Bits statt Bricks: Wie sich Retailbanken vor den neuen Herausforderern besser wappnen können

Aktuelle Herausforderungen im Retailbanking

Bei Gebührenerhöhungen verlieren Retailbanken Kunden an die neuen Herausforderer. Mittels Predictive Analytics könnten die Retailbanken ihren Kunden einen Mehrwert bieten, damit für eine bessere Akzeptanz der Gebühren sorgen und dem Schwund somit entgegenwirken.

Schrumpfende Zinsmargen

Den Retailbanken bläst angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase und der fortschreitenden Digitalisierung derzeit ein rauer Wind entgegen.

Die um sich greifende Angst ist berechtigt, denn diese Institute haben ihr Ergebnis in der Vergangenheit vornehmlich durch Zinserträge (Mohler, 2009) erarbeitet und leiden daher unter der Zinsflaute.

Während aufgrund der aktuellen Zinsphase die Zinsmargen weiter geschmälert werden, nehmen gleichzeitig die regulatorischen Anforderungen weiter zu. Zu beobachten sind hier vor allem Preiserhöhungen («PostFinance führt neue Preise ein», 2019) als typische operative Schritte zur Sicherung der Bankergebnisse. Unverändert hoch sind die Ausgaben für das Filialnetz «Bricks», das für die Vertriebsstruktur von Retailbanken typisch ist.

So liegen die jährlichen Kosten für ein herkömmliches Privatkonto (inkl. Debitkarte) in der Schweiz aktuell zwischen CHF 174,75 (PostFinance Privatkonto Plus) und CHF 288,60 (UBS-Privatkonto), abzüglich der Verzinsung, die im aktuellen Umfeld bei null liegt. Pakete mit Kreditkarten und weiteren Services kosten mehrere hundert Franken pro Jahr. Dies zeigt das Vergleichsportal Moneyland.

Bank Kosten
PostFinance Privatkonto Plus CHF 174,75
PostFinance Privatkonto CHF 190,75
Bank Cler Privatkonto CHF 199,70
Migros Bank Privatkonto CHF 213,00
Bank CIC Privatkonto CHF 218,50
Raiffeisen Privatkonto CHF 299,70
Credit Suisse Privatkonto CHF 255,20
Basler Kantonalbank Privatkonto CHF 257,70
Basellandschaftliche Kantonalbank Privatkonto CHF 258,45
BPS Privatkonto CHF 260,00
Valiant Privatkonto CHF 260,70
UBS Privatkonto CHF 288,60

Tabelle 1: moneyland.ch / Privatkonto / Durchschnittlicher Kontostand CHF 5’000 / Durchschnittsnutzer

Challenger Banken fordern die Retailbanken heraus

Auf der anderen Seite stehen die Challenger Banken, welche Basis-Retailbanking inklusive Kreditkarte für den Bankkunden kostenlos anbieten. Eine Challenger Bank ist eine Firma, die versucht auf disruptive Weise die Funktion traditioneller Banken zu stören. Sie haben den Prozess des Bankwesens durch eine neue Reihe von Produkten und Angeboten in Frage gestellt, die hochgradig digital sind, neue Kundenservicekanäle, neue Prozesse und / oder einen hohen Grad an Personalisierung aufweisen, der die Vorteile neuer Technologien nutzt («Infografik – Überblick der Challenger Banken auf dem Markt», 2018). Hierzu zählen die Schweizer Anbieter Zak und Neon sowie Revolut aus Grossbritannien. Geld verdienen möchte Zak über Mehrwertdienstleistungen, bspw. durch Abschlüsse von Versicherungen («Die erste Schweizer Mobile Bank: ‹Zak› im Test», 2018), die anderen beiden erwirtschaften ihre Erträge über die Kreditkartentransaktionen. Bei den neuen Mitspielern handelt es sich um Anbieter ohne Filialnetz, die das Banking auf einer App mit hoher Usability aufs Smartphone reduzieren.

Gebührenerhöhungen und schlechtes Digitalangebot sind die Treiber für einen Wechsel

Der Thinktank E-Foresight kommt in einer aktuellen Studie zum Ergebnis, dass der Treiber für einen Wechsel der Bankbeziehungen Gebührenerhöhungen und ein schlechtes Digitalangebot sind («Filialabbau ist ihnen egal: Das verlangen Kunden von den Banken | Luzerner Zeitung», 2019). Beliebig können die Retailbanken ihre Gebühren nicht erhöhen, denn damit treiben sie die Kunden in die Arme der Challenger Banken. So hat beispielsweise PostFinance mit der Einführung der Kontoführungsgebühren anfangs 2019 rund 70’000 Kunden verloren («Postfinance», 2019).

Dank Historie einen Mehrwert schaffen

Was können die Retailbanken tun, um diesem Schwund entgegenzuwirken? An den Gebühren können die Retailbanken kurzfristig nicht schrauben, da sie eine andere Ertragsstruktur haben als die Challenger Banken. Die Retailbanken können aber auf das zurückgreifen, was die neuen Herausforderer noch nicht haben – Historie. Sie verfügen über mehrere Jahre zurückliegende Daten «Bites». In ihren Systemen liegen sämtliche Transaktionen ihrer Kunden brach und warten darauf ausgewertet zu werden. Mittels Predictive Analytics könnten sie beispielsweise,

  • Kundenreaktionen vorhersagen und Cross-Selling-Chancen nutzen, um den Kunden besser zu beraten;
  • Churn Rate optimieren, durch herausfinden wieso die Kunden die Bank verliessen und was sie gemeinsam hatten; oder
  • die Zahlungswahrscheinlichkeit berechnen, um den Kunden tiefere Kreditkonditionen anzubieten.

Damit schaffen die Retailbanken einen Mehrwert für die Kunden, und können dadurch die Akzeptanz für ihre Gebühren erhöhen.

 

Quellen:

Die erste Schweizer Mobile Bank: «Zak» im Test. (2018). Abgerufen 23. Juni 2019, von https://blog.hslu.ch/retailbanking/2018/02/05/die-erste-schweizer-mobile-bank-zak-im-test/

Filialabbau ist ihnen egal: Das verlangen Kunden von den Banken | Luzerner Zeitung. (2019). Abgerufen 23. Juni 2019, von https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/filialabbau-ist-ihnen-egal-das-verlangen-kunden-von-den-banken-ld.1120479

Infografik – Überblick der Challenger Banken auf dem Markt. (2018, September 14). Abgerufen 23. Juni 2019, von Paymentandbanking website: https://paymentandbanking.com/infografik-challenger-banken/

Mohler, Rudolf (2009). Empirische Untersuchung zur Bedeutung makroökonomischer Faktoren auf die Risikoprämie Schweizer Bankaktien. St. Gallen: http://aleph.unisg.ch/F?func=direct&doc_library=HSB01&doc_number=000498685

PostFinance führt neue Preise ein. (2019). Abgerufen 23. Juni 2019, von PostFinance website: https://www.postfinance.ch/de/ueber-uns/medien/newsroom/medienmitteilungen/postfinance-fuehrt-neue-preise-ein.html

Postfinance: Wegen Gebühren laufen der Postbank die Kunden weg. (2019, Mai 28). Abgerufen 23. Juni 2019, von Blick website: https://www.blick.ch/news/wirtschaft/wegen-neuer-gebuehren-postfinance-hat-schon-70000-kunden-verloren-id15347307.html

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