Neun Zusatzversicherungen im Warenkorb: Zur Kasse gehen?

Vermutlich ist auf der Website jedes Krankenversicherers irgendwo die Rede von individuellen oder persönlich zugeschnittenen Produkten. Faktisch sind es aber immer Pakete, die nur bedingt auf singuläre Bedürfnisse abgestimmt werden können. Ist eine komplett individualisierte Krankenversicherung denkbar?

Eine wichtige Klarstellung vorneweg: Es geht nicht darum, die obligatorische Grundversicherung in Frage zu stellen. Abgesehen von regulatorischen Gründen, ist eine Aufweichung dieser Versicherung auch aus ethischer und gesellschaftlicher Sicht nicht wünschenswert.

Es geht um die Überlegung, die Zusatzversicherungen individualisiert anzubieten.

Megatrend Individualisierung

Gemäss Schweizer  und Deutschen  Zukunftsforschenden ist die Individualisierung nämlich ein Megatrend. Megatrends sind globale, langfristige Entwicklungen. Sie verändern die Wirtschaft und die Gesellschaft und sind entsprechend auch für Unternehmen (überlebens-)relevant.

Sollten dann nicht auch Krankenversicherer diesem Individualisierungstrend in Form von wirklich personalisierten Zusatzversicherungen gerecht werden?

Der Versicherungsshop der Zukunft

Komplett individualisierte Zusatzversicherungen würden bedeuten, dass jeder Leistungsbaustein einzeln wählbar wäre. Die Fülle an möglichen Optionen wäre so gross, dass sie in einer physischen Broschüre nicht abbildbar wäre und das Beratungsgespräch unerträglich lange dauern würde.

Technisch könnten digitale Angebote in der Art eines Onlineshops helfen. Man stelle sich eine Website oder eine App vor, in der die einzelnen Gesundheitsleistungen wie Kleiderstücke bei Zalando abgebildet wären: Die Leistungsbausteine sind einzeln beschrieben, mit einem passenden Foto und dem dazugehörigen Preis versehen.

Entscheidungsschwierigkeiten (Quelle: iStock)
Entscheidungsschwierigkeiten (Quelle: iStock)

Die Qual der Wahl

Um eine Überforderung aufgrund der vielen Optionen zu vermeiden, könnten verschiedene Filter nützlich sein, oder es könnten demografische Angaben und individuelle Bedürfnisse abgefragt werden, um dann die passenden Versicherungsbausteine vorzuschlagen. Mithilfe von Algorithmen könnte ausserdem ein Systeme aufgebaut werden, das beliebte Produkte von anderen Nutzerinnen und Nutzern mit ähnlichen Vorlieben empfiehlt. Wie wär’s mit: «Versicherte, die Hotellerie-Komfort im Krankenhaus gekauft haben, kauften auch Bade- und Erholungskuren»?

Kein machbarer und auch kein wünschenswerter digitaler «Fortschritt»

Solidarität ist nötig (Bildquelle: iStock)
Solidarität ist nötig (Bildquelle: iStock)

Es ist eine spannende Vorstellung, sich seine persönliche Zusatzversicherung komplett auf seine eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden, sie bequem in den digitalen Warenkorb zu legen und zu bezahlen.

Man würde nur für Leistungen zahlen, die man braucht. Und genau da liegt der Hund begraben.

 

Krankenversicherungen funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip: Die gesunden Menschen zahlen die Leistungskosten der Kranken. Ein einzelner Zusatzversicherungsbaustein wäre nur finanzierbar, wenn er genügend Menschen enthält, die keine Kosten verursachen. Bei einzelnen Leistungen im Krankenhaus ist dies vielleicht noch vorstellbar, bei präventiven Leistungen wie Massagen sicherlich nicht mehr. Um etwas grundsätzlicher zu werden: Auch die Leistungen, die sich auf die Geburt eines Kindes beziehen, wären nicht finanzierbar.

Auch wünschenswert ist eine solche Individualisierung meiner Meinung nach nicht. Ein gesunder Mensch kann sich in der Regel schlecht vorstellen, wie es ist, wirklich krank zu sein. Wie schnell die Gesundheit gefährdet sein kann, haben die vergangen Monate eindrücklich aufgezeigt. «Paketversicherungen» können in diesem Zusammenhang Leistungen abdecken, die einem in gesundem Zustand unnütz vorkommen.

Denn leider lassen sich die online geshoppten Zusatzversicherungsbausteine im Fall eines «Schadens» nicht kostenlos retournieren und auch nur bedingt umtauschen.

 

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Eveline Eggenschwyler

Eveline Eggenschwyler ist Fachspezialistin für Sponsoring und Partnermanagement beim Krankenversicherer CONCORDIA und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Business Innovation. Sie mag eine klare und ehrliche (Unternehmens-)Kommunikation und hat keine Geduld für langsame Computer.

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