Requirement Engineering ganz alltäglich

Ausgangslage

Als Hausbesitzer ist man immer wieder gefordert, Dinge in Stand zu halten, zu erneuern oder gar komplett neu in die bestehende Substanz zu integrieren. Dabei sieht man sich mit Fragen konfrontiert: „Was für ein Bedürfnis muss die Renovation, der Ersatz oder die Neuanschaffung erfüllen.?“, „Welches Budget habe ich dafür zur Verfügung?“, „welche Varianten gibt es?“, „welche Lieferanten können das liefern?“, „welche Fachleute können das umsetzen?“

Grundsätzlich handelt es sich um ähnliche Fragestellungen wie bei einem Entwicklungs- oder Evaluationsprojekt, ja mehr noch: Es IST ein Entwicklungs- oder Evaluationsprojekt! Wenn man es genau nimmt, geht jede Neuanschaffung, sei es ein neuer Fernseher, eine neue Nähmaschine oder ein neues Handy genau in diese Richtung. Requirement Engineering ist etwas, das wir selber tagtäglich betrieben, ohne es zu merken.

Zuführung der Telefonleitung zum Haus
Die Telefonleitung zu unserem Haus. Im Vordergrund noch die alte Radioantenne (Quelle: J. Rüedi)

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Haus aus den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Eine Zeit, in welcher ein Telefon im Haushalt so langsam normal wurde aber ein Fernseher immer noch ein grosse Sache war. Die ersten zentralen Kabelnetze haben sich etabliert aber eher in den urbaneren Siedlungsgebieten.
An der Lage, an welcher sich unser Anschauungsobjekt befindet, ist bis heute kein Kabel für den Fernseh- Empfang verfügbar und die Telefonleitung kommt noch überirdisch zum Haus. Fernsehen kann man über eine Satellitenschüssel über DVB-S (Digital Video Broadcast- Stellite), oder über Internet Streaming- Anbieter wie Zattoo, Wilmaa oder Teleboy.
DVB-T (Digital Video Broadcast- Terrestric) wurde im Juni 2019 in der Schweiz weitestgehend eingestellt.

Wo brennt es?

Die Coronakrise hat unserer in die Jahre gekommenen Hausinstallation alles abverlangt.

Der Vater im Home Office, der in der Berufslehre befindliche Nachwuchs im HomeSchooling mit dem Bedarf an Videostreaming zur Schule und Freunden (und wohl auch zur Unterhaltung).

Das alles war zu viel für den ADSL Anschluss über die Freileitung (siehe Foto) mit einer maximalen Bandbreite von 20 Mbit/s und das WLAN für die Hausverteilung. Damit konnten die Bedürfnisse der Bewohner nicht mehr gedeckt werden.

Ermittlung der Lösungsansätze

Variante „mehr Bandbreite im ADSL“

Ein Besuch auf der Homepage der Swisscom (die letzte Meile zu unserem Haus obliegt diesem Anbieter) ergab, dass an unserer Adresse mit nicht mehr als 11 Mbit/s gerechnet werden kann. So gesehen haben wir die Möglichkeiten mit den gemessenen 20 Mbit/s schon mehr als ausgereicht

>> Verworfen

Variante Glasfaser

Da weit und breit keine Glasfaser an unserem Haus oder in der Gegend vorbeiführt musste auch das verworfen werden

>> Verworfen

Variante Fernsehkabel

Auch diese Variante scheitert am fehlenden Kabel

>> Verworfen

Variante Mobiles Internet

Mangels weiterer Alternativen erinnerte man sich an den Sturm, der vor einigen Jahren einen Baum auf die Telefonleitung fallen liess, was zu einem Unterbruch der Telefonleitung und somit auch des ADSL Signals führte.

Kulanterweise hat der Telefonanbieter damals spontan einen 4G Stick mit zugehöriger SIM-Karte und einem Unlimitierten Mobilen Internet Abonnement spendiert für die Zeit, bis die Leitung repariert war. Dies hat dermassen gut funktioniert, dass damals nur der relativ hohe Preis dazu geführt hat, dass Festnetzinstallation und der dazugehörige ADSL Anschluss in Betrieb blieben.

Allerdings sind die Preise für unlimitiertes Mobiles Internet gepurzelt und in Aktionen für teilweise unter CHF 20.- im Monat zu haben.

>> Für weitere Abklärungen vorgemerkt

Prototyp

Da keine weiteren Varianten mehr ermittelt werden konnten, wurde beschlossen, einen Prototypen „zu bauen“

Dafür wurde ein entsprechendes Abo abgeschlossen, welches 4G mit einer Bandbreite bis 300 Mbit/s für 24 Monate zu CHF 19.- versprach.

Der Stick von damals war noch vorhanden, also wartete man auf das Eintreffen der SIM Karte um die ersten Tests zu fahren.

Ein erster Test ergab, dass die Bandbreite noch nicht wirklich erreicht werden kann (im Gegensatz zu damals, als das Mobile Internet noch als Ausfallslösung hervorragend funktionierte.

Aber es wurde festgestellt, dass der Ansatz stimmt und das Potential hat, zum Erfolg zu führen.

Weiteres Vorgehen

Da der Prototyp erfolgreich war, kann nun die weitere Verbreitung des Internet Zuganges innerhalb des Gebäudes geplant werden.

Varianten

  • Einbau eines Gigabit Netzwerkes auf Basis von Cat 6 Kabeln und RJ45 Anschlüssen (Ethernet)
  • 4G Router mit integrierten WLAN Access Point
  • Powerline Adapter im HomePlug AV2 Standard

Konklusion

Obwohl dieses Projekt bei weitem nicht abgeschlossen ist, sind die Ansätze des Requirement Engineering erkennbar.
Auch kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Requirement Engineering etwas ganz alltägliches ist (sein kann).
Zum Einsatz kamen undokumentiert folgende Techniken, welche im Nachgang noch visualisiert wurden:

  • Kontext Diagramm (was kann beeinflusst / verändert werden, was nicht)

    Kontext- Diagramm
    Das Kontext Diagramm zu unserer Anforderung (Quelle: J. Rüedi)
  • Prototyp (die Verwendung des 4G Sticks)
  • Use Cases (wer verwendet welche Netzwerkanschlüsse)

    Use Case Diagramm
    Use Case Diagramm unserer „Anforderung“ (Quelle: J. Rüedi)

 

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Jimmy Rüedi

IT Enthusiast seit 1992 // IT Profi seit 1997 // Datenbank Spezialist seit 2000

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