Man stelle sich vor, die erste Mannschaft des FC Chur fusioniert mit der ersten Mannschaft des FC Ems. 15 Jahre später, würde dieser Verein Schweizer Fussballmeister. Und dies mit einem kleineren Budget als die Top Mannschaften der Liga, die wohl auch in 15 Jahren noch aus Bern, Basel und Zürich kommen dürften. Unvorstellbar, aber in Dänemark wurde dies bereits 2015 Realität. Der FC Midjylland, 1999 durch den Zusammenschluss der beiden Verein Hering Fremad und Ikast FS entstanden, feierte am 17. Mai 2015, nach einem 2:0 Heimsieg gegen den direkten Verfolger FC Kopenhagen, seinen ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte. 2018 wurde man bereits zum zweiten Mal Meister.
Der FC Midtjylland wird 2015 erstmals Dännischer Meister (Quelle: https://ekstrabladet.dk)
Doch was macht dieser kleine Verein in Dänemark anders als andere? Der Brite Matthew Benham kaufte den FC Midtjylland 2014. Zu diesem Zeitpunkt besass er schon den FC Brentford in England. Benham wurde durch Fussball Wetten vermögend, dafür verwendet er ein eigens entworfenes mathematische Modelle. Dieses Modell wurde fortan auch bei seinen Vereinen eingesetzt, mit Erfolg. Daten bestimmten fortan, wer zum Elfmeter antritt, wer die Freistösse ausführt und wie die taktische Aufstellung aussieht. Der Trainer bekommt zudem noch während des Spiels neuesten Berechnungen mitgeteilt, damit er die Taktik seiner Mannschaft anpassen kann. Auch die Transfers werden anhand von genau Datenanalysen getätigt.
Die Idee, mit Hilfe von Daten sein Team einen Vorteil zu verschaffen, ist aber nicht wirklich neu. In den USA, vorallem beim Baseball, ist dies schon lange Alltag. Billy Beane nutzte schon seit Ende der 90er Datenanalyse für seine Transfers bei den Oakland Athletics. Das Team welches vorher immer zu den schlechtesten der MBL gehörte, schaffte es plötzlich regelmässig in die Playoffs. Die Geschichte wurde im Filme Moneyball mit Brad Pitt verfilmt. Die Adaption auf den Fussball blieb aber lange erfolglos. Da Fussball nicht so berechenbar ist wie Baseball.
Das Schwierige ist, aus den Millionen von Datenpunkten, die richtigen Schlüsse ziehen zu können.
Dies wollte aber SAP und die TSG Hoffenheim ändern. Der Bundesliga Verein welcher dem SAP Gründer Dietmar Hopp baute dafür extra das Trainigszentrum um. Man begann zuerst bei der A-Jungend damit, Daten zu sammeln und damit zu arbeiten. Die Spieler mussten dazu im Training, wie bei Spielen, Sensoren bei sich tragen. So gewann SAP Millionen von Daten. Das Schwierige war nun aber, aus den Millionen von Datenpunkten, die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Es dauerte einige Jahre, bis man dir richtige Schlüsse ziehen konnte.
2014 nutzte dann auch die Deutsche Fussballnationalmannschaft an der WM in Brasilien das Analysesystem von SAP porduktiv. Alle gesammelt Leistungsdaten der Spieler, flossen in das System ein. Aber auch Informationen über Gegner wurden fleissig gesammelt. Vor jedem Spiel, bekam jeder Spieler ein umfangreiches personifiziertes Dossiere über den nächsten Gegner und seine möglichen Gegenspieler auf sein Smartphone. Dem Trainer Jogi Löw, stellte das System ein „Stärke-Schwächen-Profil“ jedes Spieler ins Verhältnis zum Gegner. Sein damaliger Co-Trainer Hansi Flick, war damals bei SAP mitbeteiligt an der Entwicklung des Systems. Dies sollte ihnen nun helfen, die bestmögliche Startelf aufs Feld zubringen. Betrachtet am Ergbeniss, ist dies ihnen an der Weltmeisterschaft 2014 auch gelungen.
Was vor 10 Jahren noch eher ungewöhnlich war, dürfte heute wohl jeder Profiverein machen. Daten über seine Spieler sammeln. Wie schnell rennt ein Spieler, welche Laufwege wählt er, wie hoch ist sein Passquote und vieles mehr. Jeder Trainer hat da wohl seine eigenen Ansichten, welche Eingeschaften wichtig sind. So tragen die Spieler unter dem Trikot oft eine Weste mit einem GPS Sender oder sie tragen einen Chip unter ihren Stutzen.
Doch was passiert mit all den Daten? Die wenigsten Verein, können es sich leisten ein Rechencenter für die Analyse all dieser Daten zu betreiben. Seit Mitte 2015 gibt es nun dafür die Analyse Software “SAP Sports One” aus der Cloud. In der Bundesliga sollen bereits 11 von 18 Mannschaften auf die Lösung des deutschen Softwaregiganten setzten. In der Schweiz ist nur vom Grasshoppers Club Zürich bekannt, dass der Service aus der Cloud genutzt wird. Die Verbreitung dürfte in Zukunft aber sicherlich weiter ansteigen.
https://www.youtube.com/watch?v=7Wo2a1y5JPQ
Trainer wie Julian Nagelsmann oder Thomas Thuchel, welche auf solche Tools wie SAP Sports One setzten, wurde in der Vergangenheit oft etwas despektierlich als “Laptop Trainer” betitelt. In Zukuft dürfte es aber immer wichtiger werden, entsprechendes Know-How im Verein zu haben, um die richtigen Schlüsse aus den Daten ziehen können. Jemand zu haben, der versteht wie man die gesammelt Daten richtig nutzt. Deswegen setzten immer mehr Vereine Datenanalysten ein. Sie unterstützen das Trainer und Scouting Team. In Deutschland gibt bereits entsprechende Lehrgänge, so zum Beispiel an der bekannten Kölner Sporthochschule. Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis der erste Transfer eines Datenanalysten über die Bühne geht.
Auch wenn es für die meisten nicht so sichtbar ist, aber die Cloud hat den Fussball hinter den Kulissen bereits betrefflich verändert. Doch die Tore müssen die Spieler auf dem Feld immer noch selber erzielen.
Quellen und weiterführende Links
SAP Sports One: https://www.sap.com/products/sports-one.html
Interview Nikos Overheul: http://spielverlagerung.de/2016/04/18/interview-mit-nikos-overheul/
Die Vermessung des Sports: https://www.bi-scout.com/die-vermessung-des-sports
Trailer Moneyball: https://www.youtube.com/watch?v=-4QPVo0UIzc
Die Formel zum Sieg: https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/fussball-big-data-die-formel-zum-sieg-ld.1340
Studiengang Spielanalyse: https://www.dshs-koeln.de/studium/studienangebot/weiterbildungsmaster/ma-spielanalyse/