseStream. MuseStream ist enorm praktisch. Ich suche mir Musik aus, die mir gefällt. Nach kurzer Zeit fängt MuseStream an, von sich aus Vorschläge zu machen. Cool, ich finde viel Neues und auch längst Vergessenes. Ich erlaube dabei MuseStream zu lernen, welche Musik ich höre und auch wann.
Nun, Musik und Situation sind vermutlich bei vielen Menschen eng verknüpft, bei mir z.B. so:
– Sport: treibende Sounds, hohe Schlagzahl, ca 1 Stunde
– Konzentrierte Arbeit: ruhige Musik, eher instrumental, Bürozeiten, Unterbrechungen
– Autofahren: Podcasts
– Gemütlicher Abend zu zweit: Verrate ich hier nicht.
Natürlich, für gute Vorschläge gebe ich gerne preis, welche Musik ich mag. Aber nehmen wir an, MuseStream findet das mit dem Zusammenhang „Musik“ und „Situation“ heraus (und die sind clever): Ist dann nicht zu vermuten, dass ich MuseStream weit mehr über mich offenbare, als mir vordergründig bewusst ist:
- Was ich tue,
- wann,
- wie lange,
und, Musik ist ja immer auch Emotion, also auch:
- wie ich mich fühle.
Und dies nicht nur so im „grossen Ganzen“, sondern in Echtzeit, jetzt, während dem Streamen.
Und sollte ich jetzt Bedenken haben, zückt MuseStream die Datenschutzerklärung und beweist mir, dass sie mich für ein fantastisches Hörerleben ja eben kennenlernen müssen. Und dass ich dem zugestimmt hätte. Habe ich ja.
Ich streame also in etwas gedrückter Stimmung weiter und skippe kurzerhand alle angebotenen Stücke bis wieder was Dunkleres kommt.
Dabei beschleicht mich, dass MuseStream doch merken könnte, dass meine Wahl nicht in mein übliches Verhalten am Dienstag-Abend passt. Es wäre doch, mit dem was sie wissen, ein Leichtes mich quasi wieder „auf Kurs“ zu bringen. Aber würde ich das wollen? Dass MuseStream algorithmenbasiert meine Stimmung aktiv beeinflusst, normalisiert? Das Datenschutzgesetz jedenfalls hätte nicht viel dagegen.
Spinnen wir das Thema etwas weiter: Was wird mir eigentlich zu welchem Zeitpunkt, situativ, auf Facebook oder Instagram präsentiert… mit dem, was sie über mich wissen? Wie beeinflusst mich das und wie weit lasse ich das zu? Bemerke ich das überhaupt?
Und noch etwas weiter: Facebook heisst jetzt Meta und macht den „nächsten Schritt im Bereich social Connections. Die Vision unseres Unternehmens ist, das Metaversum zum Leben zu erwecken“ steht auf about.facebook.com, 3D-Räume zum Lernen, Spielen und Zusammenarbeiten. Hier entstehen Umgebungen, welche nicht mehr den Gesetzmässigkeiten unserer bekannten physischen und gesellschaftlichen Umgebung gehorchen, sondern den Algorithmen von Meta und deren Intentionen.
Und es scheint nicht ein Frage von „ob“, sondern nur von „wann“, dass sich wesentliche Bereiche unserer Leben in solche Welten verlagern werden.
Mal ehrlich: Das Datenschutzgesetz wird uns dabei nur bedingt helfen. Es ist an uns, aktiv und bewusst darauf zu achten, unsere Privatsphäre und Selbstbestimmung nicht schon beim Login abzugeben… und bei allem was wir danach tun.
Weiterführende Links zum Thema
- Yuval Noah Harari: Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen, ISBN 978-3-406-70401-7
- Ernest Cline: Ready Player One, ISBN 978-3-641-07293-3