Was haben Bitcoin und der Schweizer Franken gemeinsam? Beide Währungen sind ein gewagtes Geldpolitik-Experiment. Die Dimensionen und finanziellen Risiken nehmen historische Ausmasse an. Kampf der Paradigmen: Welcher Währungshüter gewinnt das Spiel? Eine Halbzeit-Analyse der Geldmengen-Experimente.
Die führenden Köpfe hinter Bitcoin und dem Schweizer Franken nutzen ein Geldmengen-Konzept, das unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite hat Satoshi Nakamoto, der vermeintliche Erfinder von Bitcoin, eine nicht-staatliche Währung geschaffen, welche eine transparente Geldpolitik verfolgt. SNB-Präsident Thomas Jordan auf der anderen Seite kämpft gegen eine zu starke Aufwertung des Schweizer Frankens und weitet dadurch die Geldmenge rekordverdächtig aus.
Wer gewinnt die Partie? Die Highlights der ersten Halbzeit:
Transparenz: 1:0 (Diskussionsloser Volltreffer)
Nakamoto hat klar und transparent definiert, wie viele Bitcoin jemals existieren werden. Es werden niemals mehr als 21 Mio Bitcoins geschaffen werden, so will es der Code in der Blockchain. Zurzeit sind es 18’217’550 Bitcoins. Der aktuellste Stand kann realtime nachgeschaut werden.
Über die Ausweitung der Geldmenge der SNB wird in Fachkreisen oft gerätselt. Erst Wochen oder Monate später wird klar, wann und wie die Nationalbank am Devisenmarkt interveniert hat (nach der Logik von Trump müsste wohl von Manipulation gesprochen werden). Einen präzisen Ausblick auf die zukünftige Geldmenge gibt es nicht.
Bitcoin ist, zumindest aus Geldpolitik-Optik, vorhersehbar und bietet entsprechend Planungssicherheit.
Inflationsschutz: 2:0 (Steilvorlage an Nakamoto direkt verwandelt)
Die Inflation in den letzten 70 Jahren hat dazu geführt, dass eine 100-er Note aus den 50er Jahren heute nur noch rund 20 Franken wert ist. Auch wenn die Inflationsrate wie in den letzten Jahren tief ist, führt sie doch zu einer schleichenden Entwertung des Geldes.
Thomas Jordan hat die Geldmenge im letzten Jahrzehnt enorm ausgeweitet. Sie stieg von CHF 100 Mrd. auf rund CHF 600 Mrd. Ob, wann und wie die SNB-Bilanz reduziert wird, bleibt Jordans Geheimnis. Die Auswirkungen dieses riskanten Vorhabens muss wohl auch von zukünftigen Generationen getragen werden.
Wie gefährlich eine solche Geldmengen-Expansion werden könnte, zeigt das Beispiel der Weimarer Republik. Die Deutschen hatten die Notenpresse zur Finanzierung von Kriegsschulden angelassen und entstanden ist eine desaströse Hyperinflation. Im Juni 1923 kostete beispielsweise ein Liter Milch 1’440 Reichsmark. Nur ein halbes Jahr später mussten dafür 360 Milliarden Reichsmark mit dem Schubkarren zum Milchverkäufer manövriert werden.
Von einer solchen Hyperinflation kann in der Schweiz nicht die Rede sein. Das Geld fliesst in Aktien und Immobilien und verhilft diesen Vermögenswerten zu neuen Rekordständen. Das abnehmende Geldmengenwachstum von Bitcoin auf der anderen Seite wirkt dafür inflationsschützend.
Verantwortung: 2:1 (Der Captain zeigt Leadership und verwandelt den Elfmeter souverän)
Die SNB kann und wird verantwortlich gemacht für die Geldpolitik und deren Auswirkungen. Vierteljährlich liefert die SNB ihren Bericht über die Geldpolitik ab und muss sich der Öffentlichkeit erklären. Bei starken Währungsschwankungen und in Extremsituationen wie am 15. Januar 2015 (Aufhebung EUR-Mindestkurs) wird die SNB öffentlich informieren. Dies schafft Vertrauen in der Bevölkerung, weil eine Person zur Verantwortung gezogen werden kann. Anders der anonyme Satoshi Nakamoto, welcher nicht kontaktiert und verantwortlich gemacht werden kann.
Wahlfreiheit: 3:1 (Hattrick Satoshi)
Mit dem Aufkommen der Kryptowährungen haben Anleger eine echte Alternative erhalten. Sie sind nicht mehr gezwungen, sich dem Gutdünken und Launen der Zentralbankern auszuliefern (Stichwort: kontroverse Notenbankenentscheide). Vielmehr wählen sie frei eine Währung, welche passender ist zu ihrer Ansicht über die Geldpolitik. Das Wall Street Journal hatte bereits vor 5 Jahren das Potential von Bitcoin aufgegriffen:
Wall Street Journal about Bitcoin: "It is, quite simply, one of the most powerful innovations in finance in 500 years."
by u/supermari0 in Bitcoin
Anwendbarkeit: 3:2 (schnörkelloser Konter vom Publikum bejubelt)
Klarer Vorteil für die SNB. Nicht jeder Bürger hat eine makroökonomische und geldpolitische Meinung, wie die nationale Währung gesteuert werden soll. Das Konzept von Bitcoin ist komplex und nicht jedermanns Sache.
Negativzins: 4:2 (Eigentor Jordan)
Die Einführung der Negativzinsen kann als stille Form der Enteignung angesehen werden: Das Halten von Schweizer Franken wird bestraft. Diese Art von finanzieller Repression mündet in einem unumstrittenen Eigentor des Währungshüters Jordan und gibt Bitcoin-Enthusiasten deutlichen Rückenwind. Ob dieses Eigentor zur spielentscheidenden Szene wird? Oder ist dies ein Weckruf für den obersten Banker der Schweiz, seine Strategie anzupassen? Die zweite Spielhälfte wird es zeigen…
„Halbzeitstand: 4:2 Führung für Nakamoto“
Ausblick zweite Halbzeit
Nakamoto nimmt eine 4:2 Führung mit in die entscheidende Phase. Im ersten Durchgang dominierte die Geldmengen-Steuerung das Spielgeschehen! Um das Spiel zu gewinnen, müssen selbstverständlich weitere Aspekte berücksichtigt werden. Das Zusammenspiel mit anderen Akteuren wie beispielsweise dem Verteidiger „Sicherheit“ und dem Stürmer „Benutzerfreundlichkeit“ ist komplex. Bei der Analyse der zweiten Halbzeit sollen diese Mitspieler ebenfalls unter die Lupe genommen werden. Vieles ist also noch unklar. Das Spiel kann auf die eine, oder andere Seite kippen. Es bleibt definitiv spannend. Klar ist: Gewinnen wird diejenige Mannschaft, welche mehr Support von ihren Fans bekommt.
Was denken die Zuschauer: Wer gewinnt das Spiel der unterschiedlichen Geldpolitik-Paradigmen? Teilen Sie Ihre Meinung mit. Hier geht’s zum Voting.