Können Wahlen durch Big Data Technologien und Psychologie gezielt manipuliert werden? Es gibt keine Beweise dafür aber auch keine dagegen und die Meinungen driften auseinander. Fest steht aber, dass Big Data auch in der Politik angekommen ist.
«Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt».
Michal Kosinski, Assistant Professor Stanford University
Die Schweizer Zeitschrift «Das Magazin» hat einen Artikel über die Methode von Michal Konsinski zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen veröffentlicht und damit eine heftige Debatte ausgelöst.
Der Cambridge Analytica Skandal
Kosinski hat seit 2008 eine Methode entwickelt, um Menschen aufgrund ihres Verhaltens auf Facebook zu analysieren. 2012 hat Kosinski gezeigt, dass 70 Facebook-Likes reichen damit sein System eine Person besser kennt als seine Freunde. Die Firma Cambridge Analytica hat 2014 die Methode übernommen und soll so 2016 Donald Trump zum Wahlsieg verholfen haben. Konkret wurden Facebook-Likes mit weiteren Daten kombiniert und auf diese Weise gelang es, Wählerprofile von Einzelpersonen zu erstellen. Anschliessend wurden diese Personen bewusst mit abgestimmten Botschaften angesprochen. In der Fachsprache nennt man diese gezielte Ansprache von Menschen «Microtargeting». Das Besondere daran war, dass durch die technischen Möglichkeiten nun psychometrische Methoden auf Millionen von Facebook-Profilen angewendet werden konnten. Das war in diesem Ausmass so bisher nicht möglich.
Effektive Wirkung unklar
In der Zwischenzeit gibt es bereits einige Stimmen, welche die Wirkung von solchen Massnahmen hinterfragen. Sogar ehemalige Mitarbeitende von Cambridge Analytica haben den Einfluss auf die US-Wahlen im Jahr 2016 relativiert. Den Wahlsieg von Trump alleine Cambridge Analytica zuzuschreiben wäre somit vermessen.
Generell stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die politische Meinung einer Person durch Botschaften zu manipulieren? Gerade bei Personen mit einer fundierten politischen Meinung ist dies kaum möglich. Beispielsweise den klassischen SVP-Wähler/-in durch gezielte Botschaften zum SP-Wählenden umzupolen wird schwierig. Jedoch können Parteien unentschlossene Wähler gezielt angehen, um ihre Stimmen zu erhalten. In der Schweiz sind das in den meisten Wahlen und Abstimmungen minimum 50% der Wahlberechtigten.
Es gibt aber Indizien dafür, dass durch datenbasiertes Microtargeting die Wahlbeteiligung bei bestimmten Gruppen erhöht oder gesenkt werden kann. Durch die richtige Botschaft können somit Personen zum Wählen animiert werden – oder vom Wählen abgehalten werden. Vor allem bei knappem Wahlausgängen können solche Massnahmen durchaus ihre Wirkung erzielen.
Fest steht, dass Microtargeting bereits heute im eCommerce, im Online Marketing aber eben nun auch für politische Zwecke eingesetzt wird. In welchem Umfang dies verwendet wird ist hingegen unklar. Die Digitalisierung und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten Daten zu sammeln und zu analysieren, werden aber dafür sorgen, dass die Bedeutung von Microtargeting in der Politik noch grösser wird.
Und wie sieht es in der Schweiz aus?
Das Thema ist auch in der Schweiz angekommen. Bereits im Dezember vor zwei Jahren gab es ein Postulat zum «Schutz der Wahlen und Abstimmungen von Big Data Missbrauch». Das Postulat fordert die Erstellung eines Berichts, der sich mit den Gefahren von Big Data für die direkte Demokratie auseinandersetzt.
Auch in der Schweiz hat in der Zwischenzeit der Wahlkampf basierend auf Daten und Microtargeting begonnen, wie die NZZ schreibt.
Im Vergleich zu den USA sind die Möglichkeiten von solchen Methoden in der Schweiz allerdings viel geringer. Einerseits, weil unsere Parteien viel loser organisiert sind. Somit ist auch das Budget für die Beschaffung von grossen Analysetools beschränkt. Anderseits sind unsere Datenschutzgesetze viel schärfer. In den USA erhält man beim Erwerb eines Analysetools noch mehrere hundert Millionen Datensätze obendrauf. In der Schweiz beginnt man praktisch bei null, weil keine Datensätze mitgeliefert werden.
Risiko und Chance zugleich
Eine nicht regulierte Sammlung von Daten lädt zum Missbrauch ein, wie der Fall Cambridge Analytica aufzeigt. Bei der Beurteilung von Big Data in der Politik sollten wir aber nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen berücksichtigen. Big Data Lösungen bieten Möglichkeiten, wie beispielsweise junge digitale Leute direkt angesprochen werden können. Auf diese Weise kann also auch die Qualität der Demokratie verbessert werden. Der Fokus sollte sich daher nicht auf Verbote richten, sondern auf die Regelung eines sinnvollen Einsatz von Big Data in der Politik.
Aufgrund unseres Datenschutzgesetztes wird Big Data den Wahlkampf in der Schweiz wohl nicht gerade revolutionieren. Auch gezielte Wahlmanipulationen sind kaum möglich. Big Data bietet aber den Parteien z.B. durch Microtargeting ganz neue Möglichkeiten, Botschaften an die richtigen Personen zu senden. Auch die Politik in der Schweiz wird somit kaum an Big Data vorbeikommen.