Fernunterricht und Fernsehen – eine Datenanalyse in Pandemie-Zeiten

Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie kennen ihn alle Eltern von schulpflichtigen Kindern, den Fernunterricht. Der Schulunterricht zuhause erfordert Improvisationstalent und Pragmatismus. Insbesondere erwerbstätige Eltern müssen ihre Kinder selbständig am Schulstoff arbeiten lassen oder anderweitig beschäftigen – schlägt sich das in den Zuschauerzahlen des Schweizer Fernsehens nieder?

Ausgangslage

Mit dem Entscheid des Bundesrats vom Freitag, 13. März 2020 die Präsenzveranstaltungen an Schulen bis mindestens 4. April 2020 temporär auszusetzen (hier) begann für schulpflichtige Kinder die Phase des Fernunterrichts. Die Schulen beziehungsweise deren Lehrpersonen stellen den Kindern und Jugendlichen vorerst bis zu den Frühlingsferien Arbeitsmaterialien zur Verfügung, richten Kollaborationsplattformen ein und erteilen Arbeitsaufträge. Die damit einhergehenden organisatorischen Herausforderungen können für Eltern umfassend sein. Neben allfälligem eigenem Homeoffice soll die Betreuung und schulische Unterstützung der Kinder bei der Bearbeitung derer Aufgaben sichergestellt werden.

Von Seiten Lehrerschaft steht jedoch die Befürchtung im Raum, dass insbesondere am Vormittag in vielen Familien Betreuungsengpässe bestehen und die Kinder zuhause vor den Fernseher gesetzt werden anstatt ans Pult. Lässt sich diese Annahme anhand der Zuschauerzahlen des Schweizer Fernsehens (SRF) erhärten? Zeigt eine Analyse der Zuschauerquoten seit Bekanntgabe der Einschränkungen einen steigenden Fernsehkonsum? Haben sich die Sehgewohnheiten geändert?

Datengrundlage für die vorliegende Analyse sind die von SRF publizierten Zuschauerzahlen für die beiden Sender SRF 1 und SRF 2. SRF stellt nur für diese beiden Sender öffentlich Daten zur Verfügung und jeweils nur rückwirkend für 7 Tage (hier). Mit der Erhebung der Daten für diesen Blog wurde am 7. März 2020 begonnen und bis zum 26. März 2020 fortgesetzt.

Auswertung

Drei Kennzahlen wurden ausgewertet, um die Entwicklung der Zuschauerquoten zu beobachten.

Unverkennbar ist der markante Anstieg am Montag, 16. März, dem ersten Arbeitstag nach dem Bundesratsentscheid. An diesem Tag haben, über alle Altersgruppen gesehen, im Mittel über 150’000 Leute eine SRF-Sendung gesehen. Die hohen Einschaltquoten spiegeln das grosse Informationsbedürfnis der Bevölkerung wider. Im Verlaufe der Woche mit einhergehender Klärung der wichtigsten Fragen rund um die Umsetzung der bundesrätlichen Verordnung sinken die Werte wieder.

Der Mittelwert bei den Vormittagssendungen (Sendezeit zwischen 07.30 – 12 Uhr) liegt zwar höher als in der Vergangenheit, zeigt hingegen keinen solchen auffälligen Ausschlag nach oben wie der Tagesmittelwert. Sonntags sind die Zuschauerquoten aufgrund des für die meisten Leute frei verfügbaren Vormittags jeweils höher.

Absolute Quotenrenner sind, wenig verwunderlich, die Nachrichtensendungen. Die meist gesehenen Sendungen in der Betrachtungsperiode sind allesamt Tagesschau-Sendungen. Die Hauptausgabe vom Donnerstag, 19.3.2020 haben insgesamt rund 1.5 Millionen Personen gesehen, eine Quote welche ansonsten nur Spiele an Fussballendrunden mit Schweizer Beteiligung erreichen. Die Zuschauerzahlen der Tagesschau verbleiben seitdem auf hohem Niveau, wenngleich leicht abnehmend.

Analyse

Alle drei Kennzahlen weisen seit dem 13. März 2020 höhere Werte als in den Vorperioden auf und deuten damit auf einen gestiegenen Fernsehkonsum hin. Aufgrund der nur leicht erhöhten Mittelwerte der Vormittagssendungen ist dieser nicht hauptsächlich auf schulpflichtige Kinder zurück zu führen, insbesondere im Nachrichtenbereich sind die Einschaltquoten ausserordentlich hoch. Es ist somit davon auszugehen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Zeit im Fernunterricht nicht ausschliesslich vor dem Fernseh-Bildschirm verbringen – oder zumindest nicht vor einem mit einer SRF-Sendung auf dem Screen.

 

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Michael Zgraggen

Michael Zgraggen ist Controller bei der ewl Verkauf AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Business Intelligence & Analytics

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