Werden Menschen zu «Walking Barcodes»?

Mithilfe von Kameras und Detektoren sollen Gesichts- und Körpersprache von Kunden zum Zweck der personalisierten Werbung analysiert werden, in Echtzeit! Ein heikler Werbetrend?

Mit gezielten Werbemassnahmen können Unternehmen die Kosten der Kundenakquisition senken. Hierfür müssen sie ihre Zielgruppe möglichst gut ansprechen können. Dies soll künftig durch den Einsatz von intelligenten Werbebildschirmen erreicht werden. Die eingesetzte Software erkennt durch Aufnahme des Gesichts und der Bewegung das Geschlecht, schätzt das Alter und kann sagen wie lange Kunden auf den Bildschirm schauen und entscheidet gestützt darauf, welche Werbung eingeschaltet werden soll. Unsere physiognomischen Merkmale — die nach dem Datenschutzgesetz (DSG) als besonders schützenswerte gelten — sollen also künftig wie Strichcodes gescannt, analysiert und kategorisiert werden.

Aus Kundensicht wird wohl die Frage zu stellen sein , ob die durch das spezifische technische Verfahren erhobenen Daten (künftig) einer natürlichen Person zugeordnet werden können. Unternehmen hingegen werden daran interessiert sein, die Anwendbarkeit des DSG auszuschliessen. Der Personenbezug und folglich die Anwendbarkeit des DSG können bei intelligenten Werbebildschirmen (mindestens teilweise) durch die Anonymisierung der Personendaten ausgeschlossen werden. Auch wenn der Vorgang der Anonymisierung eine Bearbeitung darstellt, das Ergebnis dieses Vorgangs stellt keine Personendaten mehr dar. Dies setzt allerdings voraus, dass die interne und externe Reidentifizierung unmöglich ist.

Juristische Grauzone?
Die Betreiber von intelligenten Werbebildschirmen sind als Verantwortliche gehalten, bei der Entwicklung der eingesetzten Technologie die datenschutzrechtlichen Grundsätze einzuhalten. Was heisst das konkret?

  • Zweckbindung: Personendaten dürfen nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. Im Rahmen der Echtzeit-Werbung wird die Pflicht zur Bekanntgabe der Datenerhebung wohl zu praktischen Problemen führen weil die direkte Beziehung zwischen Systembetreiber und -nutzer fehlt.
  • Transparenzgebot und Informationspflicht: Das Transparenzgebot verlangt die Erkennbarkeit der Beschaffung von Personendaten und des Bearbeitungszwecks. Erkennbar ist die Beschaffung, wenn die betroffene Person darüber informiert wird. Die Existenz und Funktionsweise der eingesetzten Kameras und Detektoren sind für die Betroffenen i.d.R. nicht erkennbar. Die Informationspflicht erhöht die Transparenz der Datenbearbeitung, eines der zentralen Ziele der DSG-Revision. Für den Kunden wird erkennbar, dass Daten über ihn bearbeitet werden, wodurch er seine Rechte nach dem DSG wahrnehmen kann, vorausgesetzt, die Information erfolgt vor Beginn der Datenerhebung. Zur Wahrung dieser Grundsätze könnten entsprechende Hinweise angebracht werden, die Kunden über die Identität und die Kontaktangaben des Verantwortlichen, die bearbeiteten Personendaten (hier Alter und Geschlecht), den Zweck der Bearbeitung (hier personalisierte Werbung) und über allfällige Empfänger der Personendaten informieren.

Verstösst die Bearbeitung den hiervor beschriebenen Grundsätzen, so liegt eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung vor, ausser die betroffene Person hätte der Bearbeitung eingewilligt oder sie ist durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt. Hier steht die Einwilligung klar im Vordergrund. Nach dem DSG hat die Einwilligung nach angemessener Information freiwillig und eindeutig zu erfolgen. Handelt es sich um besondere schützenswerte Daten, so verlangt der Gesetzgeber eine «ausdrückliche» Einwilligung als erhöhte Anforderung an die «eindeutige» Einwilligung. Das Informieren des Kunden über den Einsatz und den Zweck von intelligenten Werbebildschirmen z.B. vor dem Betreten des Geschäfts oder am Werbebildschirm selbst dient sicherlich der Transparenz, ob sich daraus  aber eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen ableiten lässt müsste wohl verneint werden. Zudem wäre zu klären, wie die Einwilligung von Minderjährigen (im lese- und schreibkundigem Alter oder nicht) zu gestalten ist, da sie durch die eingesetzte Software ebenfalls erkannt werden. Die Unternehmen werden neue Lösungsansätze zur Einhaltung der Einwilligung und zu Widerspruchsmöglichkeiten erarbeiten müssen.

Kundenakzeptanz als Erfolgsfaktor
Der Erfolg  der intelligenten Werbebildschirme wird künftig wohl vom Vertrauen und der Akzeptanz der Kunden abhängen. Gefördert werden kann die soziale Akzeptanz durch die Priorisierung des Datenschutzes und der Datensicherheit. Wünschenswert wären daher deutlich erkennbare und klar formulierte Hinweise in Bezug auf die eingesetzte Technologie und über den damit verfolgtem Zweck. Unternehmen, die mittels Information und Transparenz unsichtbares sichtbar machen, die Technologie so entwickeln, dass die damit erhobenen Personendaten — sofern datenschutzrechtlich relevant — auf das absolut notwendige Minimum beschränken und Kunden über entsprechend Plattformen Informationen bieten, dürften künftig wohl eher zum Genuss dieser Akzeptanz kommen.

Weiterführende Links:
Floriane Zollinger-Löw/Anna Kuhn, Datenschutzrecht und Fernmelderecht im Internet of Things – Eine rechtliche Analyse der LoRaWAN-Technologie, in: Jusletter 02.12.2019
Rolf auf der Maur/Delia Fehr-Bosshard, Personalisierte Werbung, In: Werbung – Online, 2017
David Rosenthal/Yvonne Jöhri, Handkommentar zum Datenschutzgesetzt, 2008
Botschaft DSG-Revision vom 15.09.2017 (BBl 2017 6941)
Artikel-29-Datenschutzgruppe Leitlinien zur Einwilligung gemäss VO 2016/679 (WP259 rev.01), 2018
Artikel-29-Datenschutzgruppe Stellungnahme 02/2012 zur Gesichtserkennung bei Online- und Mobilfunkdiensten (WP 192), 2012
https://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/heikler-werbetrend-digitale-plakate-analysieren-mit-kamera-kunden-fuer-personalisierte-werbung-132664182

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Öznur Üzmez

Öznur Üzmez ist Legal Counsel bei REK-Swiss und bloggt aus dem Unterricht des CAS DPO

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