Vier Schritte, um den Fachbereich in deinem IT-Projekt abzuholen

In IT-Projekten ist die gelungene Kommunikation zwischen Personen aus dem Fachbereich und der Informatik der Schlüssel zum Erfolg. Die beiden Welten verstehen sich nicht auf Anhieb und Missverständnisse drohen. Modelle helfen dir eine Sprache mit deinen Kunden zu finden. Wie das geht, zeige ich dir anhand eines Beispiels aus der Praxis.

Stell dir vor, du arbeitest als Informatiker in einem Industriebetrieb. Deine Spezialität ist die Enterprise Application Integration. D.h. du verbindest Applikationen innerhalb und ausserhalb der Firma miteinander, damit diese automatisch Daten austauschen. Das verringert Medienbrüche und beschleunigt Prozesse, die mehrere Systeme umfassen.

Du erhältst den Auftrag das ERP der Firma mit einem Paketdienstleister zu verbinden. Die Versandaufträge geben wir in Zukunft direkt aus dem ERP auf. Technisch hast du die Schnittstelle im Griff, trotzdem fehlen dir noch Informationen:

  • Welche Rolle spielt die Schnittstelle im Geschäftsprozess?
  • Wie hängen die Systeme voneinander ab?
  • Ändert sich der Gesamtprozess und wie?

Wie kannst du diese Aufgabe angehen?

1. Lerne deine Kunden kennen

Als erstes musst du den Prozess „Paketversand“ besser verstehen. Du organisierst einen Workshop mit den Stakeholdern aus dem Fachbereich. Du lernst deine Kunden kennen und stellst den persönlichen Kontakt her. Das fördert die Kommunikation und den Teamgeist, was für den weiteren Projektverlauf essenziell ist.

2. Verstehe das System und den Kontext

Im Workshop betrachtet ihr den Geschäftsprozess im Kontext der Schnittstelle (das zu bauende „System“). Das System grenzt ihr in drei Phasen ein:

  1. Brainstorming: Der Fachbereich erklärt dir den Paketversand und ihr schreibt Stichworte auf Klebezettel
  2. Kategorisieren: Ihr teilt die Klebezettel in Personen, Prozesse, Nachrichten, Material und Systeme auf
  3. Priorisieren: Ihr ordnet die Klebezettel dem System oder dem Systemumfeld zu. Was übrig bleibt, ist nicht wichtig für die Aufgabe.

Das wiederholst du, bis ihr zu einem Endresultat gelangt, mit dem alle einverstanden sind.

Workshop Systemabgrenzung
Endresultat des Workshops zur Systemabgrenzung Paketversand (Quelle: Ruben Antenen)

3. Visualisiere die Systemumgebung

Im Workshop verwendet ihr Fachbegriffe aus dem Fachbereich und der Informatik, die für die Teilnehmer neu sind. Diese Begriffe erklärt ihr und erfasst sie in einem Glossar, das allen Teilnehmern zugänglich ist. Damit schafft ihr die Grundlage für eine gemeinsame Sprache.

Mit den Informationen aus dem Workshop erstellst du das Kontextdiagramm. Dieses eignet sich gut für die Systemintegration, weil es sichtbar macht, wie die Akteure Nachrichten mit dem System austauschen.

Die Flughöhe des Modells ist der Prozess „Paketversand Inland“, weil für den Fachbereich der Gesamtprozess wichtig ist. Die Schnittstelle wird einen Teil dieser Nachrichtenflüsse automatisieren. Die involvierten Systeme zeichnest du nicht explizit ein, damit das Modell für deine Kunden leicht verständlich ist.

Das Kontextdiagramm validierst du mit dem Fachbereich und passt es wo notwendig an.

Kontextdiagramm
Kontextdiagramm für den Paketversand Inland (Quelle: Ruben Antenen)

4. Modelliere den Geschäftsprozess

Jetzt modellierst du den Geschäftsprozess. Du erstellst das UML Sequenzdiagramm und zeichnest die Akteure (Personen und Systeme), die Nachrichten und den Ablauf des Prozesses auf. Die Informationen werden dir im Projekt nützen, wenn du die Schnittstellentests und die Trainings planst.

Aus dem Modell geht hervor, wo sich die Schnittstelle im Prozess befindet: An dem Ort, an dem die zwei Systeme Nachrichten miteinander austauschen.

Dieses Diagramm validierst du ebenfalls mit dem Fachbereich.

Sequenzdiagramm
UML Sequenzdiagramm für den Paketversand Inland (Quelle: Ruben Antenen)

Das hast du nun davon

Dein Vorgehen legt die Grundlage für die gelungene Kommunikation mit deinen Kunden:

  1. Alle Projektmitglieder kommunizieren miteinander
  2. Der Fachbereich und die Informatik sprechen eine Sprache
  3. Die Modelle vermitteln eine Sicht der Dinge

Die Ausgangslage für den Projekterfolg stimmt.

 

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Ruben Antenen

Ruben Antenen ist Application Manager EAI bei der Leister AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Requirements Engineering.

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