In letzter Zeit häufen sich in den Medien Berichte aus denen hervorgeht, dass die polnische Regierung Wäge einschlägt, durch die die Rechtstaatlichkeit Polens in Gefahr sei, was in dieser Form durch die Europäischen Union moniert wird. Andererseits ist Polen für Schweizer Firmen, Ihre Dienstleistungen nach Polen zu verlagern, eine interessante Adresse.
Vorliegend soll der Versuch unternommen werden, kurz die Probleme aufzuwerfen und darzustellen, dass derartige Ängste unberechtigt sind.
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In den vergangenen Jahren ist immer wieder in den Medien berichtet worden, dass die national-konservative PIS Partei, die die Mehrheit im Parlament hat, Gesetze auf den Weg bring, durch die das Gewaltenteilungsprinzip aufgeweicht wird. Weiterhin ist in der Presse zu lesen, dass viele Entscheidungen der regierenden Partei sich nicht im Einklang mit der Marschrichtung der EU befinden. Aber warum ist es für die Führung dieser Partei so schwer sich damit anzufreunden, die Vorzüge einer Mitgliedschaft in der EU zu erkennen?
Polen, welches im frühen 10. Jahrhundert gegründet wurde, erlebte als Land drei Teilungen, die 1772, 1793 und 1795 stattfanden. Dabei wurde Polen von den Nachbarn Preußen, Österreich und Russland, welche das Land überfielen, unter sich aufgeteilt und Polen verschwand von der Landkarte. In der neueren Geschichte wurde mit dem Hitler-Stalin Pakt der Überfall auf Polen durch die Nationalsozialisten im September 1939 besiegelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde über die Polen gemäss des Potsdamer Abkommens wiederum durch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs hinweg entschieden. Es folgte aus der deutschen die sowjetische Besatzung und die Eingliederung in den Warschauer Pakt. Dabei kämpften die Polen immer gegen diese Widersacher, um ihre Souveränität zu behalten, meistens unter grossen Verlusten und oft erfolgslos.
Der letzte Kampf, der mit der Gründung der Solidarnosc in den 1980 Jahren das Ende des Kommunismus einleitete, findet wiederum in den Geschichtsbüchern kaum Erwähnung. Vielmehr wird für den Sturz des Kommunismus der Fall der Berliner Mauer als das Symbol herangezogen. Dieses Ereignis hätte aber nie stattfinden können, wenn nicht zuvor der Prager Frühling 1967 und der Kampf der Solidarnosc ab 1980 den Weg für den Fall der sowjetischen Vorherrschaft im Jahr 1989 geebnet hätten.
Die Fragen, warum sich in der Mentalität der zumeist älteren Menschen und somit der regierenden Politiker die Unterordnung in eine Gemeinschaft, wie es die Europäische Union ist, also schwierig entpuppt, kann somit mit diesen geschichtlichen Gesichtspunkten beantwortet werden. Die Angst dieser Personen, die Souveränität ihres Landes zu verlieren, ist fest in den Köpfen eingebrannt. Besonders ist diese Angst bei der älteren Generation existent, die die letzte sowjetische Unterdrückung noch vor Augen haben.
Bei den letzten Parlamentswahlen in Polen, die 2019 stattfanden, hat die regierenden PIS-Partei 235 Stimmen erhalten und somit 4 Stimmen mehr, als zur absoluten Mehrheit im Parlament notwendig sind. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,7 % und war somit die zweithöchste seit 1989. Neben einigen positiven Errungenschaften (grosszügige Sozialprogramme, z.B. das Kindergeld 500+) hat die PIS Regierung eine Reform auf den Weg gebracht, das Pensionsalter der Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahren herabzusetzen und was hauptsächlich von der EU kritisiert wird. Zwar kann sicherlich die Behauptung aufgestellt werden, dass die Intention der Reform, Richter, die zu Zeiten des Kommunismus (Un-) Recht gesprochen haben, von ihren Posten zu entheben, als legitim anzusehen ist, da bis zu diesem Zeitpunkt kein richtiger Schlussstrich mit der damals vorherrschenden kommunistischen Willkür gezogen wurde. Aber es lässt sich nicht verschweigen, dass bei der Umsetzung juristische Fehler vorgenommen worden sind, durch die das Parlament die Unabhängigkeit der Judikative begrenzt, da Eingriffe und Steuerungsinstrumente der Legislative gesetzlich fixiert wurden, die die Gewaltenteilung aufweichen. Hingegen kann aber festgestellt werden, dass das Argument zur Kritik des Absetzens des Mindestalters im internationalen Vergleich, keine besonders gravierende Regelung darstellt, wenn ein entsprechender Vergleich gezogen wird (Deutschland 65/68 Jahren; Schweiz 68 Jahren). Weiterhin wird auch das Verfahren der Wahl zum Richter an den Obersten Gerichtshöfen an sich kritisiert. Allerdings wird auch das entsprechende Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland seit langem kritisiert, wobei es hier zwei Ansätze zur Kritik gibt. Einerseits wird die mangelnde Transparenz kritisiert, andererseits dass bei der Wahl der Kandidaten ihre parteipolitische Ausrichtung eine Rolle spielt.
Diese ganzen politischen Schachzüge stellen aber marginale Problematiken dar und sollten keine Rolle spielen bei der Wahl eines Unternehmens, welches einzelne Dienstleistungen outgesourced haben möchte und für die der Weg nach Asien zu weit erscheint. Zumal Parlamentswahlen wiederkehrende Ereignisse sind, die die politische Landschaft wieder ändern können.
Auch die Rezession, die in den osteuropäischen Staaten vorhergesagt wird, stellt kein relevantes Risiko dar. Zwar schreibt Matthias Benz in der NZZ, dass der wirtschaftliche Boom, der in «Polen (…) staatfand und mit einem bisherigen Realwachstum im Jahr 2019 von rund 4,5% als Wachstumsinseln in einem sich eher dahinschleppenden Europa anzusehen ist, in der näheren Zukunft ein Ende erfahren wird», aber diese Rezession wird wohl nicht nur diesen Teil Europas treffen, sondern alle europäischen Staaten. Die Kosten der outgesourcten Bereiche bleiben weiterhin auf einen geringeren Level.
Aus diesen Gründen bleibt Polen, in der die meisten jungen Menschen nicht nur sehr gut qualifiziert, sondern auch Weltoffen sind, für die Schweiz ein interessantes Land, um wirtschaftliche Verbindungen einzugehen. Als Beispiel ist hier wohl die UBS zu nennen, die seit 2008 ein Business-Service-Center in Krakau unterhält.
Und auch wenn die polnische Regierung Reformen beschliesst, die die Rechtstaatlichkeit gefährden, stellen die Obersten Gerichte der EU ein Kontrollmechanismus dar. Zu einem PolExit kommt es wohl sicherlich nicht.
Vielen Dank
Weiterführende Links
1. Rechtsstaatlichkeit: Kommission verklagt Polen vor dem Europäischen Gerichtshof
https://ec.europa.eu/germany/news/20180924-rechtsstaatlichkeit-polen_de
2. Der Osteuropa-Boom geht zu Ende; Matthias Benz; NZZ;
https://www.nzz.ch/wirtschaft/osteuropa-boom-geht-zu-ende-wirtschaft-kuehlt-ab-ld.1520222
3. Wahl der Bundesrichter als Problem auch in Deutschland;
https://de.wikipedia.org/wiki/Richter_(Deutschland)#Wahl_der_Bundesrichter
4. Verfassungsrichter in der Schweiz und in Deutschland: Aufgaben, Einfluss und Auswahl; Alain Fischbacher; Züricher Universität;
https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/163302/1/20060040.pdf
5. Deutsches Richtergesetz;
https://www.gesetze-im-internet.de/drig/__48.html
6. Kurzinformationen über die Geschichte Polen;
https://de.wikipedia.org/wiki/Polen
7. Platz 4 für Polen bei der ECSC in Grossbritannien
https://www.swiss-hacking-challenge.ch/ecsc/ecsc2018.html
8. (…) wie Polen sich im UBS-Konzern einen festen Platz erobert hat; NZZ
https://www.nzz.ch/wirtschaft/ubs-in-polen-das-business-center-in-krakau-gehoert-voll-dazu-ld.1514773
9. Polen – das gelobte Land der Banken zeigt Überhitzungserscheinungen; NZZ
https://www.nzz.ch/wirtschaft/polen-das-gelobte-land-der-banken-zeigt-ueberhitzungserscheinungen-ld.1319554
10. Ergebnisse der Parlamentswahlen 2019; Fakty
https://www.fakt.pl/wydarzenia/polityka/wyniki-wyborow-2019-pkw-podala-oficjalne-wyniki-zobacz-ilu-poslow-ma-pis-a-ilu-po-psl/semez23
11. Warum mag die PIS-Partei die Europäische Union nicht?; Karolina Lewicka; Newsweek
https://www.newsweek.pl/polska/pis-cztery-powody-dla-ktorych-nie-lubi-unii-europejka/v77cbh6